Privateer - das Erwachen

part 102

*

Auf Hades hatte inzwischen ein gewisser Gildenführer eine sehr unruhige Nacht durchlebt. Die Nachrichten, die er erhielt, waren mehr oder weniger widersprüchlich.
Einige Piloten seiner Gilde hatten von einer großen Streitmacht der CIS berichtet, die von Serca aus ins Petra-System geflogen war – allerdings blieben von dort alle Nachrichten aus. Ricards wusste weder, ob die Kiowan oder aber die CIS den Kampf gewonnen hatten... er hatte mehrfach über verschlüsselte Kanäle versucht, seine Ansprechpartner innerhalb des Kiowan-Clan oder aber einige seiner eigenen Leute zu erreichen, aber es kam einfach keine Antwort.
Einige Transportschiffe standen bereit, um direkt ins umkämpfte System zu fliegen, aber ohne Genehmigung des Senats wollte Ricards nicht agieren, soviel hatte er wohl verstanden. Und eine Reaktion vom Senat selbst ließ noch immer auf sich warten. Ricards saß gewissermaßen wie auf heißen Kohlen...
Hinzu kam ein Bericht, der von einem Piloten seiner Gilde stammte. Dieser war im Anhur-System unterwegs gewesen und hatte ein größeres Schiff mit seinen Langstreckensensoren erfassen können, das er aber nicht identifizieren konnte. Von den Abmessungen her könnte es ein kleiner Zerstörer sein, aber in den Datenbanken seiner Maschine fand der Pilot kein Äquivalent hierzu.
Und eben diese Nachricht sorgte für große Unruhe bei Ricards.
Der Gildenführer wusste, dass es nur zwei Organisationen im gesamten Tri-System gab, die ein solches, völlig neues Schiff bauen konnten, ohne dass die Öffentlichkeit davon sofort Wind bekam.
Zum einen war das die CIS... aber das Militär hatte erst vor zwei Jahren einen neuen Schlachtschifftypen in den Dienst gestellt. Zudem: die CIS testete ihre Schiffe nicht in der Nähe von Anhur, sondern hier im Hades-System.
Die andere Organisation war der Clan... jene geheimnisvolle Unterweltgruppierung, die schon mehrfach für Ärger innerhalb der Gilde von Ricards gesorgt hatte, zumeist einfach gesagt nur durch verlorene Gefechte und den Verlust von Piloten.
Ja, der Clan...
Ricards hatte zumindest Respekt vor dieser einen Gruppierung des Tri-Systems. Alle anderen hatte er bereits korrumpieren können, nur an den Clan war er niemals heran gekommen. Laut allgemein bekannten Informationen leitete derzeit ein Mann namens Arris den Clan, es hieß zudem, dass Arris selbst einmal nur ein einfacher Privateer gewesen sein sollte.
Ricards hatte mehrfach versucht, relevantes Material über diesen ominösen Ser Arris zu sammeln, aber er stieß immer wieder auf Granit. Keiner kannte Ser Arris oder besser gesagt, keiner wollte ihn kennen, keiner wusste wo, er geboren worden war oder ob er überhaupt existierte...
Arris war wie ein Phantom. Eines war sicher: jemand von ganz oben hatte dafür gesorgt, dass sämtliche Unterlagen über den Privateer und Clanchef verschwinden konnten. Nur... wer?
Ursprünglich hatte Ricards sogar gehofft, dass sein Verbündeter im Senat seine Neugierde befriedigen würde, aber selbst das war ein Fehlschlag auf der ganzen Linie. Was also blieb war nur ein Name und wilde Spekulationen.
Ricards sah von seinem Schreibtisch auf, sein Blick fiel auf den jungen Privateer, der ein paar Schritte entfernt in einem Sessel saß und seinen Blaster zu Testzwecken demontiert hatte. Offenbar schob Ricards Zögling Langeweile vor sich her...
»Sagen Sie, junger Freund...«
Die Stimme des Gildenführers klang monoton durch den Raum. »...unsere Piloten da draußen, wie viele könnten wir innerhalb von drei oder vier Stunden mobilisieren?«
Der Söldner sah nicht einmal von seiner Beschäftigung auf, während er antwortete.
»Schätzungsweise Fünfzig, vielleicht auch mehr. Warum fragen Sie?«
Ricards überlegte.
»Mein junger Freund, ich werde das Gefühl nicht los, dass uns hier einiges aus dem Ruder läuft. Vor allem aber beunruhigt mich dieses Schiff hier... noch dazu in so unmittelbarer Nähe unseres Verbündeten. Falls er das überhaupt noch ist.« Der Söldner hatte seine Inspektion des Blaster wohl abgeschlossen, geräuschvoll baute er die Waffe wieder zusammen.
»Ich kann ja mal einen Blick auf Ihr Schiff werfen, direkt vor Ort. Wenn Sie das möchten.«
»Nicht im Alleingang. Aber machen Sie bitte einen Flug für mich bereit, ja?«
»Natürlich, Ser Ricards. Und das Reiseziel?«
Ricards Blick wanderte vom Söldner wieder auf ein Pad, das vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Auf dem Display waren schemenhaft die Umrisse des unbekannten Schiffe erkennbar.
„Anhur.“

*

Teannas zierliche Hand umklammerte den Steuerknüppel regelrecht, ihr Zeigefinger drückte auf den Auslöser für ihre Bordgeschütze – aber nichts passierte. Erst jetzt fiel ihr wieder ein, dass ohne aktives Triebwerk auch keinerlei Energie für ihre Bordwaffen zur Verfügung stand.
Die Skecis stand kurz vorm endgültigen Abriss der Luftströmung, die kleinen Tragflächen würden in wenigen Sekunden keinerlei Auftrieb mehr liefern. Blieben nur noch die Raketen... Teanna wusste, dass sie diese zwar ausklinken und automatisch zünden, aber keinerlei Zielaufschaltung bekommen würde – ohne Energie funktionierten nur noch die Notsysteme.
Erneut zog sie das Steuer näher zu sich heran, erneut zwang sie ihren Jäger, die Rumpfnase nach oben zu ziehen.
Eine ihrer Raketen schoss nach vorne, verfehlte aber den Gegner nur um wenige Meter. Also noch einmal... wieder ging ein Ruck durch den kleinen Jäger, wieder konnte Teanna anhand der Rauchschwaden den Weg der Rakete verfolgen. Treffer!
Das Geschoss durchschlug eine der großen Tragflächen der Heretic und explodierte sofort. Trümmerteile durchschlugen den Rumpf der Heretic, eines der Triebwerke begann zu stottern, der Gegner verlor sichtlich an Höhe und auch an Schub. Teanna hätte am liebsten einen lauten Freudenschrei von sich gegeben, aber genau in diesen Moment spürte sie deutlich, dass sich ihre Maschine endgültig von der halbwegs stabilen Fluglage verabschiedete.
Jetzt gab es nur noch eine Richtung.
Es ging abwärts...
Teanna klammerte sich am Steuer fest, sie konnte nur hoffen, dass der Aufschlag auf den Boden nicht allzu hart werden würde. Ihr Bordrechner heulte auf.
»Warnung! Freier Fall! Höhe fünfzig Meter... Warnung! Freier Fall! Höhe vierzig Meter...
Die Pilotin suchte nach einem Ausweg. Sie hatte inzwischen den Raumhafen verlassen, unter ihrer Maschine lag freies Feld, die Gegend selbst war offenbar völlig menschenleer. »Warnung! Freier Fall! Höhe zwanzig Meter...« Die junge Söldnerin schloss ihre Augen, dann legte sie ihre Hand auf den Gashebel und schob diesen einfach nach vorne...
Die Zündung der beiden Triebwerke lieferte kurz einen enormen Schub, Teanna leitete diesen Schub nach unten, sie wollte den Fall abbremsen... nur eine Sekunde später schlug ihre Maschine hart auf. Das Metall des Rumpfes begann regelrecht zu kreischen, es verbog sich, verformte sich, brach an mehreren Stellen einfach ab.
Eine Feuerfontäne jagte um den gesamten Rumpf, die kurze Zündung hatte auch den auslaufenden Treibstoff erfasst, Teanna glaubte in der aufsteigenden Hitze zu ersticken, sie sah die Flammen vor sich hochschlagen. Doch das Feuer verlosch nur Augenblicke später wieder und die Söldnerin versuchte verzweifelt, die Cockpitverglasung zu öffnen.
Doch sie hatte keine Chance...
Wie lange würde es wohl dauern, bis ihr kleiner Jäger doch noch explodieren würde?
Genügend Treibstoff hatte sie ja an Bord... Für die Pilotin vergingen einige schier endlose Sekunden, dann hörte sie, wie jemand kraftvoll gegen das Cockpit schlug. Einmal, dann wieder.
Die Verriegelungen brachen ab, und jemand zog Teanna aus ihrem Sitz. Benommen versuchte sich die Söldnerin ein Bild davon zu machen, wer sie da gerettet hatte. Eine riesige Hand strich ihr sanft übers Gesicht, und eine vertraute Stimme erreichte ihr Ohr.
»Ruhig, ganz ruhig, Sera Tasker. Sie sind in Sicherheit.«
»Danke Ser Gutenhal. Danke...«
Das letzte Wort brachte Teanna nur noch halb heraus, einige Tränen schien es zu ersticken. Gutenhal griff zum MACS, er scannte Teanna, suchte nach Verletzungen. Als er nichts fand, das nicht mit Hilfe einer einfachen Mullbinde gerichtet werden konnte, atmete er hörbar auf. Teanna hatte nur einige Schürfwunden an ihren Händen, sie stammten vom Steuer, das sie die ganze Zeit fest umklammert hatte...
»Sera Tasker? Die Heretic ist notgelandet, etwa acht Kilometer von hier entfernt. Wenn Sie aufstehen können und vorausgesetzt, Sie wollen das hier immer noch beenden, dann können wir dorthin aufbrechen. Und zwar sofort.«
Teanna nickte, sie rappelte sich auf, gestützt von Gutenhal’s riesigen Händen. Sie sah sich um, etwas fehlte hier... nein, jemand fehlte!
»Ivy... Ivy, wo ist sie?«
»Sera Banks ist okay, sie holt Hilfe. Ihr Jäger konnte nur nicht starten, einige Trümmer lagen ihr im Weg.«
Teanna rieb sich die Augen, sie wollte wieder klar sehen können.
»Und Sie? Wie sind Sie überhaupt in die Luft gekommen?«
Gutenhal lächelte.
»Senkrecht. Und durch das geschlossene Hangardach, ich verdränge gerade den Gedanken an die Schadenersatzforderungen, die da demnächst kommen werden.«
Senkrechtstart also... Teannas kleiner Jäger verfügte nicht über diese Möglichkeit, einige Meter Anlaufstrecke waren zumeist die Voraussetzung, um die Dark Spirit sicher in die Luft zu bekommen...
»Haben Sie einen Blaster?«
Gutenhal nickte kurz.
»Dann steht es also fest?«
»Ja. Krallen wir uns diesen Typen... der schuldet mir einen neuen Jäger.«

*

»Na, darf ich den Helden stören?«
Die Wärme in der Stimme wirkte wie Balsam auf die Seele des besagten Helden, der sich wieder zusammen mit Ser Arris über Datenpads her machte.
»Warum nur sieht jeder in meiner Person einen Wundertäter?«
Deacan sah lächelnd auf Venice, die ihrerseits die kleine Geste erwiderte.
»Unsere Kampfstärke ist jetzt um schätzungsweise das vierfache angestiegen, vorausgesetzt, die Jungs da draußen haben ihre Schiffe nicht nur als Dekoration mitgebracht. Gibt es hier etwas neues?«
Während Arris den Kopf schüttelte, tat Deacan genau das Gegenteil, er nickte und wies Venice an näher zu kommen.
»Kleines, flieg bitte diese Koordinaten an und sieh dich dort um.«
Venice sah auf das Pad, das ihr Partner ihr entgegen hielt.
»Und was genau soll ich da finden? Oder anders gefragt, wer wartet da auf meine Ankunft?«
»Das ist eine gute Frage. Ich weiß es nicht genau... es ist nur eine fixe Idee, der ich allerdings nachkommen möchte. Also – wenn du nichts besseres vorhast und mir einen kleinen Gefallen tun möchtest...«
Die Söldnerin griff sich das Pad, dann machte sie auf ihren Absätzen kehrt und verließ den Raum. Ser Arris sah ihr verständnislos hinterher, dann wandte er sich seinem Gast zu.
»Eine fixe Idee? Darf ich eventuell erfahren, was genau in Ihrem Kopf vorgeht, mein Freund?«
Deacan lächelte, dann gab er Antwort.
»Die Nachricht an Dawson, die wir abgefangen hatten... diese Nachricht hat mich auf eine Idee gebracht. Wie sagten Sie es doch? Frequenzen gleich Buchstaben... oder eben Zahlen. Und diese Zahlen könnten auch Koordinaten sein. Wir werden ja sehen, ob nur Ihre Jungs da etwas entschlüsseln konnten, oder ob auch ich mich als Experte in Sachen Decodierung in Zukunft selbstständig machen kann.«
»Ser Tron, Sie und ich, wir wissen doch beide, dass Sie niemals ihren Beruf wechseln würden, oder?«
»Punkt für Sie.«
Deacan legte ein weiteres Pad beiseite. »Das ist, als würde man die Nadel im Heuhaufen suchen... Ihr Vorgänger hat seine Aktivitäten mehr als nur gut getarnt.«
Auf Arris Stirn erschienen ein paar Sorgenfalten.
»Ich werte das mal als Kompliment, auch wenn ich eigentlich nicht tun sollte.
Ja, Kronos war sehr fleißig, in den gut fünfundzwanzig Jahren seiner aktiven Zeit hat es niemand jemals geschafft, einen genaueren oder gar vollständigen Blick auf seine Person zu werfen. Selbst ich kenne keine Einzelheiten. Nur, dass er mein Bruder war und das einige Gegner seiner Politik mich vor seinem Zugriff versteckten... wussten Sie, dass ich fast zehn Jahre quasi auf Eis lag?«
Deacan sah auf.
»Nein, das wusste ich nicht. Darf man fragen, warum?«
»Nun, Kronos dachte ursprünglich, dass ich tot sei. Dieser Mistkerl hat seine gesamte Familie ausgelöscht, nur damit keiner seine Macht in Frage stellen würde. Allerdings gelang sein Vorhaben nur teilweise, er infizierte mich mit einem Virus, der mein Immunsystem zerstören sollte.
Ein paar Freunde jedoch froren mich ein und so überdauerte ich einige Zeit, bis auf Crius ein Heilmittel gefunden wurde. Die Rückkehr ins Leben verlief dann zwar nicht unbedingt so wie ursprünglich geplant, aber letztlich sehen Sie ja wo ich jetzt bin.«
»Und? Fühlen Sie sich wohl dabei?«
Arris verzog das Gesicht.
»Wenn ich wüsste, dass ich alles ungeschehen machen könnte, was Kronos angerichtet hat – dann ja. Aber wie gesagt, ich habe nur sehr begrenzt Einblick in seine Geschäfte bekommen.«
Das Geräusche seines MACS ließ Arris von seiner Arbeit aufsehen. Er aktivierte das Gerät, jemand hatte ihm eine Nachricht geschickt. Und es schien eine positive Nachricht zu sein... »Ser Hassan ist auf den Weg hierher. Wie es scheint, hat die CIS die Lage auf Petra wieder unter Kontrolle.«
»Oder aber er ist auf der Flucht...«
Arris schüttelte energisch den Kopf.
»Nein, laut diesem Bericht ist sein Schiff und die Eskorte völlig intakt. Wäre auf Petra etwas schief gelaufen, dann wäre Hassan der Letzte, der das System verlassen würde. Falls er das überhaupt tun würde. Soviel steht fest.«
Deacan sah auf den immer noch riesig wirkenden Haufen Pads, der einfach nicht kleiner werden wollte. Auf diese Weise kam er nicht vorwärts... es musste einen anderen Weg geben. Venice war jetzt sein Hoffnungsträger. Sie und das, was sie eventuell von ihrem kleinen Trip ins All mitbringen würde. Es musste einfach funktionieren, er durfte sich jetzt nicht irren...
 
part 103

*

»Repulse meldet keinerlei Feindkontakte mehr. Gegner befindet sich endgültig auf dem Rückzug.«
Manleys Gesicht strahlte ohne Ende.
»Hervorragend. Rufen Sie alle Einheiten zurück zu ihren Trägerschiffen. Die Zerstörer und Schlachtschiffe sollen die Verfolgung aufnehmen. Meine Damen und Herren – Petra gehört wieder uns.«
Einige Offiziere applaudierten, Manley hatte Mühe, nicht selbst in Feierlaune zu geraten, um einfach die Brücke zu verlassen und eine Flasche Wein zu öffnen... »Kommunikation? Bitte richten Sie allen Piloten und Besatzungen da draußen meine Anerkennung und tiefen Dank aus, sie haben heute übermenschliches geleistet.«
Der Kommunikationsoffizier, jene Frau mit tiefer Stimme, gab diese Worte umgehend an die Einheiten im All weiter. Danach wandte sie sich von ihrer Konsole ab, überspielte einige Daten auf ein leeres Pad, das sie dann Manley überreichte.
»Die kompletten Verluste unserer Aktion.«
Manley sah kurz auf die Daten... man hatte insgesamt einhundertundvierzehn Jäger verloren, zudem einen Zerstörer, die Argo. Einige weitere Schiffe wiesen schwere Schäden auf und es würde Monate dauern, ehe sie wieder in den aktiven Dienst zurückkehren würden.
Innerhalb dieser Zeit würde die CIS sehr verletzlich sein, Manley hoffte inständig, dass die Kiowan oder wer auch immer nicht einfach die Gunst der Stunde nutzen und wieder zuschlagen würden.
Die Techniker der CIS waren inzwischen dabei, erste Trümmerteile von der Schlacht zu bergen. Ihr Hauptinteresse galt natürlich der Tarntechnologie... Manley hatte dieser Aufgabe eine hohe Priorität eingeräumt und so machten sich ganze Mannschaften daran, einen zerstörten Kiowanjäger nach dem anderen in die Hangars zu schaffen, um so viele Daten wie möglich zu sammeln.
Die Agentin selbst jedoch konnte nicht auf die Ergebnisse dieser Arbeit warten, sie wollte auf schnellstem Wege ihrem Vorgesetzten folgen. Ser Hassan war in Richtung Anhur aufgebrochen, der Grund war für Manley zwar noch immer völlig unklar, aber sie ahnte, dass es etwas mit dem Senat zu tun haben könnte.
Anhur... das war das Terrain für die Politiker. Hier saßen all jene, die lieber redeten und das Handeln anderen überließen. Leuten wie Manley beispielsweise... oder eben Ser Hassan.
Hassans kleine Flotte hatte einen Vorsprung von nicht ganz einer Stunde...

*

Sechs Minuten. Länger dauerte es nicht, bis man die Absturzstelle der Heretic fand. Der Jäger war noch in einem Stück und nicht ausgebrannt.
Der Pilot hatte seine Maschine also vor dem Aufschlag abfangen können und er hatte sogar eine Landung hinbekommen... das sprach zumindest für seine Erfahrung und für extremes fliegerisches Geschick. Gutenhal überflog zunächst die Landestelle, er wollte sicher gehen, dass keine böse Überraschung auf Teanna und ihn warten würde. Alles schien ruhig zu sein. Das Cockpit der Heretic war noch geschlossen und der Pilot schien seinen Jäger noch nicht verlassen zu haben...
Gutenhal flog direkt vor die Nase der Heretic, er aktivierte seine Geschütze. Teanna, die ihm dabei über die Schulter sah, wirkte seltsam gelassen.
»Was haben Sie vor?«
»Bevor ich lande und aussteige, werde ich diesem Kerl da unten die Flügel stutzen... er soll keine Chance bekommen, wieder zu starten.«
Kaum war das letzte Wort Gutenhals verklungen, schlugen auch schon die ersten Salven aus den Voltlasern der Karnenan auf den Rumpf der Heretic ein. Ohne Schilde war der Jäger nur noch ein Stück Stahl, das sich mühelos zerlegen ließ. Die linke Tragfläche wurde zerfetzt, das darunter liegende Fahrwerk brach ab – die Heretic kippte gewissermaßen auf die Seite.
Aus dieser Position hätte niemand mehr starten können.
Gutenhal schien zufrieden zu sein, er brach seine Aktion ab und landete seinen Jäger neben dem Gegner.
Teanna kletterte etwas unbeholfen aus der Karnenan, Gutenhal hingegen sprang aus dem Cockpit. Seinen Blaster hatte er bereits in der Hand, die Waffe wirkte winzig in seinen Händen, fast wie ein Spielzeug. Teanna blieb instinktiv hinter ihrem großen Freund, der sich mit langsamen Schritten der Heretic näherte.
»Kommen Sie raus da!«
Jemand öffnete die Verriegelung des Cockpits der Heretic, das war deutlich zu hören. Gutenhal wusste, das fast jeder Privateer eine Schusswaffe besaß... und auch Teanna war jetzt nicht mehr so ganz wohl bei der ganzen Sache. Der Pilot öffnete das Cockpit, er kletterte über die Bordwand seines Jägers hinaus in Freie. Dabei setzte er sein Headset ab und warf es auf den Boden.
Gutenhal reagierte sofort. »Die Hände nach oben.«
Der Pilot kam der Aufforderung umgehend nach. Blut lief aus einer großen Platzwunde an seiner Schläfe, zudem schien er sich kaum auf den Beinen halten zu können.
»Sie haben mich... Glückwunsch, Sera Tasker.«
Teanna nahm den Söldner in Augenschein. Ein recht junger, dunkelblonder Mann, vielleicht kaum älter als Mitte Zwanzig.
»Wer zum Teufel sind Sie?«
»Ich bin das, was auch Sie sind.«
Das war nun wirklich nicht die Antwort, die Teanna hören wollte. Und auf Spielchen dieser Art konnte sie derzeit nur zu gut verzichten.
»Gutenhal? Kommt noch eine derartige Antwort, dann schießen Sie. Egal wohin, aber treffen Sie.«
»Mit Vergnügen, Sera Tasker.«
»Mein Name ist Ser Kears.«
»Und Ihr Auftrag?“
Der Söldner zog die Augenbrauen hoch.
»Da fragen Sie noch?«
Teanna wurde ungehalten.
»Ihr Auftraggeber.«
»Es spräche wohl gegen meine Professionalität, wenn ich Ihnen derartige Details anvertrauen würde, oder? Aber ich habe einen gültigen Auftrag. Übrigens – nicht Sie sind mein Ziel, nur Ihr Jäger.«
Jetzt passte gar nichts mehr ins Bild. Der Söldner sollte nur die Maschine zerstören? Sollte sie das wirklich glauben? Oder beliebte der Herr da drüben nur zu scherzen? Offenbar bemerkte der Söldner das Gesicht von Teanna, deshalb fuhr er fort. »Mein Auftraggeber ist wohl der Auffassung, dass Ihr Jäger in seinem Rechner Daten transportiert, die ihm sehr schaden könnten. Verstehen Sie mich jetzt? So gesehen habe ich meinen Teil erfüllt... oder wird Ihre Mühle sich wie der berühmte Phönix wieder aus der Asche erheben?«
Nun gut, in diesem Punkt hatte der Mann mit Sicherheit recht, die Dark Spirit würde in dieser Form wohl kaum jemals wieder vom Boden abheben.
Daten aus dem Bordrechner... was für Daten? Teanna überflog in Gedanken noch einmal alle Planeten und Stationen, die sie im Verlaufe der letzten Wochen und Monate angeflogen hatte... ihr kam der Planet Petra in den Sinn.
Die erste Attacke fand wenige Stunden nach ihrer Landung auf eben diesen Planeten statt... daher wehte also der Wind.
Daten – dabei konnte es sich nur um Material ihres Vaters handeln. Aber es gab keine Daten, Teanna hatte zusammen mit Ivy die Speicherbänke der Skecis überprüft und nichts derartiges gefunden... sowohl vor als auch nach dem Trip zum Petra-System.
»Tja... wir werden uns noch unterhalten. Nicht hier, aber sicher in der Zentrale der CIS.«
Teanna wies auf den Horizont hinter dem Söldner, dort wurde kam ein Shuttle in Sichtweite, auf dem Rumpf erkannte man das Symbol der CIS. Sanft setzte die Fähre neben der Heretic auf, mehrere Soldaten sprangen aus dem Schott, das noch im Anflug geöffnet wurde. Der Söldner ließ ohne jeden Widerstand verhaften. Teanna aber lächelte zufrieden.
Für den Augenblick hatte sie gewonnen...

*

Das MACS ging online und eine ganze Flut von Mitteilungen wartete darauf, gelesen zu werden.
Manley erkannte, dass ihr Schiff offenbar die Grenze der Reichweite der Störsender überschritten hatte... Mit gewohnter Routine überflog sie die einzelnen Texte, sendete aber keine Empfangsbestätigung. Auf diese Weise umging sie einfach Hassans Anweisung, für niemanden mehr erreichbar zu sein.
Eine Nachricht stammte von Serca, Sera McCumber hatte dort mit Hilfe der CIS das MACS von Dawson geknackt... und etwas sehr ungewöhnliches entdeckt. Dawson schien zum einen Geld zu verteilen, zum anderen erhielt sie Befehle von Ser Ricards... zumindest gab es eine Nachricht auf dem Gerät, die den Namen Ricards als Absender trug, besser gesagt fand sich im Gerät selbst eine Sequenz, mit der die Nachricht eindeutig Ricards zugeordnet werden konnte.
Um die Sache völlig zu verdrehen: der Ursprungsort der Mail konnte nie und nimmer von Ricards stammen, die Nachricht konnte ins Anhur-System zurück verfolgt werden. Und Ricards befand sich zu dieser Zeit auf Hades... und dass eine Person einen Liveauftritt absolvierte und dann zeitgleich etliche Sektoren entfernt Post verschickte – das war mehr als nur unmöglich.
Jemand verwendete Ricards Zugang, vermutlich sogar ohne sein Wissen.
Manley überlegte. Ob Dawson wusste, dass es nicht Ricards war, der ihr da die Aufträge übermittelte? Oder handelte es sich um einen einfachen Trick – im Falle eines Fehlers, falls Dawsons Identität auffliegen würde?
Wieder nur Fragen...
Im Petra-System hatte die CIS den Träger Hope zurück gelassen, seine Geschwader sollten für die notwendige Sicherheit sorgen, zudem jagten noch immer etliche Großkampfschiffe der Miliz hinter den flüchtenden Kiowan her. Spezialeinheiten der Hope waren auf dem Planeten selbst im Einsatz, aber mehr als ein Zählen der Toten würde das wohl auch nicht werden.
Jemand hatte die wichtigen Gebäude des Planeten regelrecht mit Säure geflutet und man hatte damit wohl versucht, großflächig Beweise zu vernichten. Gesucht wurde immer noch nach dem Führungsstab der CIS des Planeten, man hatte Probleme mit der Identifizierung der Toten – von vielen war nahezu nichts mehr vorhanden.
Manley hätte ihrer Besatzung zu gerne frei gegeben, aber noch war es dafür zu früh. Die Agentin ahnte, dass es in den nächsten Tagen zu weiteren Gefechten kommen würde, diesmal wahrscheinlich gegen Ricards und seine Schergen. Obwohl - würde der Gildenführer es tatsächlich wagen, seine Hand gegen die Miliz zu erheben?
Eigentlich hätte er jetzt allen Grund dafür, die CIS hatte ganze Arbeit geleistet, man konnte nur versuchen zu schätzen, wie viele Kiowan rund um Petra ihr Leben verloren hatten...
»Verbindung steht, Sie können sprechen.«
Endlich! Manley hatte mehrfach versucht, Ser Hassan zu kontaktieren, aber die Störsender der Kiowan hatten dies verhindert. Jetzt blickte sie wieder in das vertraute Gesicht ihres Mentors, eine tiefe Ruhe kehrte umgehend bei ihr ein.
»Ich hoffe, das Sie gute Nachrichten für mich haben, Manley.«
»Allerdings. Die Kiowan geben Fersengeld. Petra ist unter Kontrolle. Und wir sind auf den Weg nach Anhur.«
Hassan atmete tief ein.
»Hören Sie, wir haben ein Problem. Wie es scheint, agiert ein guter Freund gegen uns. Senator Vaughn.«
Die Agentin glaubte sich verhört zu haben.
»Vaughn? Das ist unmöglich. Ser, er ist einer der wenigen Fürsprecher...« Hassan schnitt Manleys Redefluss einfach ab.
»Die Söldnerjäger... sie wurden identifiziert. Und Vaughn ist der Betreiber... es ist unwahrscheinlich, dass er von dieser Aktion nichts gewusst hat. Ich weiß, dass er eine kleine Staffel von Elitepiloten hat und diese Leute sind völlig loyal ihm gegenüber. Wir haben die Konfiguration dieser Jäger überprüft und mit den Daten verglichen, die Vaughn’s Truppe hat. Die Daten sind identisch.«
Manley blieb skeptisch.
»Ser, wir sollten nichts überstürzen. Vieles ist nicht so, wie es scheint. Dawsons MACS wurde decodiert.«
Hassan blickte seine Agentin scharf an.
»Soll das etwa heißen, dass Sie Kontakt zu Sera McCumber hatten? Ich gab Ihnen doch einen eindeutigen Befehl.«
Manley nickte.
»Ich hatte keinen Kontakt, aber McCumber hat mir eine Nachricht geschickt, mein MACS hat aber keine Empfangsbestätigung gesendet. So gesehen...«
»Warum finden Sie eigentlich immer wieder Wege, meinen Willen zu umgehen?« Manley versuchte sich in einen Lächeln.
»Das habe ich wohl von Ihnen gelernt. Aber zurück zum Thema, Dawson hatte Zugang zu Unsummen von Geld. Und jemand hat Ricards Zugang verwendet, um ihr Befehle zu erteilen. Wobei diese Person aber nicht zwangsläufig Ricards ist, der Sendeort lag in der Nähe von Anhur, Ricards aber befand sich zu dieser Zeit auf Hades. Vorschläge?«
Hassan verzog das Gesicht.
»Ich werde darüber nachdenken. Wir sehen uns dann auf Anhur... Hassan Ende.«
Das Display wurde wieder dunkel, Manley sah vom Bildschirm auf, ihr Blick wanderte einmal quer über die Brücke ihres Trägers.
Vaughn... Manley kannte den Senator nicht persönlich, sondern nur von Erzählungen ihres Vorgesetzten. Und Hassan hatte eigentlich nie negativ über Vaughn gesprochen, eher im Gegenteil. Die Agentin berührte mit ihren Fingerspitzen den Bildschirm, der sofort wieder zum Leben erwachte.
»Datenabfrage: Senator Vaughn.«
»Datenabfrage läuft. Bitte warten.«
Die Stimme des Schiffscomputer klang recht verzerrt aus einen kleinen Lautsprecher neben dem Display. Manley trat ungeduldig von einen Fuß auf den anderen... »Datenabfrage komplett.«
Vaughn... Manley wollte Hassan irgendwie unter die Arme zu greifen, sie hoffte Beweise zu finden, die den Senator entlasten würden. Die Agentin griff zum MACS, sie übertrug die Daten auf das Gerät. Dann wandte sie sich an ihren stellvertretenden Brückenoffizier.
»Ich bin in meinem Quartier. Melden Sie mir bitte, wenn wir Anhur erreichen.«
»Ja, Sera Manley.«
 
part 104

*

Deacan saß wieder in seinem kleinen Quartier, er hatte die Suche in den alten Datenbeständen des Clans aufgegeben. Oder besser gesagt, er hatte diese Aufgabe einigen Mitarbeitern von Ser Arris überlassen.
Das Hauptproblem bestand darin, dass der Söldner nicht so recht wusste, wonach man eigentlich suchen sollte – insgeheim hoffte er, eine Verbindung von Politik und dem alten Clan zu finden und diese auch noch beweisen zu können. Aber die Daten von Kronos führten immer wieder in Sackgassen, Geldtransfers endeten im Nirgendwo, Schiffsverkäufe wurden über nicht existente Personen oder sogar Orte abgewickelt, Namen wurden getauscht... es hatte fast den Anschein, als hätte Kronos damals geahnt, dass seine Macht nicht für die Ewigkeit geschaffen war.
Inzwischen hatte Deacan erfahren, wie Ser Arris die Shuttles mit der falschen Miliz an Bord aufhalten wollte. Er hatte seine Kontakte zur CCN spielen lassen, etliche Frachterbesatzungen kannten den neuen Clan und wussten um seine Bedeutung. Zudem kamen einige freie Söldner gerne der Aufforderung nach, gegen Bares derartig leichte Ziele anzugreifen.
Allerdings – zwei der Shuttles waren verschwunden. Arris Leute suchten fieberhaft danach, auch die anderen Piratenclans beteiligten sich an dieser Jagd. Das Ziel dieser beiden Schiffe schien abgeändert worden zu sein, und die Besatzungen vermieden die Hauptrouten... was bedeutete, dass man zwar die normalen Sprungbojen verwendete, aber nicht den kürzesten Weg zwischen den einzelnen Bojen wählte. Und alle Sprungzonen konnte niemand überwachen, selbst die CIS war dazu nicht in der Lage.
Sicher, früher oder später würde man erfahren, wo die Besatzungen dieser Schiffe zuschlagen würden... aber eigentlich wollte man es erst gar nicht so weit kommen lassen. Denn der Schaden für die CIS wäre in jedem Falle katastrophal.
Deacan griff nach seinem Mantel. Er hatte das Kleidungsstück in den letzten Tagen so gut wie nicht angehabt, zumeist lag es einfach nur im Cockpit. Seltsam, früher hätte er sich um nichts in der Welt von diesen Teil getrennt, aber jetzt... Er griff in die Innentasche des Kleidungsstücks, Jake’s Feuerzeug lag dort, zusammen mit einem alten Bild, das Deacan fast vergessen hatte. Ein Foto. Es zeigte zwei Söldner vor ihren Jägern, links Ser Tron, rechts Ser Kenner. Der Privateer legte es zurück an seinen Platz.
»Was machst du eigentlich hier, alter Knabe?«
Deacan richtete diese Frage an sich selbst, nur eine Antwort fiel ihm nicht ein. Es war schon seltsam, welche Wege für den einzelnen Menschen im Tri-System offen standen und auf welche anderen Pfade man regelrecht geprügelt wurde. Das MACS ging online. »Venice... und? Ich höre?«
Das Gesicht seiner Partnerin schien regelrecht zu leuchten.
»Volltreffer Deacan. Ich bin auf dem Rückweg und ich bin nicht allein.«
»Verstanden. Wir sehen uns in ein paar Minuten.«
»Sag mal, du scheinst zu wissen, wer hier bei mir ist – denn du fragst gar nicht nach...«
Deacan nickte.
»Es konnte nur eine bestimmte Person sein... und wir brauchen ihre Aussage. Venice, unser nächster Halt ist der Planet Anhur selbst.«
»Das kannst du nicht ernsthaft vorhaben, oder?«
»Doch. Und Ricards bräuchten wir auch noch hier, zumindest wäre das eine nette Zugabe... dann kann das Spiel beginnen. Das letzte Spiel...«
Auf der Brücke der Dream herrschte seit der Meldung über die Rückkehr von Sera Drake mehr als nur Chaos... man machte das Schiff gefechtsklar. Zudem hatte man einen Störsender aktiviert, man wollte das System nachrichtentechnisch komplett abriegeln.
Die Dream selbst war zwar ungewöhnlich schnell, aber ihre Bewaffnung war eher zweitklassig und sie war definitiv auf ihren Geleitschutz angewiesen. Zeitgleich hatte Deacan zusammen mit Arris eine Art Schlachtplan aufgestellt – basierend auf einem zeitlich sehr eng gesteckten Rahmen. Die Details mussten stimmen – und es durfte keinerlei Überraschungen geben. Deacan versuchte alle möglichen Szenarien zu erstellen, inklusive einer Möglichkeit im Falle eines völligen Versagens.
Völliges Versagen – das hieß, dass die verbündeten Piratenclans nicht das hielten, was sie versprachen. Das hieß aber auch mit dem Wegfall von Hilfe zu rechnen, etwa dem Ausbleiben der CIS.
Deacans Blade stand aufgetankt und aufmunitioniert im Hangar der Dream. Arris Techniker schraubten noch immer an dem Jäger, sie versuchten neue Schildeinstellungen, sie überlegten die Maschine mit zusätzlichen Aufhängungen zu bestücken, sie taten einfach alles, um die Angriffstärke zu erhöhen. Bei einer normalen Maschine ist das kein Problem – jeder Jäger eines Privateer flog normalerweise unterhalb der möglichen technischen Limits. Aber die Blade war technisch ausgereift, jede Veränderung konnte zeitgleich einen Verlust an Performance bedeuten.
Der Pilot selbst bekam von diesen Arbeiten nichts mit – zusammen mit Ser Arris, Drake und einigen ranghöheren Piraten saß Deacan in der Messe der Dream... und musterte dort den neuen Gast, den Venice aufgestöbert hatte...
Ein seltsames Lächeln glitt über das Gesicht der älteren, rothaarigen Frau, als sie Deacan erkannte, sie streckte dem Söldner die Hand zur Begrüßung hin.
»Ich hätte nicht gedacht, Sie noch einmal wiederzusehen. Und wie Sie sehen können – diesmal bin ich ohne lästige Begleitung wie dieser Sera Dawson unterwegs.«
Deacan erwiderte die Begrüßung.
»Wie sagt man doch so schön? Man trifft sich immer zweimal im Leben... Und Sie sind wirklich nicht das, was ich vermutet hatte. Woher der plötzliche Sinneswandel?«
Die Dame sah in die Runde.
»Ehrlich gesagt, ich hatte eigentlich nur gehofft, dass der Clan mich finden würde, Das Sie noch mit von der Partie sind, ist aber ein netter Umstand, der von großem Nutzen sein wird.«
»Das beantwortet nicht meine Frage.«
»Ich weiß. Alles zu seiner Zeit, wir haben Wichtigeres zu besprechen.«
»Nun gut, wie Sie meinen. Aber eine Frage muss ich noch stellen. Und zwar die nach Ihrem Namen.«
»Kears. Ich bin Patricia Kears...«

*

Einige Hyperraumsprünge von Anhur entfernt jagte eine ganz andere Truppe durch die Systeme und schien in großer Eile zu sein. Selten hatte es derartig viele zivile Jäger gegeben, die offenbar alle ein bestimmtes – und zudem noch gemeinsames – Ziel anflogen...
Inmitten der schweren und teuer ausgestatteten Jäger flog auch eine Freij Mark II, eine eigentlich experimentelle Maschine, von der es nur wenige Exemplare in Privatbesitz gab.
Wer hinter die getönten Scheiben hätte sehen können, der hätte ein Gesicht gesehen, das erst vor wenigen Stunden einen großen Auftritt in den Nachrichten gehabt hatte... und dieses Gesicht gehörte Ser Ricards selbst. Der Gildenführer hatte nur noch eines: Angst.
Er fühlte sich sichtlich unwohl im Cockpit seiner Maschine, und das, obwohl die Angriffsstärke der Freij durchaus mit der einer Blade vergleichbar war. Aber die Nachrichten aus dem Anhur-System waren nicht so, wie sie sein sollten.
Da gab es dieses Schiff, das sich nicht zuordnen ließ.
Dann blockierte jemand die Frequenzen zum Planeten...
Ricards bekam keine Verbindung mehr zu seinem Partner Santana... und er hatte gehört, dass Teile der CIS das Petra-System verlassen hatten, alle mit einem Ziel, und das hieß ausgerechnet Anhur.
Was war passiert? Hatte man etwa Beweise gegen den Senator in der Hand? Oder hatte einer der Kiowan im Petra-System einen Namen fallen lassen, als er in Gefangenschaft geriet? Vielleicht sogar seinen Namen? Ricards versuchte krampfhaft, diese Gedanken zu verdrängen... aber je mehr er dagegen ankämpfte, um so realer schien das Gespenst einer Niederlage auf allen Gebieten zu werden.
Der Gildenführer öffnete einen Audiokanal zu seinem Mitarbeiter, der direkt in Sichtweite vor ihm flog.
»Ricards an Jencen. Bei Ankunft gilt einfach Feuer frei. Fragen können wir hinterher stellen.«
»Ser, ich gebe es weiter... aber wir sollten hoffen, dass es keine Miliz ist, sonst stecken wir in ernsthaften Schwierigkeiten.«
Ricards antwortete mit scharfem Ton.
»Miliz? Und wenn schon, ein Schiff mit Geleitschutz gegen unsere Elite? Die werden nicht einmal wissen, was sie getroffen hat. Zudem könnte uns das sogar von größerem Nutzen sein.«
»Wie darf ich das verstehen?«
»Ganz einfach, die Miliz blockiert den Planeten... um dort die nächste Säuberungsaktion zu starten. Wie wir ja wissen, gab es bislang keine Stellungnahme der CIS zu der Aktion auf Petra... aber wir werden dafür sorgen, dass alle im Tri-System die Möglichkeit erhalten, unsere Freunde in Uniform in einem völlig neuen Licht zu sehen.«
Im Funknetz herrschte für einige Sekunden Stille.
»Ser? Sie wissen schon, dass wir alles verlieren könnten, wenn etwas schief läuft?«
»Was soll schief laufen? Egal was die CIS sagt, sie kann einige Dinge nicht plausibel erklären. Und damit sind wir jetzt am Zug. Zudem... unser Freund im Senat hat eine kleine Überraschung in die Wege geleitet. Und das Ergebnis dürfte für Hassan höchstpersönlich bitter ausfallen, das versichere ich Ihnen, mein junger Freund.«
Direkt in Flugrichtung des Geschwaders von Ricards tauchten zwei Jäger auf, ihrer Signatur nach waren es Milizjäger.
Ricards’ Blick verfinsterte sich. Ursprünglich hatte er gehofft, ungesehen sein Ziel zu erreichen – sah man von den unzähligen Frachtschiffen einmal ab, die Ricards Weg gekreuzt hatten. Aber diese Frachtschiffe, die zumeist unter der Flagge der CCN standen, hatten keinerlei wahres Interesse an Ricards’ Truppe. Natürlich fiel sein Team auf, aber keine Frachterbesatzung hatte einen Grund, diese Beobachtung an die Miliz oder wen auch immer zu melden. Warum auch? Keine der Maschinen war auf Ricards’ Namen registriert, selbst die Freij hatte laut Papieren einen anderen Besitzer als eben jenen Mann, der hinter dem Steuer saß.
Für die Frachter sah es ganz einfach so aus, dass eine Söldnertruppe in ein neues Gebiet verlegt wurde – und das war keine Seltenheit.
Bei der Milizstreife konnte das aber anders aussehen. Und tatsächlich änderten die beiden kleinen Jäger ihren Kurs.
»Milizstreife an das Söldnergeschwader, bitte drosseln Sie Ihre Geschwindigkeit und bereiten Sie sich auf einen Scann Ihrer Maschinen vor. Dies ist eine offizielle Durchsuchung nach Schmuggelware.«
Ricards nahm Kontakt zu seinem Team auf.
»Runter mit der Geschwindigkeit, tun wir einfach, was die Jungs sagen.« Schmuggelware... es passierte recht häufig, dass die Miliz Jäger oder kleinere Frachter etwas genauer unter die Lupe nahm. Es gab vieles, das auf den Schwarzmärkten überall im Tri-System heiß begehrt war und daher massenhaft illegal transportiert wurde: Tabak, bestimmte Drogen, Waffen, medizinische Systeme zur Genmanipulation. Für viele Piloten war der Schmuggel zur Haupteinnahmequelle geworden, die Miliz kontrollierte so gesehen nur einen kleinen Teil des Schiffverkehrs, da man einfach nicht genügend Leute hatte, um zeitgleich Piraten zu eliminieren, große Frachtschiffe zu eskortieren und diverse Kleinkriminelle zu jagen...
Eine der Milizmaschinen näherte sich der Jägergruppe, die zweite blieb in einiger Entfernung zurück – Standardprotokoll der Miliz, man versuchte auf diese Weise, seinen eigenen Leute ein wenig Rückendeckung zu verschaffen. Eine Danrik war das erste Ziel des Soldaten, er passte seine Geschwindigkeit an die seines Zieles an, dann aktivierte er einen kleinen Scanner, der die Maschine abtastete und nach wenigen Sekunden alle Komponenten sowohl des Jägers als auch seiner etwaigen Fracht anzeigen würde.
Nur soweit kam es gar nicht. Ein heller Lichtblitz aus der Mündung einer schweren Blasterkanone blendete den Milizpiloten, er fühlte einen kurzen Schmerz... und dann nichts mehr. Ungläubig sah sein Partner , wie eine Rakete auf seinen Jäger zu raste. Es blieb ihm keine Zeit mehr für Gegenmaßnahmen. Das Geschoss zerfetzte die Kanzel seines Cockpits, in Sekunden verlor die Maschine sämtliche Luftreserven – selbst für einen Schrei hatte der Pilot keine Zeit mehr bekommen.
»Alte Geschwindigkeit wieder aufnehmen. Und hoffentlich war das die letzte Störung.«
Ricards atmete tief aus. Er wusste, dass man seine Truppe nicht scannen durfte, einige seiner Maschinen hatten Waffen nicht nur unter den Tragflächen montiert, sondern auch in den Laderäumen verstaut.

*

»Senator? Darf ich Sie kurz stören?«
»Aber sicher doch. Was gibt es?«
Santana saß hinter seinem massiven Schreibtisch und studierte offenbar alte Berichte der CIS.
»Senator, die komplette Kommunikation des Planeten ist gestört, unser Büro sucht derzeit nach der Ursache, aber die Quelle liegt wohl außerhalb des Planeten selbst.«
Das Gesicht des Senators zeigte keinerlei Regung.
»Arbeitet denn schon jemand ernsthaft an diesem Problem?«
»Allerdings, die Miliz hat mehrere Einheiten draußen, man sagte uns, dass es nur noch eine Frage von Stunden sei, bis man das Problem abgestellt habe.«
»Nun gut, dann muss meine Korrespondenz wohl etwas warten...«
Santana erhob sich von seinen Platz, andächtig schritt er durch sein Büro. Seinen Angestellten würdigte er dabei keines Blickes. »Hören Sie, ich benötige einen Kurier... und zwar in Richtung der alten Depots der CCN. Organisieren Sie das bitte für mich, und es eilt.«
»Ja, Senator.«
Der Angestellte verschwand wieder durch die große Doppelflügeltür, die fast die gesamte Nordwand des Büros einnahm. Santana selbst begab sich wieder vor seinen Schreibtisch, er griff nach einem dort liegenden Pad. Bereits seit Tagen fehlten wichtige Berichte der CIS, seit Tagen schon wartete Santana auf Nachrichten aus dem gesamten Tri-System.
Nicht etwa, dass es keine Nachrichten der Miliz gab, aber diese Meldungen beinhalteten nichts, was den Senator wirklich interessierte.
Sein „Schützling“ Ricards hatte offenbar den Mund zu weit aufgerissen und als Ergebnis seines Auftritts sickerten keinerlei Berichte mehr zum Senat durch. Santana hatte mit dem Gedanken gespielt, seinem Kollegen Ser Vaughn einen Besuch abzustatten, um eventuell von ihm einige Nachrichten über die Aktivitäten der CIS zu bekommen, aber dann verwarf er diese Idee wieder – es war sicherlich nicht förderlich, wenn man ihn mit dem künftigen Problemkandidaten des gesamten System zusammen sehen würde.
Nein, Abstand halten hieß derzeit die Devise, auch wenn Santana dadurch relativ blind vorgehen musste.
Zudem plagte ihn ein weiteres Problem, seine Kollegin ließ mit ihrer Entscheidung über sein Begehren bezüglich des Senatoren vom Planeten Hades noch immer auf sich warten. Und mit jeder weiteren Stunde des Wartens wusste Santana zwar, dass seine Chancen auf ein positives Ergebnis steigen würden, aber er ahnte auch, das Ricards ihm immer größere Probleme bereiten würde... denn sein Schüler war lernfähig. Und wenn Ricards lernen würde, mit Informationen so zu spielen wie er dies in seiner Rolle im Senat tat, dann würden bald einige Dinge völlig neue Wege einschlagen.

*

Anhur... immer noch Anhur. Verfluchter Planet.
Teanna saß zum zweiten Male in den Büros der CIS auf Anhur. Wieder die gleichen kahlen Wände, wieder die gleichen langweiligen Beamten, wieder das miese Essen. Langsam aber sicher fing sie an, ihre Neugierde zu verfluchen, denn nur diese Eigenschaft hatte ihr diesen Zwangsurlaub hier eingehandelt. Bislang schwieg der von Teanna abgeschossene Söldner zu jeder Frage bezüglich seines Auftraggebers.
Die CIS hatte zwar sein MACS, dessen Inhalt schwieg aber genauso zum angeblichen Auftrag des Mannes. Den angebotenen Pflichtverteidiger lehnte der Typ auch ab, er sagte aber, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sein eigener Anwalt auftauchen würde.
Dass der Pilot gewissermaßen auf Zeit spielte, wurde den Beteiligten sehr schnell klar, aber man musste ohnehin warten – denn die Identität des Mannes war das Rätsel Nummer Zwei. Schon bei der Überprüfung seiner Fingerabdrücke erlebte die Miliz eine böse Überraschung, der Mann wurde als „unantastbar“ eingestuft, alle Informationen über seine Person unterlagen dem Code „Blau“.
Ein Schützling eines Mitglieds des Senators also. Aber kein Senator wollte seinen Namen und vor allem seine Stellung für diesen Mann aufs Spiel setzen... und so blieb es beim Ratespiel.
Weder die CIS noch die amtlichen Behörden sahen sich in der Lage, auch nur den Namen des Piloten zu bestätigen: Ser Kears. Kears war offiziell tot, sein Jäger zerstört, seine Leiche galt als identifiziert. Man hatte einen Ser Kears auf Hermes bestattet. Und hier war er also wieder da, dieser Söldner namens Ser Kears, allerdings quicklebendig und mit Sonderauftrag unterwegs.
Noch gab es kein Statement seitens der Politik hierzu, noch schwieg man sich einfach aus.
Wer war dieser Typ, wie war es möglich, dass er die Identität eines Toten annehmen konnte? Wer hatte das ermöglicht? Wer hatte das befohlen...
Man hatte Teanna das Angebot unterbreitet, selbst mit Ser Kears zu reden, aber sie lehnte dies zum jetzigen Zeitpunkt kategorisch ab. Zum einen war sie unsicher, was sie überhaupt sagen sollte und zum anderen hatte sie inzwischen Angst davor, dass Kears eventuell mehr über ihre Person wusste als nur die ID ihres Jägers.
Die CIS hatte nämlich festgestellt, dass er haargenau der Flugroute Teannas gefolgt war. Das hieß im Klartext, dass Kears entweder über hervorragende Kontakte innerhalb des Tri-Systems verfügte oder aber unbeschränkten Zugang zum Datennetz besaß. Letzteres galt als wahrscheinlicher, zudem passte es auch eher ins Bild des ominösen Auftrages, von dem der Söldner immer wieder sprach.
Um sich ein wenig abzulenken, beschloss das kleine Team um Teanna, eine vom Geschmack her völlig substanzlose Mahlzeit in der Kantine der CIS einzunehmen. Hier, zwischen Piloten, Beamten und Offizieren fühlte man sich etwas wohler als in dem winzigen Büro, das man Teanna zur Verfügung gestellt hatte – wobei die Bezeichnung Büro der Sache nicht einmal im entferntesten Sinne nahe kam, man hätte es wohl keinem Beamten der CIS zumuten können, in diesen Raum zu arbeiten, geschweige denn, darin mehr als eine Nacht zu verbringen.
Aber das galt offensichtlich nicht für Gäste der Miliz... und als solche durften sich Teanna & Company sich jetzt fühlen.
Gutenhal, der sich einen weiteren Teller mit etwas, das zumindest wie Nudeln aussah, geholt hatte, nahm an Teannas Seite Platz.
»Die Leute hier reden von einer globalen Störung des Intercoms.«
»Ach ja? Wie interessant.«
Teanna wollte auf diese Weise eigentlich ihr absolutes Desinteresse bekunden, nur Gutenhal fuhr einfach mit seinen Ausführungen fort.
»Die Ursache liegt im All, zumindest ist das die allgemeine Auffassung. Sera Tasker?«
»Was?«
Teanna hatte das Gefühl, nicht richtig hin gehört zu haben… hatte der gutmütige Riese da eben etwas Wichtiges gesagt? Sicher, sie hätte einfach um eine Wiederholung der Worte bitten können, aber irgendwie wollte sie das nicht tun.
»Die Leute hier sagen, dass auch Privateers angeheuert werden, um den Störsender zu finden. Es springt einiges an Geld dabei heraus... Interesse hätte ich für meinen Teil schon. Wie sieht es bei Ihnen aus? Schon wieder fit genug für einen kleinen Trip?«
»Wie schlimm ist diese Funkstörung?«
»Alle Kanäle sind tot. Das schließt Kurzstrecke mit ein.«
»Ah ja. Darf ich fragen, wie wir dann hinterher landen sollen? So ganz ohne Kommunikation? Und allein der Start ins All... also ich weiß nicht recht. Wir sollten warten, das ist zumindest meine Meinung. Ivy?«
Teannas Partnerin hatte die gesamte Zeit mehr oder weniger nicht über ihrem Essen, sondern vielmehr über einem Pad gehangen. Was auch immer sie da las, es schien eben wichtiger und wohl auch gehaltvoller zu sein als der Inhalt ihres Tellers.
»Wir sollten hier wirklich nichts überstürzen. Zur Zeit geht es uns gut, von daher sollten wir besser nichts unternehmen, was diesen Zustand umkehren könnte.« Gutenhal sog tief die abgestandene Luft in seine Lungen ein.
»Wenn Sie meinen...«

*
»Alle Frequenzen sind tot, Ser Hassan. Kommunikation ins Anhur-System ist unmöglich.«
»Ursache?«
Der Brückenoffizier überlegte einen Augenblick.
»Ich würde auf einen mobilen Emitter tippen, vermutlich auf einem Schiff montiert. In der Akademie haben wir einmal so ein Teil gesehen... allerdings muss dieses Gerät hier extrem leistungsstark sein.«
Hassan drehte sich um, sein Blick verlor sich irgendwo zwischen den Sternen draußen. »Ser? Wir könnten einen Jäger starten, er wäre schneller als unser Verband im Anhur-System und könnte dort eine erste Aufklärung durchführen.«
»Einverstanden. Sagen Sie dem Piloten, er soll sich auf keine Gefechte einlassen. Daten sammeln und wieder verschwinden. Ich will keine Abschüsse sondern Informationen.«
»Ja, Ser. Ich gebe den Auftrag sofort weiter.«
Im Eilschritt verließ der Offizier die Brücke des Trägers. Hassan aber dachte angestrengt nach... der Abbruch der Kommunikation konnte nur eines bedeuten: etwas war auf Anhur passiert.
Oder etwas sollte dort passieren – die Frage war nur: was? Ganz klar erschien dem Chef der CIS, dass man im Anhur-System auf jemanden wartete, man wollte nur nicht, dass der mögliche Gast wusste, wer da bereits eine Party organisiert hatte.
Waren es Kiowan, wie auf Petra? Auch dort war die Kommunikation zuvor ausgefallen...
Manleys Truppe lag eine gute Stunde zurück, Hassan überlegte, ob es klug und strategisch richtig wäre, nur mit einem Träger sowie dem Schlachtschiff Avenger nach Anhur zu fliegen. Auf der einen Seite wäre mehr Feuerkraft sicher nicht verkehrt, auf der anderen Seite aber... wer wusste schon, ob nicht auch auf Anhur das Sterben bereits begonnen hatte? Vielleicht setzten ja die Kiowan ihr vernichtendes Werk fort?
Petra könnte nur eine Ablenkung gewesen sein, um den Blick der CIS von einem wichtigeren Ziel fern zu halten... Hassan spielte seine Gedanken nicht bis zum Ende durch, er ahnte aber, dass auf Anhur etwas Großes anstand. Auf Verstärkung warten? Nicht jetzt, Hassan wollte kein zweites Mal warten und dann nur noch Trümmer vorfinden.
»Gefechtsalarm! Alle Besatzungen sollen zu ihren Jägern, ihr Einsatz erfolgt unmittelbar nach dem Sprung ins Anhur-System. Sagen Sie der Avenger, dass sie uns Deckung geben muss.«
Bewegung kam in die Brückencrew, rote Leuchten erhellten im Takt sämtliche Flure des Trägers, dazu ertönte ein akustisches Signal aus allen Lautsprechern an Bord. Hassan schloss seine Augen für einen Moment. »Dieser Tag wird wohl doch länger werden, als ich gehofft hatte...«
 
part 105

*

»Ich mache es kurz... die Aufgabe ist es, für das Team um Ser Tron einen sicheren Schutzwall zu bilden. Ich gehe davon aus, dass die Miliz von Anhur als erstes auf uns schießen wird, vermutlich werden sich etliche Privateers dieser Aktion anschließen.
Ricards ist vermutlich auch auf dem Weg, seine Jungs fliegen Material, von denen die meisten hier nur träumen können. Es wird also alles andere als einfach. Noch etwas, es könnten euch Jäger begegnen, die wie unsere Blades aussehen... wenn euch eine derartige Maschine angreift, dann feuert zurück. Aber passt bitte auf, ich möchte keine Verwechslungen da draußen erleben.« Ser Arris beendete seine kleine Ansprache. »Fragen?«
Einige Hände gingen nach oben. »Ja, Sie dort.«
Ein Kiowan ergriff das Wort.
»Und wie bitte sollen wir eure Jungs von den falschen Blades unterscheiden? Das wird im Gefecht unmöglich werden. Noch dazu wenn der Funk nicht funktioniert.«
Einige andere Piraten pflichteten dem bei, Arris suchte nach einer Antwort.
»Unsere Blades werden die Landescheinwerfer am Bug einschalten. Reicht das?«
Der Kiowan nickte. »Weiter. Ihre Frage.«
Wieder meldete sich ein Kiowan zu Wort.
»Was ist mit der CIS?«
»Das ist unser größtes Problem, versucht einfach, nicht auf ihre Schiffe zu feuern. Vermeidet jede feindliche Aktion...«
»Sollen wir uns etwa zusammenschießen lassen? Ist das auch ein Teil Ihres Planes, Ser Arris?«
»Ich weiß, es ist riskant. Aber wir müssen jede Konfrontation mit der CIS bereits im Ansatz vermeiden. Denn wir brauchen diese Jungs in ihren schicken Uniformen noch.«
In etlichen Gesichtern zeigte sich mehr als nur pure Unzufriedenheit über diese Aussage, dass sie ihren Kopf für diese eine wichtige Sache hinhalten würden – das wussten alle Piraten. Nur, dass es so schlimm werden konnte, das hatte wohl keiner erwartet. Arris atmete tief durch. Unruhe stieg in ihm auf. Jetzt würde sich zeigen, ob die Piraten tatsächlich einen realen Wert für diese Mission darstellten...
»Die dumme Fragerei ist hiermit beendet.«
Ein älterer Pirat der Chirichan erhob seine Stimme aus der Menge, sein harscher Tonfall wirkte irgendwie beängstigend. »Wir sind hier, um ein Problem zu lösen, das uns alle angeht. Wer jetzt kneift, der sollte schleunigst von diesem Schiff hier verschwinden. Alle anderen wissen ja, was zu tun ist.«
Wortlos standen die Piraten auf, einer nach dem anderen verließ den kleinen Konferenzraum der Dream. Ser Arris sah dem Chirichan direkt ins Gesicht.
»Danke.«
Der Pirat nickte nur kurz seinem Gastgeber zu, dann verschwand auch er durch die Tür nach draußen. Deacan, der sich die ganze Zeit über im Hintergrund gehalten hatte, trat jetzt einige Schritte auf Ser Arris zu.
»Und Sie? Bleiben Sie an Bord der Dream?«
Arris hob den Blick ein wenig.
»Ser Tron, ich würde einiges dafür geben, ins Cockpit zu klettern. Aber es geht nicht – meine Position hier ist zu wichtig. Mein Ableben wäre mit Sicherheit der Anfang vom Ende, soviel steht fest.«
Deacan nickte zustimmend.
»Ich weiß, trotzdem brauche ich Sie später unbedingt unten auf dem Planeten. Unser Gast wird übrigens in Drakes Maschine sitzen, falls jemand eine Chance hat durch die Linien zu brechen, dann ist sie das. Sie kennt die Maschine besser als ich und weiß, wann sie abdrehen muss.«
»Eine vernünftige Entscheidung, Ser Tron. Übrigens... ich habe da noch etwas für Sie.«
Arris holte sein MACS hervor. »Sie wollten doch wissen, wer die Piratenclans gegründet hat, oder?« Deacan nickte. »Einen Namen habe ich zwar nicht für Sie auf Lager, aber wie es scheint, haben sich zumindest die Wege meines Clan des Öfteren mit denen der Papagos gekreuzt. Zumindest war das vor meiner Zeit so.«
»Danke. Genau das wollte ich hören...«
Arris verstand zwar nicht genau, was der Privateer damit zum Ausdruck bringen wollte, aber er sparte sich weitere Fragen.
»Wir werden natürlich versuchen, Ihnen soviel Feuerkraft wie möglich zur Seite zu stellen, die Dream wird Sie also ein ganzes Stück begleiten. Und ich werde nach kommen. Mit Sicherheit sogar schneller, als es Ihnen lieb sein wird. Versprochen.«
Deacan streckte seine Hand aus.
»Das letzte Gefecht?«
Arris ergriff die Hand des Privateer.
»Das letzte Gefecht. Viel Glück.«
Als der Söldner nur wenige Minuten später den Hangar der Dream betrat, stand sein Jäger bereits mit laufenden Triebwerken bereit, er musste nur noch einsteigen, das Cockpit verriegeln und Gas geben. Als er die Leiter betrat und sein Blick an der Bordwand entlang wanderte, machte er eine erstaunliche Entdeckung, die zeitgleich auch eine wirklich nette und aufmunternde Geste darstellte.
Er fand seinen Namen als kleinen Schriftzug auf dem Rumpf wieder, plus das Wort Storm... die alte Bezeichnung seines Jägers. Dankend nickte er den Mechanikerteams zu, einige der Männer und Frauen hoben den Daumen nach oben, andere salutierten einfach militärisch.
Insgesamt vierzehn Blades verließen den Hangar der Dream, alle Maschinen gingen sofort in einen engen Formationsflug über, die Flanken wurden von Jägern der Kiowan und der Chirichan gedeckt, die Jäger der Jincilla hingegen blieben hinter der Dream zurück und sollten hier für Deckung sorgen.
Der Planet Anhur lag etwa vierzig Flugminuten entfernt... und dieser Flug würde ein sehr stiller Flug werden. Keine Worte über Funk, nur völliges Schweigen in den Headsets...

*

Vor ihnen standen die leeren Teller auf dem langen Tisch. Rechts von ihnen unterhielten sich ein paar Milizpiloten recht lautstark über die Jäger des Clans, einer der Piloten schien damit zu prahlen, das er ein wildes Gefecht mit einer solchen Maschine überlebt hatte. Seine Kollegen hingegen schienen den Helden eher zu belächeln – einen Kampf gegen den Clan zu überleben war eigentlich nichts anderes als die Flucht nach vorne anzutreten.
Eine wirkliche Glanzleistung...
Teanna hatte inzwischen tatsächlich ein Thema gefunden, über das sie mit Ser Gutenhal reden konnte: Familie. Es war kaum zu fassen, aber die persönliche Geschichte des Riesen war mit jener der kleinen Söldnerin recht identisch. Gutenhal hatte seine Kindheit ebenfalls an Orten verbracht, die für Kinder eher ungeeignet erschienen – Hangars und Montagehallen der CIS.
Allerdings war es seine Mutter, die für die Miliz an Jägern herum schraubte und ihren Sohn häufig mit zur Arbeit nahm. Auf diese Weise kam Gutenhal sehr früh mit der Fliegerei in Berührung... und die Sucht nach puren Adrenalin im Cockpit war schnell ausgebrochen. Ironischerweise aber war der Söldner seiner Mutter dankbar für diese Zeit – ganz im Gegensatz zu Teanna, sie hasste das Leben, das ihr ebenfalls alleinerziehender Vater ihr aufgezwängt hatte.
Teanna bemühte sich, nicht zu tief in ihren Erinnerungen zu schwelgen. Der Verlust ihres Vaters tat immer noch verdammt weh, also hörte sie lieber den Ausführungen und Geschichten Gutenhals zu, anstatt selbst großartig zu erzählen. Gutenhal schien dieses Verhalten zu bemerken und so vermied er es einfach, Teanna mit unnötigen Fragen zu belasten.
Ivy hingegen saß immer noch da, noch immer hatte sie ein Pad in der Hand. Was zum Teufel las sie da, was war so wichtig, dass man darüber sogar das Essen vergessen konnte...
Ivy hatte fast eine ganze Stunde mit ihrem Nudelteller gekämpft und letztlich hatte Gutenhal dann den Grossteil der Portion gegessen. Teanna tippte ihre Freundin mit den Zeigefinger sanft an.
»Hey? Sag mal, was ist denn das da Wichtiges?«
Sie zeigte auf das Pad. Ohne ihr Studium zu unterbrechen kam eine Antwort von Ivy.
»Das sind Daten der CIS über unseren Söldnerfreund aus der Heretic. Die Jungs hier haben seine Flugroute aufgezeichnet... und die schaue ich mir hier etwas genauer an. Der Typ war echt fleißig, nicht nur uns hat er Ärger eingebracht, sondern einige weitere Söldner standen wohl noch auf seiner kleinen Liste.«
»Jemanden, den wir kennen?«
Ivy schüttelte nur den Kopf.
»Nein, bis jetzt nicht. Seltsam, das sind zum Großteil freie und unabhängige Piloten... dieser Spaßvogel hat zum Teil sogar seine Einsätze für die Nachwelt verewigt. Auf Speicherchips, er hat Standbilder seiner grandiosen Abschüsse gesammelt, wie krank kann man eigentlich sein?«
Ein schriller Ton riss das Trio aus seinen Gedankengängen heraus... Sämtliche Piloten sprangen auf und eilten im Laufschritt aus der Kantine.
»Was ist denn jetzt wieder los?«
Gutenhal blickte verärgert in Richtung der Lautsprecher, die an den Wänden hingen.
»Alarmstart! Piratengeschwader gesichtet! Alarmstart! Piratengeschwader gesichtet!«
Teanna sprang jetzt ebenfalls auf.
»Leute? Wir sollten ganz schnell machen, dass wir hier verschwinden... ich habe da so eine komische Erinnerung in meinen Kopf. Erst Kommunikation weg, dann ein paar Stunden Ruhe, dann kamen die bösen Jungs... Ivy?«
»Das geht mir genauso. Zum Jäger, aber pronto!«
Gutenhal verstand diese Eile nicht ganz.
»Hallo? Das Signal hier ist für die Miliz gedacht, nicht für euch. Wie war das doch gleich: es geht uns gut und wir sollten nichts unternehmen, das diesen Zustand umkehrt?«
Teanna sah zu Gutenhal auf.
»Vergessen wir das mal für den Augenblick? Ich mag hier nur nicht endgültig stranden. Vertrauen Sie mir einfach.

*

Ein Stern wurde sichtbar, dann ein zweiter, dann viele weitere... das Team von Ricards hatte den letzten Sprung hinter sich gebracht, jetzt flog man direkt den Planeten Anhur an.
Und mit Beendigung des Sprunges war auch etwas anderes zu Ende – die Kommunikation. Egal welche Frequenz Ricards auch antestete, keiner seiner Flügelmänner reagierte darauf. Selbst sein MACS blieb völlig tot.
Diese neue Situation hätte eigentlich nicht schlimmer sein können, aber dann sah der Gildenführer direkt vor seinem Team eine große Gruppe anderer Jäger. Und diese Jäger waren keine zivilen Schiffe oder gar Milizjäger.
Da flogen Leighats der Kiowan, Skulls der Jincilla, Blades vom Clan.
Vom Clan?
Ein Teil der Piratenjäger änderte sofort den Kurs und hielt auf Ricards und seine Männer zu... und die Söldner der Gilde waren sichtlich unentschlossen. Angreifen oder nicht?
Ohne Kommunikation vergingen wertvolle Sekunden. Und die Piraten schienen genau diese Sekunden zu nutzen... Erste Salven aus den Bordgeschützen der Piratenjäger schlugen auf die Frontschilde einiger Söldnermaschinen ein. Eine Faldari drehte kurzerhand ab – der Pilot wollte entweder nicht kämpfen, oder er versuchte noch immer krampfhaft, einen offenen Kanal zum Team zu finden.
Eine Leighat hängte sich sofort an sein Heck und deckte die Maschine mit massivem Beschuss ein. Zwei Raketensalven später war die Faldari verschwunden, nur glühender Schrott trieb an ihrer Stelle still durch den Raum.
Die Söldner waren völlig verwirrt, ihre Stärke lag im koordinierten Angriff, der allerdings setzte wiederum ständigen Funkkontakt voraus.
Nur langsam baute sich der Widerstand von Ricards’ Truppe auf, man hatte bereits drei Jäger verloren, bevor man überhaupt reagieren konnte...
Ser Arris Schiff, die Dream, ließ sich etwas hinter Deacans Team zurückfallen, im Falle eines direkten Angriffs konnte der Kreuzer mit geballter Feuerkraft zuschlagen und man musste dann nicht mit Treffern in den eigenen Reihen rechnen. Zudem wollte man die Söldner der Gilde von Deacan und seinem kleinen Team ablenken...
Die Jincilla gaben ihre bisherige Position hinter der Dream auf, sie säumten jetzt die Flanken des Kreuzers und warteten dort auf ihren Einsatz.
Deacans Blick heftete sich an das Gefecht, das in geringer Entfernung zu seiner Truppe begonnen hatte.
Die gespenstige Stille im Cockpit sorgte dafür, dass er seine Aufmerksamkeit voll auf das Geschehen richten konnte – hier gab es keine Störung mehr, keine Ablenkung.
Das Bordradar der Blade meldete mehrere neue Kontakte, es waren ein paar Jäger der Miliz, die von der Planetenoberfläche aufgestiegen waren und direkten Kurs auf die Clanmaschinen hielten. Venice steuerte ihren Jäger ein wenig näher an die Maschine ihres Partners heran, dann wies sie mit der Hand nach vorne, Deacan verstand sofort und gab vollen Schub.
Man wollte sich nicht mit der CIS anlegen, man hatte kein Interesse daran, auch nur einen einzigen Jäger der Miliz zu beschädigen. Von daher gab man einfach Gas und hoffte, an den leichten Jägern unbeschadet vorbei zu kommen...
Einige Salven aus den Bordwaffen der Miliz schlugen auf die Schilde der Blades ein, zwei oder drei Raketen schossen ebenfalls nach vorne, sie verfehlten aber ihr Ziel und detonierten letztlich zwischen den Jägern des Clans.
Auf den Displays in Deacans Cockpit wechselten in schneller Folge die Ansichten, Daten über den Zustand der einzelnen Blades bauten sich auf. Eine der Maschinen wies Triebwerksprobleme auf, ihre Geschwindigkeit sank zusehends. Splitter der Raketenladungen hatten den Rumpf durchschlagen, lange würde der Pilot nicht mehr mit der Gruppe mithalten können... als dem Clanpiloten diese Tatsache bewusst wurde, drehte er kurzerhand ab und begann die Jäger der Miliz mit gezielten Salven von Deacans Team fern zu halten.
Anhur war inzwischen zum Greifen nahe, in wenigen Minuten würden die Blades die Atmosphäre durchfliegen. Deacan und Venice würden dann ihren Weg alleine fortsetzen, die restlichen Clanpiloten sollten nur dafür sorgen, dass keiner dem Duo in die Quere kam...
Über Ricards’ Kopf baute sich ein riesiges Fragezeichen auf, er verstand nicht, was er da sah.
Die Piratenjäger konzentrierten ihr Feuer nur auf seine Teamkollegen... aber keine der Maschinen griff auch nur einen einzigen der Milizjäger direkt an! Der überwiegende Teil der Piraten feuerte meist knapp an der Miliz vorbei, oder man zielte nur auf die Schilde.
Was sollte das?
Und überhaupt... wieso feuerten hier auch Kiowan auf seine Leute? Er stand doch loyal zu ihrer Sache... er hatte doch mit ihnen gesprochen, er hatte doch einen Vertrag mit ihnen? Wieso änderten sie so schnell ihre Meinung?
Ricards kam der Name Santana in den Sinn... aber ja, natürlich. Er agierte offenbar jetzt gegen ihn, er versuchte hier, einen lästigen Konkurrenten los zu werden... Etwas explodierte direkt in seiner Flugrichtung, Ricards entging nur knapp einer Kollision mit den Überresten einer Leighat. Der Gildenführer versuchte, aus der engen Formation der Söldnerjäger auszubrechen, er gab freiwillig den Schutz seines Teams auf... nur um etwas zu tun, das er so noch nie getan hatte.
Ricards drehte einfach ab, er gab vollen Schub und flog auf die Sprungboje zu, die in Richtung Hades führte...

*

Teanna, Ivy und Gutenhal waren nicht die einzigen, die vorm Raumhafen warteten – die Jäger der Miliz hatten ganz einfach Vorrang, ihre Starts und Landungen waren wichtiger als die vielen Söldner und Frachtschiffpiloten, die alle nur eines wollten: so schnell wie möglich weg von hier.
Gerüchte machten die Runde, einige Leute behaupteten, der Clan würde in wenigen Minuten mit der Bombardierung der Planetenoberfläche beginnen, andere erzählten hingegen, dass es sich wahrscheinlich um einen Rachefeldzug des Clans gegen Milizeinheiten von Anhur handeln würde.
Wenig Fakten, viele Meinungen, noch mehr Spekulationen... und mittendrin ein Trio, das verzweifelt versuchte, Zugang zum Hangar zu bekommen.
Ein kleiner, untersetzter Beamter in Uniform versuchte, die Menge irgendwie zu beruhigen, er blockierte den Haupteingang zum Hangarbereich.
»Bitte... haben Sie doch Verständnis. Wir können im Augenblick keine zivilen Starts erlauben.«
Ivy, die sich nach vorne durchgekämpft hatte, sprach den Mann direkt an.
»Sagen Sie uns wenigstens, was Sie wissen. Wir haben doch zumindest ein Recht auf Information.«
»Einige Clanjäger sind wohl im System, zusammen mit anderen Piraten. Wir haben noch keine Verluste auf unserer Seite, mehr weiß ich allerdings auch nicht. Und jetzt, machen Sie bitte Platz für unsere Piloten...«
Ivy trat den Rückweg an, sie hatte keine große Mühe, ihre Freunde zu finden – Gutenhal überragte die Menge ohnehin und Teanna war nicht weit vom Riesen entfernt zu finden.
»Teanna? Es ist der Clan, nicht die Kiowan...«
Die zierliche Söldnerin holte tief Luft.
»Soll ich mich jetzt besser fühlen? Ich verstehe nur nicht, was das soll? Über ein Jahr lang war der Clan sehr ruhig... warum jetzt?«
Gutenhal mischte sich in das Gespräch ein.
»Soweit ich den Clan noch kenne, suchen die mit Sicherheit jemanden. Wahrscheinlich sitzt hier auf Anhur eben dieser jemand herum, der die Jungs verärgert hat. Ich würde auf einen unserer Politiker tippen.«
Teanna überlegte einen Augenblick lang.
»Warten wir hier einfach, früher oder später müssen die uns zu unseren Maschinen lassen.«
»Und dann? Wollen Sie etwa kämpfen?«
Teanna sah zu Gutenhal auf.
»Nein, einfach nur Fersengeld geben. Ich kenne die Jäger des Clans... und auch wenn es manchmal vielleicht nicht so aussieht, ich hänge am Leben.«
Gutenhal lächelte ein wenig.
»Das merkt man... nur eben wie sie es so schön gesagt haben: manchmal nicht sofort.«
Jetzt war es Teanna, die sich ein Lächeln nicht verkneifen konnte.
»Ich arbeite ja daran, mein Verhalten zu verbessern.«
»Sicher doch. Irgendwann wird jeder einmal erwachsen, nicht wahr?«

*

Es war erst so etwas wie ein dunkler Schatten, der sich zwischen den Sternen bewegte und langsam immer größer wurde.
Dann bekam der Schatten Konturen, es war die Fearless, der Träger von Ser Hassan, der soeben das Anhur-System erreicht hatte und aus dem Hyperraum fiel...
Direkt dahinter tauchte die Avenger auf, das Schiff ging sofort auf volle Geschwindigkeit und setzte sich neben den riesigen Träger.
»Ser? Energiesignaturen direkt voraus.«
»Analyse?«
Ser Hassan sah seinem Offizier über die Schulter.
»Wie es unser Scout gemeldet hatte. Waffenfeuer. Sehr massiv. Ich lege die Daten auf den Hauptbildschirm.«
Von der Decke der Brücke glitt eine riesige Glasscheibe herab, sie maß etwa vier Meter in der Länge und zwei Meter in der Höhe. Auf diese Fläche wurde jetzt eine Übersicht über das System aufgespielt, der Planet wurde sichtbar, kleine Punkte zeigten die Position unterschiedlicher Schiffe an, Farbcodierungen halfen bei der Unterscheidung von Freunden und Feinden.
Ser Hassan baute sich vor dem Szenario auf, er versuchte die Situation zu erfassen. »Ser? Sollen wir die Jäger starten?«
Hassan zögerte.
»Einen Augenblick noch... was ist denn das?«
Er zeigte auf einen größeren Punkt, der sich kontinuierlich auf den Planeten zu bewegte.
»Ser... das ist ein Großkampfschiff, Klassifizierung nicht möglich, der Typ ist nicht in unseren Datenbanken vorhanden. Ein Kreuzer oder Zerstörer vielleicht. Sollen wir jetzt unsere Jäger...«
Hassan drehte sich zu seinem Offizier um.
»Ich sagte doch, einen Augenblick noch.«
Dann drehte er sich wieder zum Bildschirm um, er musterte das Geschehen. »Verluste auf unserer Seite? Was ist mit den Trümmern... können Sie die zuordnen?«
Der Offizier glaubte sich verhört zu haben.
»Ser? Sollten wir nicht einfach...«
Hassans Ton wurde schärfer.
»Muss ich ständig meine Befehle wiederholen? Ich habe Ihnen eine Aufgabe gegeben und ich erwarte Ergebnisse. Also?«
Etwas verunsichert kam die Antwort aus dem Hintergrund.
»Ja Ser… Analyse komplett. Keine Trümmer von Jägern der Miliz, nur von Schiffen ziviler Herkunft. Und einige Piratenmaschinen.«
Hassans Gesicht hellte sich etwas auf. Er begann zu begreifen... ein alter Freund war wohl hier am Werk. Und dieser alte Freund hatte sich vor einiger Zeit völlig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Dieser alte Freund hatte zudem vor Jahren Seite an Seite mit ihm gekämpft.
Ser Arris war im Sektor...
Ser Arris saß wohl auch an Bord dieses Zerstörers...
Ser Arris war mit von der Partie und deshalb schoss man wohl nicht auf die Miliz... aber Hassan wollte sich in dieser Sache sicher sein.
»Sind wir in Reichweite der Bildscanner?«
»Ja Ser.«
»Gut, dann legen Sie bitte irgendeinen unserer Jäger auf den Schirm.«
Nur Augenblicke später tauchte das Abbild einer kleinen Maschine der Miliz auf, der Pilot feuerte ständig auf eine Krell, die vor seiner Nase flog... aber der Pirat wehrte sich nicht, sondern wich dem Feuersturm aus...
»Eine andere Maschine bitte.« Sofort wechselte das Bild. Wieder eine leichte Maschine der Miliz, wieder versuchte der Pilot einen Piraten vors Fadenkreuz zu bekommen, wieder keine Gegenwehr... und der Feind saß diesmal in einer Blade. Eine weitere Blade tauchte hinter dem Milizjäger auf, der Pilot feuerte einige Male auf den kleinen Jäger, aber er zerstörte den Gegner nicht, sondern deaktivierte nur dessen Schilde... aber der finale Stoss blieb aus, der Clanpilot drehte einfach ab.
»Interessant... unsere Jäger bleiben im Hangar.«
»Ser?«
Unruhe ergriff Besitz von der Brücke des Träger, ein ungläubiges Raunen ging durch den Raum.
»Ich habe mich doch wohl klar ausgedrückt. Wir werden nicht eingreifen... noch nicht. Beobachten Sie die Situation weiter und melden Sie mir jede Veränderung.«
»Verstanden.«
Hassan ging einige Schritte in Richtung des großen Sichtfensters. In weiter Entfernung sah man kleine helle Blitze aufleuchten... dort lieferte man sich also ein höchst eigenartiges Gefecht.
Für Ser Hassan galt es jetzt, einfach nur zu warten...
 
part 106

*

Die Eskorte drehte ab, als Deacan und Venice mit ihren Jägern in Anhurs Atmosphäre eintauchten.
Hell leuchteten die Schilde der Blades auf, starke Turbulenzen schüttelten die Besatzungen der Jäger durch – ohne Landeanflugskontrolle kein Wunder. Noch immer jagten vereinzelte Schüsse an den Cockpits der Blades vorbei, aber es wurden merklich weniger und weniger...
Deacan hoffte, dass die Milzpiloten einen direkten Anflug auf den Planeten nicht wagen würden, zumal die Schilde der kleinen Jäger eine derartige Belastung nicht lange aushalten würden. Und seine Rechnung ging auf, die Miliz drehte lieber ab und kümmerte sich wieder um die anderen Blades, die den direkten Orbit wieder hinter sich ließen.
Vermutlich ging man davon aus, dass die Streitkräfte am Boden ohne Probleme mit zwei Piloten fertig werden würden... und damit hatten sie durchaus auch recht. Nur – keiner der beiden Piloten hatte vor, direkt im Raumhafen von Anhur zu landen, zumal das sicherlich einem Selbstmordkommando gleich kommen würde. Nein, man hatte eine andere Idee, ein altes Überschussdepot sollte für die notwendige Deckung sorgen...
Staub wirbelte auf, als die beiden Jäger zwischen den alten Wracks zur Landung ansetzten. Beide Piloten öffneten hastig die Cockpits ihrer Jäger, Venice half dem Gast in ihrer Maschine beim aussteigen.
»Aktiviere das Rückflugprogramm. Hier können wir die Maschine nicht lassen, man würde sie früher oder später finden.«
Venice winkte ihrem Partner zu, sie hatte Deacan auch durch den Lärm der laufenden Triebwerke verstanden. Etwa fünf Sekunden später wirbelte erneut eine riesige Staubwolke quer durch das Depot, beide Blades hoben wieder vom Erdboden ab, sie flogen jetzt unbemannt auf einer vorprogrammierten Route zurück zum Versteck des Clans – wo auch immer dieser Stützpunkt sein mochte.
Deacan holte einen Blaster aus seinem Mantel hervor, er überprüfte ein letztes Mal die Energieanzeige, dann wandte er sich Venice und Sera Kears zu.
»Willkommen auf Anhur. Von hier gibt es keinen Rückflugschein... erst dann, wenn alles vorbei ist.«
Venice nickte und ihre Augen wanderten nach oben.
»Hoffen wir, dass es dort oben alles so verläuft, wie wir es geplant hatten.«
Ihr Partner nickte ihr aufmunternd zu.
»Hoffen wir auf Hassans gesunden Menschenverstand...«
Deacan unterbrach seinen Redefluss, er hörte Schritte, die schnell näher kamen.
»Durchsucht die gesamte Umgebung. Sie müssen hier gelandet sein...«
Leise trat der Privateer an einen alten, ausgeschlachteten Frachter vom Typ Ilia heran, er deutete auf das Fahrwerk der riesigen Transportmaschine, Venice verstand seine Geste und kletterte flink über das Fahrwerk hinauf in das Innere des Wracks, danach hievte man zusammen Sera Kears nach oben, Deacan schaffte die Kletterei gerade noch im letzten Moment.
Venice griff zum MACS, sie aktivierte einen kleinen Störsender. Auf diese Weise wollte man den Milizstreitkräften vor Ort ihre Suche etwas erschweren. Etwa eine Minute später marschierte der Suchtrupp vorbei, begleitet von lauten Flüchen des Kommandanten.
»Was soll das heißen? Keine exakten Daten?«
Er riss einem jungen Offizier wütend dessen Scanner aus den Händen und sah dann selbst auf das Display. »Verflucht, diese Wracks hier haben mit Sicherheit noch alte Energiezellen an Bord, die unsere Geräte stören.«
Der Trupp blieb direkt vor dem Frachter stehen... wenn jetzt nur einer der Soldaten seinen Blick ein klein wenig nach oben richten würde... »So wird das nichts. Soll ein Team aus der Luft die Gegend untersuchen... zurück zum Stützpunkt.«
Deacan holte tief Luft, nachdem der Trupp wieder verschwunden war.
»Klarer Punkt für uns. Wir warten noch zehn Minuten, dann gehen wir los.« Venice stimmte zu.
»Wir brauchen etwa eine halbe Stunde zum Senat – keine weiteren Probleme vorausgesetzt.«
»Gut, hoffen wir einfach, dass unser Freund schon dort ist... ohne ihn würde das Alles nur halb soviel Spaß machen.«
Eine dritte Stimme mischte sich ein – und sie klang sehr ruhig.
»Keine Sorge, er wird wie immer da sein. Und ich werde dafür sorgen, dass er auch bekommt, was er verdient...«

*

Im Orbit von Anhur gingen unterdessen die Kämpfe weiter...
Immer mehr Piloten der CIS mussten sich die Frage stellen, was genau hier eigentlich vorging.
Man schoss nicht auf sie... sondern nur auf die Gildenjäger und die kamen inzwischen immer mehr in arge Bedrängnis... da Befehle von oberster Stelle ausblieben und es nicht danach aussah, dass man bald wieder Funkkontakt bekam, oblag es den einzelnen Piloten, eine Entscheidung zu fällen.
Zwei oder drei Piloten stellten bereits das Feuer ein...
An Bord der Dream machte sich auch jemand startklar, ein kleines, unscheinbares Shuttle verließ den Hangar in Richtung Anhur. Sofort waren etliche Blades zur Stelle, um das Schiff zu eskortieren.

*

»Die Sitzung ist hiermit eröffnet.«
Laut und deutlich konnte man den Aufschlag eines kleinen Holzhammers hören, der auf eine Steinplatte geschlagen wurde – ein uraltes Ritual, das noch immer bei Gerichtsverhandlungen oder eben bei Versammlungen von Politikern im Senat seine Anwendung fand.
Die Reihen im Senat selbst waren recht leer, nur wenige Mitglieder waren zu dieser Stunde gekommen. Und das, obwohl der Grund dieser Sitzung sehr wichtig erschien und eigentlich keinerlei Aufschub duldete.
Der Vorsitzende des Hauses, ein Mann im fortgeschrittenen Alter mit grauen Haar, sah in die Gesichter seiner Amtskollegen. Viele Sorgenfalten konnte man entdecken, viele Fragen würden jetzt wohl in den Raum gestellt werden.
Viele Fragen... und er als Vorsitzender hatte fast keine Antworten zu bieten. »Die Situation unseres System hat sich in wenigen Tagen dramatisch verschlechtert. Angriffe von diversen Piratenclans sind wohl nunmehr an der Tagesordnung. Unser Hauptanliegen muss derzeit in der Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit für die Bevölkerung liegen und nicht in der Verbreitung von Nachrichten, die nur Panik erzeugen würden.«
»Mit allem Respekt... da draußen herrscht bereits Panik. Haben Sie eventuell einmal den Raumhafen besucht?
Die dortigen Menschen wollen nur noch weg von Anhur... und viele beginnen bereits, Parallelen zum Schicksal des Planeten Petra zu ziehen. Wir können nicht länger so tun, als würde nichts passieren.«
Wut und Entrüstung klang eindeutig in der Stimme der jungen Senatorin mit, die eigentlich für den Planeten Crius zuständig war, jedoch wie viele andere hier ihren Wohnsitz nach Anhur verlegt hatte.
»Schlagen Sie ernsthaft vor, den Menschen da draußen die Tatsachen auf den Tisch zu legen?«
Senator Vaughn mischte sich ein, sein Tonfall wirkte sehr ruhig.
»Sie sollten eigentlich ganz, ganz still sein, werter Kollege Vaughn.«
Ungläubig sah man in die Richtung, aus der dieser Satz gekommen war. »Sie wissen doch am besten, was es heißt, Tatsachen zu schaffen, nicht wahr?« Vaughn glaubte sich verhört zu haben.
»Senator Santana, würden Sie eventuell die Freundlichkeit besitzen und das Haus über Ihre Gedankengänge aufklären? Und bitte überdenken Sie Ihren Ton, bevor Sie hier sprechen.«
Santana saß nur da, ein breites Grinsen zierte sein Gesicht. Dann erhob er sich langsam, deutete mit der Hand auf die versammelte Menge.
»Meine lieben Freunde. Ich weiß, meine Taten und auch meine Ansichten sind oftmals von Ihren Vorstellungen weit entfernt... aber es ist nunmehr an der Zeit, Ihnen etwas von den Hintergründen unseres System zu berichten.
Senator Vaughn... wann hatten Sie eigentlich vor, dem Senat von Ihrem völligen Versagen bezüglich der Invasion der Kiowan auf Petra zu berichten? Ich höre in den letzten Tagen immer wieder nur: warten wir einfach ab...«
Vaughn hatte geahnt, dass Santana dieses Thema ansprechen würde.
»Wie Sie ja wissen, obliegt mir der Planet Hades, nicht der Planet Petra.«
Santana hob seine Stimme ein wenig an.
»Was Sie nicht sagen. Hades... da liegt doch der Hauptstützpunkt der CIS. Warum dauert es so lange, mal den Truppen einen Marschbefehl zu geben? Ich möchte alle Senatsmitglieder daran erinnern: Vaughn stimmte gegen einen sofortigen Angriff auf die Invasoren von Petra.«
»Und Sie? Sie enthielten sich der Stimme.«
»Wie kann ich mich auch entscheiden, wenn mir wichtige Details der gesamten Katastrophe verheimlicht werden?«
»Bitte, welche Details?«
Der Vorsitzende ergriff das Wort, er sprach wohl aus, was alle hier dachten.
»Nun... ich denke, das Vaughn zusammen mit Ser David Hassan diesen kleinen, sagen wir einmal Zwischenfall inszeniert hat, nur um die Ausgaben der CIS weiter in die Höhe zu treiben.«
»Bitte?«
»Ihr Zögern erklärte doch bereits alles. Oder kann es vielleicht sein, dass Sie Ihren Freund und Kameraden Hassan nicht mehr unter Kontrolle haben?
Soweit ich weiß, ist er doch ins Petra-System geflogen... sagen Sie bloß, dass Sie davon nichts wussten.«
Jetzt gab es offensichtlich kein Halten mehr, mehrere Mitglieder des Senats standen auf, lautstark forderten sie weitere Einzelheiten. Vaughn hingegen wusste nicht mehr, was er sagen sollte...
Ein lautes Zischen mischte sich in die vielen Stimmen und einige Senatoren gingen instinktiv in Deckung. Jemand hatte einen Blaster abgefeuert, der Schuss war oben in der Decke des Saales eingeschlagen, Staub und Teile des Mauerwerks rieselten herab...
»Abgeordnete des Senats. Bitte hören Sie mich an.«
Ein junger, langhaariger Mann, bekleidet mit einem dunklen Mantel, einer schwarzen Hose und einem Shirt in der selben Farbe, stand zwischen den Sitzreihen des Senats und dem erhöhten Platz des Vorsitzenden.
»Dies ist eine geschlossene Sitzung, keine öffentliche Anhörung. Gehen Sie, und ich sehe möglicherweise über Ihren Auftritt hier hinweg.«
Verärgert sah der Vorsitzende auf den Neuankömmling.
Wie war dieser Kerl eigentlich hier herein gekommen? Noch dazu mit einer scharfen Waffe?
»Noch nie wurde es einem Menschen untersagt, hier frei und offen zu sprechen. Bitte, gewähren Sie mir einige Minuten ihrer Zeit. Was ich weiß und was ich Ihnen zu sagen habe, wird die Zukunft des Tri-System entscheidend verändern.«
»Vorausgesetzt, Sie legen Ihre Waffe ab...«
Der Fremde nickte, dann legte er seinen Blaster auf einen kleinen Tisch, der etwas abseits stand. Mit sicheren, aber langsamen Schritten begab er sich wieder vor die Versammlung.
»Mein Name ist für Sie völlig uninteressant. Und ich bin nicht freiwillig hier – aber ich habe eine Verpflichtung gegenüber den Bewohnern des Tri-System, genau wie Sie. Glauben Sie mir ruhig, ich wäre jetzt lieber an einem völlig anderen Ort.
Aber manchmal verschlägt einen das Schicksal an Orte, die man nicht für möglich halten würde...«
Einen Augenblick lang schwieg der Fremde, dabei wurde er intensiv von den Senatoren gemustert. Rein vom Aussehen her war das hier ein Privateer... »Vor etwa zwei Jahren gab es nur ein wichtiges Thema hier... erinnern Sie sich? Da gab es eine Organisation, die mehr Schrecken verbreitete als jeder neue Virus, der aus den Labors vom Planeten Crius kam. Da gab es eine Person, deren Name nur geflüstert wurde.«
»Kronos. Ja, wir erinnern uns an ihn. Aber er ist Geschichte.«
»Er schon, aber sein Erbe ist noch immer wach.
Fakt ist, dass Kronos immer wusste, was hier gesprochen wurde. Kronos kannte jedes Detail, er wusste um jedes neue Gesetz, das hier verabschiedet wurde. Haben Sie sich jemals gefragt, wie dies möglich war? Nun, er hatte Hilfe. Hier im Senat gab es Augen und Ohren, die für ihn arbeiteten. Hier gab es bezahlten Verrat.«
»Beweisen Sie das auch noch? Oder sind das auch nur wieder leere Worte, wie wir sie vor langer Zeit hören mussten?«
»Ich werde Ihnen Beweise liefern, bitte lassen sie mich sprechen.«
Der Vorsitzende nickte dem Privateer zu.
»Wir hören Ihnen zu. Bitte fahren Sie einfach fort.«
»Als dann jemand Kronos tötete und den Clan übernahm, da verloren die Augen und Ohren hier im Senat ihre Bedeutung... da verlor eine Person hier ihre Bedeutung. Voller Wut begann diese Person, eine Möglichkeit zu suchen, um sich für die verlorene Macht zu rächen.
Und zwar an zwei Personen... zum einen an dem Nachfolger von Kronos, einem Mann, von dem er wohl nicht nur den Namen kannte, Ser Lev Arris. Und zum anderen an seinem Helfer, Ser David Hassan, der seinerzeit die CIS gegen Kronos ins Feld geführt hatte.«
Der Privateer schwieg kurz, er sah eindringlich in die Runde. »Die Frage war jetzt, wie er das machen sollte. Und unser Freund zeigte sich sehr erfinderisch... zunächst spielte er einem eher unbedeutenden Piratenclan Informationen zu, um diesen in seiner Effizienz ein wenig zu verbessern. Es folgten Waffen, Materialien... was man eben so braucht zum Töten und Rauben. Danach floss Geld an einige Söldner, ebenfalls um wahllos zu töten.
Er hoffte, auf diese Weise Ser Arris wieder in die Öffentlichkeit zu locken, zumal der neue Clanführer selbst zuvor ein Leben als Privateer geführt hatte. Es wäre ja gut möglich gewesen, dass eben diese Vergangenheit Ser Arris zum Handeln zwingen würde. Wer sieht schon gerne zu, wenn alte Freunde vors Fadenkreuz marschieren? Ein weiterer Meilenstein wurde dann genommen, als er eine Gilde von seiner Idee überzeugen konnte...«
Jetzt war es Santana, der sich von seinem Platz erhob. Alle Anwesenden im Saal wussten genau, auf wen der Privateer da anspielte...
»Das sind nette Worte. Ich muss sagen, selten wurde ich derartig beleidigt. Obgleich mir Ihre Ausführungen auch ein wenig schmeicheln müssten, Ihren Worten zufolge bin ich ja ein kleines Genie.«
Santana legte erneut sein Grinsen auf, der Privateer hingegen blieb kühl und gelassen. Er wollte sich nicht auf ein Spielchen mit dem Senator einlassen, der jetzt ebenfalls vor dem Platz des Vorsitzenden stand.
»Zugegeben, Ihre Arbeit war durchaus perfekt. Allein wie Sie es schafften, einzelne Gruppen gegeneinander auszuspielen, war genial. Aber Sie haben einen Fehler begangen. Einen fatalen Fehler.«
Der Blick des Privateers ging zur einer der vielen Türen, diese schwang auf und zwei Personen kamen zum Vorschein. Eine der beiden war offensichtlich eine junge Söldnerin. Die andere, wesentlich ältere Dame aber schien zumindest bei Santana eine gewisse Nervosität zu erzeugen. Ihr rotes, welliges Haar leuchtete schon von weitem. »Senator, Sie erkennen doch sicher noch Ihre alte Büroangestellte aus der Zeit von Kronos wieder, oder?«
»Ich wüsste nicht, wer diese Person dort sein soll...«
»Angus, es ist vorbei. Ich weiß jetzt, dass mein Sohn tot ist... du kannst mich nicht länger belügen. Und du solltest den Senat auch nicht länger für dumm verkaufen.«
Die Worte der rothaarigen Frau hallten durch den Saal, Stille kehrte ein. Ungläubig schauten die Zuhörer von ihren Plätzen auf das Geschehen. Die Frau hatte den Senatoren direkt und persönlich angesprochen. Ja sie hatte sogar seinen Vornamen verwendet.
Sprach das nicht für eine gewisse Vertrautheit?
Und der Senator... warum widersprach er nicht? Senator Santana ging ein Stück weiter in Richtung des Tisches, auf dem der Blaster des Privateers lag.
»Werte Senatoren, diese Frau hier hat im Auftrag von Angus Santana Söldner angeworben, um seine Drecksarbeit zu erledigen. Jahre zuvor war sie seine direkte Verbindung zu Kronos. Ihre Loyalität erzwang er sich über eine Lüge... Ich gebe zu, sie kann nicht wirklich viel beweisen, aber es dürfte zumindest reichen, um Sie, werter Senator, Ihres Amtes vorübergehend zu entheben. Ich schlage vor, die ehemaligen Mitglieder des Clans, die auf Hades inhaftiert sind, über die Aktivitäten von Senator Santana zu befragen.
Einer von ihnen wird sich sicher an unseren lieben Freund hier erinnern...«
Der Vorsitzende ergriff wieder das Wort.
»Wir sehen noch immer keine Beweise. Alles, was Sie uns hier geben, sind Worte. Wo sind Ihre Beweise?«
Erneut öffnete sich die Tür zum Saal und ein weiterer Mann betrat den Saal, auch er sah wie ein Privateer aus. Er war ebenfalls noch sehr jung... und auch er sprach den Senator direkt an.
»Ich bin der Beweis... Senator Santana, kennen Sie mich noch? Vor einiger Zeit war es doch Ihr Geld, das auf meinen Kopf ausgesetzt wurde, oder?«
Santana drehte sich um, sein Blick blieb an Gesicht des Privateers hängen. Dann ging alles rasend schnell, Santana griff nach dem Blaster, er zielte damit auf den Neuankömmling... und drückte ab.
Aber nichts passierte.
Ein zweites Mal hörte man den Abzug klicken, wieder blieb der Schuss aus.
»Ohne das hier... funktioniert diese Waffe nicht.«
Der Privateer hob eine Energiezelle nach oben. Dann fuhr er fort. »Das hier ist Ser Lev Arris, derzeitiger Führer des Clans, Nachfolger von Kronos. Keiner von Ihnen hier im Saal hat jemals sein Gesicht gesehen, keiner hier weiß um seine Identität.« Der Söldner blickte lange in die Gesichter der Zuhörer. »Nur enge Vertraute von Kronos selbst hatten dieses Wissen. Also, warum richten Sie eine Waffe auf ihn, wenn Sie doch nichts mit dem Clan zu tun haben?«
Es war erst ein Flüstern, das den Saal durchzog.
Dann wurde es lauter...
Santana ließ die Waffe langsam nach unten sinken, dann fiel sie auf den Boden. »Ich glaube, dass ich mir jeden weiteren Kommentar sparen kann, oder?«
Der Privateer sprach seine Worte leise in Richtung des Senators, aus dessen Gesicht jegliche Farbe gewichen war. Der ehemals so stolze Staatsmann sank in die Knie, sein Blick heftete sich starr auf den Boden.
Ser Lev Arris ergriff das Wort.
»Senator Angus Santana, ich beschuldige Sie hiermit mehrerer Verbrechen gegen das Tri-System, inklusive Verrats, Korruption, Auftrag zum Mord in unzähligen Fällen, der Organisation und Finanzierung eines Piratenclans...«
Der Privateer, der vor einigen Minuten die Sitzung des Senats auf so drastische Weise gestört hatte, wandte sich den beiden Frauen zu, die nach ihm den Saal betreten hatten.
»Es wird Zeit.«
Die junge Söldnerin sah ihn lächelnd an.
»Ich weiß. Also?«
Die ehemalige Mitarbeiterin von Santana nickte den beiden zu.
»Das System erledigt den Rest. Und diesmal wird es endgültig sein. Sie haben mein Wort darauf.«
Unbemerkt von der aufgebrachten Menge, die jetzt nur noch Augen für Angus Santana und Ser Lev Arris hatten, verließen zwei Personen den Saal...

*

Na endlich! Teanna und Ivy hatten eine gute geschlagene Stunde auf diesen Moment gewartet – die CIS genehmigte den Privateers wieder den Zugang zu den Hangars auf Anhur.
Die „zweite“ Skecis stand dort bereit, auch Gutenhals Maschine schien auf ihren Besitzer zu warten. Da keine Techniker zur Verfügung standen, schob man selbst die Leitern an die Bordwände der Jäger. Das Cockpit der Skecis schwang auf, Teanna kletterte auf den Pilotensitz.
Während sie nach ihren Gurten griff, aktivierten sich automatisch alle wichtigen Systeme. Zwei kleine Monitore im Cockpit gingen online. Der auf der linken Seite zeigte der Besatzung den Zustand des Schiffes, der rechte war für die Kommunikation zuständig. Und auf diesem Monitor dürfte man eigentlich nichts zu sehen bekommen – laut der offiziellen Meldung der zuständigen Behörden war der komplette Funkverkehr von Anhur bereits seit Stunden tot.
Jetzt aber standen da einige Worte... Bitte bleiben Sie online!
Seltsam... wer war in der Lage, ein solches Signal ins Netzwerk von Anhur einzuschleusen?
Und vor allem, wie?
Ivy blieb auf ihrem Sitz regelrecht stehen, ihre Augen fixierten den Monitor, dann sah sie fragend zu Teanna.
»Was soll denn das nun wieder?«
Gutenhal, der sich soeben in seine Karnean gesetzt hatte, bekam wohl auch diese Nachricht auf seinen Schirmen zu lesen...
Überhaupt bekam jeder auf Anhur diese Worte zu Gesicht. Egal, ob man sich in der City befand, egal ob man in einer Bar saß, egal ob man auf seinen Flug wartete – auf allen nur erdenklichen Displays fanden sich diese einfachen Worte wieder.
Wer auch immer seine Finger in den Systemen der Kommunikation hatte und um Aufmerksamkeit bat, der jenige wusste offensichtlich, was er tat.
Auf Anhur wurde es gespenstig still...
Diese Stille dauerte einige Minuten an, dann wechselte das Bild und das Gesicht eines jungen Mannes erschien. Er war nicht älter als Mitte Dreißig, ein dunkler Bartschatten umrandete sein Kinn, helle, stahlblaue Augen erweckten beim Betrachter den Eindruck von Lebhaftigkeit... möglicherweise sogar ein wenig Freude...
»Bewohner von Anhur. Mein Name ist Ser Lev Arris...«
Einige Sekunden schwieg der Mann, er schien nach Worten zu suchen. »Ich bin hier als Sprecher des Widerstandes – eures Widerstandes. Man hat euch manipuliert, man hat euch gegeneinander ausgespielt, man hat euch mit falschen Informationen versorgt. Man hat euch geblendet, belogen, betrogen.
Dies ist meine Bitte... dies ist die Bitte an alle Menschen im Tri-System, dies ist die Bitte um eurer Erwachen...«
Der Mann verschwand aus dem Bild, dann trat jemand vor das Objektiv, den jeder hier kannte: der Vorsitzende des Senats von Anhur. Hinter seinem Rücken konnte man unzählige weitere Senatoren erkennen, sie standen wie ein Bollwerk hinter ihrem Sprecher.
»Bewohner von Anhur, mit sofortiger Wirkung wurde Senator Angus Santana aus dem Staatsdienst entfernt. Seine Versuche, eine neue Ordnung der Gewalt und des Verrats ins System zu schleusen, sind gescheitert. Wir wissen inzwischen von einem Depot in unmittelbarer Nähe, etwa drei Sprünge von hier entfernt. Dort warten vermutlich unzählige Jäger darauf, im Namen des Senators Angst und Schrecken zu verbreiten.
Senator Santana hat versucht, einen Nachfolger des Clans, wie wir alle ihn noch unter der Führung von Kronos in Erinnerung haben, zu etablieren. Nur dank der Hilfe und der unermüdlichen Anstrengungen einiger weniger Söldner des Tri-Systems konnte dies verhindert werden. Aber noch ist es nicht vorbei, eine Armee unbekannter Größe wartet noch auf ihren Einsatz, helfen Sie uns bitte, das zu beenden. Ich danke Ihnen.«
Der Redner verbeugte sich vor seinem Millionenpublikum, alle anderen Senatoren taten es ihm gleich... dies war eine einmalige, nie zuvor gezeigte Geste des Senats. Wieder kehrte Stille ein, auf den vielen Displays tauchten jetzt Koordinaten auf...
 
part 107

*

»Ser? Von den Gildejägern sind nicht mehr viele übrig. Ich zähle noch acht Maschinen.«
Hassan wandte seinen Blick nicht vom Bildschirm. Er entdeckte eine Blade, die wohl von der Oberfläche des Planeten gestartet war und direkten Kurs auf den unbekannten Zerstörer hielt.
»Wir warten. Zeit bis zur Ankunft der Hauptflotte?«
»Sera Manley wird in etwa vier Minuten hier eintreffen.«
Hassan dachte angestrengt nach.
Noch wusste er nicht genau, was hier vor ging, aber sein Instinkt sagte ihm, dass etwas passieren würde.
Und er sollte sich nicht irren... »Ser? Ich registriere hier den Start mehrerer Schiffe von der Planetenoberfläche. Ich zähle zehn, nein vierzig... einen Moment bitte... ich korrigiere: zweiundachtzig Jäger und sechszehn Frachtschiffe. Alle mit ziviler Registrierung. Flugrichtung sechs-vier-sechs, das ist eine Sprungboje zu den alten Depots und Schiffswerften von Anhur.«
»Und wir warten.«
Noch ehe der Offizier etwas antworten konnte, ging ein lautes Rauschen durch die Kommunikationsanlage des Trägers. Das Geräusch tat weh, einige Männer der Brückencrew hielten sich die Ohren zu. Der Spuk dauerte nur kurz, dann meldete sich jemand aus dem Hintergrund.
»Ser? Funksysteme sind wieder online. Erhalte Daten vom Planeten.«
»Lassen Sie hören.«
Eine Stimme erklang aus den Lautsprechern.
»Bewohner von Anhur, mit sofortiger Wirkung wurde Senator Angus Santana aus den Staatsdienst entfernt. Seine Versuche, eine neue Ordnung der Gewalt und des Verrats ins System zu schleusen, sind gescheitert...«
Hassan drehte sich langsam um während er den Worten aus den Lautsprechern seine Aufmerksamkeit widmete.
»Versuchen Sie, eine Bestätigung dafür zu bekommen. Und zwar sofort. Steuermann, setzen Sie Kurs auf dieses Depot... wir werden dort mit Sicherheit gebraucht. Und geben Sie an Manley durch, dass sie uns folgen soll. Alarm für alle Decks.«
»Ja Ser!«

*

Unter den zweiundachtzig Jägern befanden sich auch zwei Maschinen, deren Besatzung sich bislang eher aus solchen Aktionen heraus gehalten hatten... aber zum jetzigen Zeitpunkt hielt sie nichts mehr auf Anhur. Sie fühlten sich seltsamerweise dazu verpflichtet...
Teanna flog in der zweiten Linie, ihre Skecis hatte sie hinter einer Drakkar eingereiht. Direkt daneben fand sich Gutenhals Maschine wieder.
»Sera Tasker? Wenn ich das richtig verstanden habe, dann werden wohl Nachbauten von Clanmaschinen auf uns warten. Bitte bleiben Sie in meiner Nähe, falls es etwas ungemütlicher wird.«
»Kommt da der gute, alte Vaterinstinkt wieder bei Ihnen durch, Ser Gutenhal?«
»Nein... nicht wirklich. Aber sagen wir einmal, ich fange an, mich an Ihre Anwesenheit zu gewöhnen.«
»Na wenn das so ist...«
Teanna korrigierte ihre Flugrichtung ein wenig, bevor sie in den Hyperraum sprang – dem letzten der insgesamt drei Sprünge.
Die vergangenen zwanzig Minuten hatte sie den Gesprächen der anderen Privateers gelauscht, ohne selber auch nur einen Ton zu sagen. Es war interessant, welche Reaktionen und welcher Tatendrang alleine durch Wut ausgelöst werden konnte.
Für diese Reise hier gab es nicht einmal Geld... aber das war niemandem hier wichtig. Als wäre nur eines wichtig: endlich aufzuwachen.
Teanna schloss kurz ihre Augen, einige Bilder tauchten wieder auf, da war ihr Vater, Ivy, Gutenhal, die Heretic. Dann Manley, Hassan, Ser Tron...
Unweigerlich öffnete sie wieder ihre Augen. Ihr Vater war tot, Tron war tot, und wenn sie hier anfing zu träumen, dann könnte sie die nächste sein.
»An alle Einheiten, verlassen Hyperraum. Waffen in Bereitschaft.«
Irgendjemand hatte wohl vorübergehend die Führung übernommen und gab Befehle. Keiner störte sich daran, dies war ihre Aufgabe und es war völlig egal, wer das Sagen hatte – solange Taten folgten.
Direkt vor dem Team tauchte das Depot auf, es wirkte auf den ersten Blick verlassen und leer, genauso wie es eigentlich auch sein sollte. Was den Augen der Söldner entging, registrierten dafür die Sensoren der Jäger innerhalb weniger Sekunden.
»Wir haben hier einige Jäger, Typ Icarus. Ich zähle fünf Maschinen. Plus einen Frachter. Schaltet die Jäger aus, den Frachter aber nur lahm legen, wir brauchen die Besatzung lebend. Es sind noch nicht alle Fragen geklärt. Dann los!«
Wie ein Schwarm wilder Bienen schossen die Söldner nach vorne. Ihre zumeist kleinen Maschinen formierten sich zu einer regelrechten Wand.
Raketen wurden abgeschossen, sie suchten sich ihre Ziele... Wer auch immer in den fremden Jägern saß, hatte keine Chance.
Teanna drehte ab, sie flog zusammen mit Gutenhal und zwei weiteren Jägern auf das Depot zu. Laut Sensoren gab es einige Bewegung im Inneren der alten Station. Die Energiewerte sprengten den normalen Rahmen für eine solche Anlage.
»Räumen wir das Feld auf.«
Teannas leiser Satz fand Zustimmung. »Rakete los.« Die einfache Snipe-Rakete, die im normalen Gefecht eher nutzlos war und von den meisten Jägern problemlos abgeschüttelt werden konnte, fand mühelos ihren Weg.
Das riesige Depot konnte sie gar nicht verfehlen. Krachend schlug sie in der Dachkonstruktion ein, Metallsplitter bohrten sich tief in die Eingeweide der Station. Teanna folgte der Spur des Geschosses, ihre Bordwaffen schlugen weitere Löcher in den stählernen Rumpf.
Als sie die Station überflogen hatte und sich nach hinten umsah, erkannte sie einen Satelliten, der sich auf der Unterseite des Depots befand und langsam seine Position veränderte. Das da war eine aktive Verteidigungsplattform und sie eröffnete ohne jede Vorwarnung das Feuer auf die potentiellen Angreifer.
Teanna gab vollen Schub. Sie drehte die Maschine um die Längsachse, um die Zahl der möglichen Treffer ein wenig zu reduzieren. Tatsächlich zielte der Satellit nicht auf ihre Skecis, dafür aber auf Gutenhals Jäger. »Alles okay da hinten?«
Gutenhals Antwort kam prompt.
»Jäger intakt, Schilde laden sich wieder auf. Noch einen solchen Angriff bekommen wir nicht auf die Reihe, sehen Sie nur.«
Die Sensoren der Skecis entdeckten jetzt weitere derartige Verteidigungssysteme, die nacheinander aktiviert wurden und mit Andockklammern an dem Depot hingen. Zudem tauchten einige Schatten auf... Blades!
Aus dem Depot starteten einige Blades oder besser gesagt Jäger, die so aussahen wie die Schiffe des Clans und sie begannen sofort, das Depot gegen die Söldnerschiffe zu verteidigen.
»Vorschläge?«
»Das sind zu viele, wir brauchen mehr Feuerkraft.«
Im gleichen Augenblick jagte etwas dicht an der Skecis vorbei, die Besatzung zuckte kurz zusammen. Teanna wandte ihren Blick in die Richtung, aus der dieser massive Schuss gekommen war. Dort zeichneten sich die Umrisse der Avenger ab, die soeben ins System eingeflogen war. Auf Teannas Lippen zeichnete sich ein überlegendes Lächeln ab...

*

Einige Stunden später...
Das wollte sie schon immer mal machen... Mit Wucht trat die Agentin gegen die massive Tür. Allerdings ohne jeden Erfolg. Das erwünschte Resultat blieb aus und die Tür selbst blieb verschlossen.
Manley holte tief Luft. An diesem Tag war schon genug geschehen, es konnte eben nicht alles glatt laufen. Vor wenigen Stunden noch hatte sie gegen eine wahre Übermacht aus Piratenschiffen gekämpft.
Dann hatte sie von der Verhaftung des Senatoren Angus Santana gehört und sie war gerade noch rechtzeitig ins Anhur-System gesprungen, um das Ende der dortigen Gefechte miterleben zu können. Eine kombinierte Streitmacht aus Miliz und Söldnern hatte zeitgleich ein Depot ausgeschaltet, das sich letzten Endes als Produktionsort für eine ganze Staffel von Jägern entpuppte.
Es waren Kopien der schweren Bladejäger des Clans... Die Besatzung eines Transporters, die noch versucht hatte, sich der Verhaftung zu entziehen, hatte die Produktion nicht nur dieser Jäger, sondern auch die Fertigung vieler weiterer Waffen bestätigt.
Und jetzt war Manley hier auf Hades... und hatte zwei Aufträge in der Tasche. Da gab es vielleicht ein paar alte inhaftierte Mitglieder des Clans, die sich möglicherweise an einen Mann namens Santana erinnern würden, wenn man ihnen im Gegenzug bessere Haftbedingungen anbot.
Und da war noch ein anderer Mann, der hierher geflohen war...
Manley zog ihren Blaster aus den Holster, dann zielte sie auf das Türschloss. Der Energiestoß durchschlug mühelos die komplette Tür, die nun völlig ohne fremde Hilfe einfach aufschwang. Langsam trat Manley ein, einige Soldaten der Miliz folgten ihrem Beispiel.
Der Raum war riesig, teure Möbel zeugten vom Wohlstand des Besitzers. Bilder säumten die Wände, auf ihnen waren Jäger abgebildet, hier eine Faldari, dort eine Heretic, dann wieder eine Danrik. Direkt vor diesen Jägern standen die Piloten in ihren Overalls und lächelten freundlich in die Kameras.
Ein massiver Schreibtisch bildete den zentralen Blickfang des Raumes, dahinter saß auf einem Drehstuhl ein älterer Mann, er wandte der Tür seinen Rücken zu. Manley baute sich vor dem Schreibtisch auf, sie zielte mit ihrer Waffe in Richtung des Mannes.
»Ser Kyle Ricards, Sie stehen hiermit unter Arrest. Sie haben das Recht die Aussage zu verweigern. Sie haben das Recht auf einen Anwalt. Ihnen wird vorgeworfen...«
Manley unterbrach ihren Satz. Ihr Blick glitt langsam an Ricards herab. Ein kleiner Blaster lag auf dem Boden neben ihm, geronnenes Blut klebte am Abzug. Langsam trat die Agentin einige Schritte an den ehemaligen Gildenführer heran, dann schloss sie kurz die Augen und ließ ihre Waffe sinken.
Unsicher griff sie zum MACS und öffnete einen Kanal. »Manley an Ser Hassan. Ricards ist tot, er hat sich selbst gerichtet.« Ihr Blick wanderte über den Schreibtisch. Auf einem Display konnte man die neuesten Nachrichten lesen... Söldnergilde vor dem endgültigen Aus – angeklagter Senator belastet Führungsetage der White Wolfs schwer...
»Schlechte News, nicht wahr?«
Die leise ausgesprochenen Worte der Agentin verloren sich im Raum. Einer der Soldaten trat einen Schritt nach vorne.
»Sollen wir die Spurensicherung rufen?«
Manley nickte.
»Ja. Sichern Sie jede Akte, jeden noch so kleinen Schnipsel Papier.« Die Agentin sah noch einmal auf Ricards, dann machte sie kehrt und begab sich schnellen Schrittes aus dem Raum. Einige Gedanken schwirrten ihr durch den Kopf. Wir haben es beendet... Ser Tron. Es war nicht umsonst.

*

Einige Tage vergingen. Die Nachrichtenkanäle hatte nur noch ein Thema...
Vieles war noch völlig ungeklärt.
Tatsächlich hatte Santana nicht nur aus purer Machtgier seine Intrige aufgebaut. Nicht nur aus Machtgier hatte er Menschen ins offene Messer laufen lassen. Er wollte vor allem eines: Rache.
Seiner Meinung nach hatte ihn Ser Arris zusammen mit Ser Hassan um seinen verdienten und gut bezahlten Posten im alten Clan gebracht... vielleicht schwebte dem Senator ursprünglich sogar die Führung der gesamten Organisation vor. Kronos würde ja nicht ewig leben und er brauchte sicher auch einen Nachfolger. Seine Aktionen rissen viele in den Tod.
Auf Petra verloren allein über neuntausend Menschen ihr Leben...
Der Prozess gegen den Senator würde erst in einigen Monaten beginnen – die Beweisaufnahme hatte erst begonnen, immer mehr Details kamen mit jedem Tag ans Licht.
Alleine die Sichtung aller Konten und die Verfolgung der Unmengen an Geld, die Santana für die Anwerbung von Söldnern ausgegeben hatte, würden laut Aussage der CIS etwa neun oder zehn Monate in Anspruch nehmen.
Die Manipulationen an den Datenbeständen der CIS konnten auf einige Mitarbeiter der Miliz zurück geführt werden. Man hatte unter anderem Hassans Unterschriften gefälscht, Berichte verschwinden lassen... ja man hatte sogar fast die komplette Offiziersebene des Planeten Petra austauschen können – ohne das es jemanden auffiel.
Ser Arris hatte ganze Arbeit geleistet, seine Berichte lieferten unzählige Teile zum ganzen Puzzle.
Er präsentierte einen seiner Elitepiloten. Er allein hatte im Petra-System Aufklärung betrieben und war mit wichtigen Daten zur Basis des Clans zurückgekehrt.
Es gab sogar Angehörige der CIS, die das bestätigten... auch wenn sie zu der ganzen Sache eher schwiegen. Man hatte ihre Basis – eine alte Relaisstation – besucht und von dort sei man dann aufgebrochen, um Daten zu sammeln.
Aber Arris hatte noch mehr auf Lager. Eine ehemalige Angestellte von Senator Santana (und jetzige Hauptzeugin), Sera Kears, hatte sich an ihn gewandt, als sie von der Verhaftung einer Söldnerin namens Sera Dawson erfuhr. Damit war für sie der Weg frei... Schon als sie damals versucht hatte, mit Ser Tron Kontakt aufzunehmen – wohlgemerkt mit Hilfe von Dawson – hatte sie ursprünglich den Plan gefasst, dem Privateer einige Hinweise zu geben... doch sie konnte nicht frei mit dem Söldner reden.
Dawson war ja bekanntlich anwesend. Und Dawson sollte auch dafür sorgen, dass die Dame loyal ihren Auftrag erfüllen würde. Das Druckmittel selbst war denkbar einfach: Santana hatte ihren Sohn in der Hand, einen jungen Privateer, der allerdings schon seit Monaten nicht mehr unter den Lebenden weilte.
Statt dessen hatte ein anderer Söldner die Identität ihres Sohnes angenommen und führte dessen Leben einfach weiter. Zu spät entdeckte die Dame den Betrug... Hätte sie davon früher erfahren, hätte sie niemals ihre kleine Geschichte erfinden müssen, wobei einzelne Teile davon sehr nahe an der Wahrheit lagen. Und das war kein Zufall, sondern Absicht. Sie sprach von der Vergangenheit und hoffte, dass Ser Tron die Geschichte des Clans mit in seine Recherchen einbeziehen würde...
Kronos hatte ursprünglich zwölf Berater, einer davon war Santana. Und sie hatte von zwölf „Superreichen“ erzählt.
Superreich... das waren eigentlich nur Politiker. Zudem ging die von ihr ebenfalls erwähnte Gründung der Papagos Hand in Hand mit unzähligen finanziellen Hilfen vom Clan. Die Papagos selbst waren ursprünglich nichts weiter als der verlängerte Arm von Kronos, bis dieser nach einiger Zeit über seine eigene Armee von Söldnern verfügte. Danach hatte er keine Verwendung mehr für den kleinen Clan, der sich kurze Zeit später verselbstständigte.
Als ehemaliges Clanmitglied wusste Santana natürlich auch von der Existenz des Tarnmetalls, er wusste, dass Kronos das Material benutzt hatte, um einige Schiffe für Spionageeinsätze und Attentate umzurüsten... und er kannte auch die Gier der Gilden. Er musste nur noch einige Hinweise geben, der Rest ging dann ohne sein weiteres Zutun vonstatten...
Auch der Kauf von mehreren hunderten Kiowan erwies sich für den Senator als wahres Kinderspiel, Geld gepaart mit Waffen und dem Tarnmetall, sorgte für schnellen Zulauf seitens der Piraten...
Eines aber blieb weiterhin offen: wer hatte die Kiowan getötet, die im Nachbarsystem von Petra auf Treibstoff gewartet hatten?
Sicher, eigentlich kam wieder nur der Senator in Frage.
Aber zumindest in diesem Punkt schwieg er sich völlig aus – vermutlich um etwaige Hintermänner zu schützen, auch wenn es keinen wirklichen Grund mehr für diese Aktion gab.
Noch immer ging die CIS einzelnen Berichten nach, wonach sich getreue Anhänger des Senators noch im Tri-System aufhalten sollten. Auch die beiden verschwundenen Fähren tauchten wieder auf, eine auf Hermes, die andere endete vor den Geschütztürmen eines Frachters.
Senator Vaughn konnte seine Unschuld nur schwer beweisen, aber einige Daten aus Santanas Akten sprachen letztendlich gegen seine tatsächliche Beteiligung. Vaughn war nur ein weiteres Opfer der Kampagne des Senators, er sollte als Sündenbock dienen, wenn das Chaos seinen ursprünglich geplanten Verlauf genommen hätte...
Ser Ricards’ Truppe, die White Wolfs, hatten sich nach dem Tod ihres Gildenführers offiziell aufgelöst.
Einige Mitglieder hatten sich den Behörden ergeben, andere waren einfach untergetaucht. Ein paar lieferten sich immer noch kleinere Gefechte mit der Miliz. Erst jetzt fand man heraus, dass etliche ehemalige Gildepiloten ein bizarres Doppelleben führten - als Handlanger von Ricards und als wiederauferstandene Tote für Santana...
Es würden noch Monate vergehen, ehe man alle wichtigen Figuren des ganzen Spiel überhaupt kannte. Und noch viel länger würde es dauern, eben diese Figuren aus dem Spiel zu nehmen.
Eine wahre Überraschung erlebte das Tri-System aber in Hinblick auf die Piratenclans selbst. Die Kiowan zogen sich nahezu komplett aus der Öffentlichkeit zurück. Die Papagos lösten sich sogar auf und gaben ihre Waffen ab, nachdem die CIS ihnen Straffreiheit in Aussicht gestellt hatte. In einem offenen Brief an die Bewohner des Tri-Systems erklärten die Papagos, dass die Gründe für ihre Existenz nicht länger vorhanden waren...

*

In den Prospekten hieß es einfach: das Mekka der Vergnügungssüchtigen.
In der Realität nannte man den Planeten einfach nur Janus IV...
Und es war eine bunte Gesellschaft, die sich hier im Hope, der kleinen Kneipe von Ser Rendler, versammelt hatte.
Sera Manley hatte versucht, jeden zu erreichen, der irgendwie mit in die Geschichte verwickelt worden war. Und sie hatte durchaus Erfolg – an dem langen Tisch fand sie einige Gesichter wieder, die sie in den letzten Wochen begleitet hatten.
Sera Tasker und Sera Banks waren ihrer Einlandung eher widerwillig gefolgt. Vermutlich hatten die beiden Damen die Befürchtung, dass auf Janus IV kein kalter Drink, sondern eher ein Auftrag auf sie wartete.
Manley löste das Problem auf recht eigenartige Weise. Sie überwies dem Duo einfach eine größere Summe Geld...
Und als Gegenleistung forderte sie nur die Anwesenheit der Söldnerinnen. Es stellte sich heraus, dass die beiden Damen eher zufällig in die ganze Geschichte geraten waren: ursprünglich sollten sie sich nur an der von Santana angezettelten Jagd auf diverse Söldner beteiligen, so wie viele andere. Aber irgendjemand entdeckte dann die Herkunft von Sera Tasker... Und damit wurde aus der Jägerin ein Ziel mit recht hoher Priorität, dass sie überhaupt noch lebte, lag wohl zum einen am Glück, zum anderen an der Hilfe eines Privateers namens Gutenhal.
Der ominöse Söldner namens „Kears“, der bekannterweise hinter der Dark Spirit her jagte und von Teanna zu guter Letzt abgeschossen worden war, verschwand während eines Transferfluges nach Hades, wo er eigentlich weiter vernommen werden sollte.
Weder das Transportschiff noch die kleine Eskorte der Miliz tauchten wieder auf, nicht einmal Trümmer wurden entdeckt. Offenbar hatte jemand etwas dagegen, dass man diesen Piloten genauer unter die Lupe nahm – aber man war sich sicher, das er früher oder später wieder auftauchen würde.
Es gibt immer ein nächstes Mal...
Sera McCumber saß ein wenig abseits, genauer gesagt an der Seite von Ser Hassan. Der hatte der ehemaligen Partnerin von Ser Tron eine Stelle in der CIS angeboten und sie hatte, ohne lange zu zögern, akzeptiert. Dieser Job brachte Geld und vor allen Dingen: keinen Ärger.
Ser Chris Rendler, der zusammen mit Manley die Söldner für die ersten Schläge gegen die Kiowan organisiert hatte, sah eher gelangweilt in die Runde. Seine ehemaligen Freunde waren nicht hier, ihre Plätze waren verwaist...
Ebenfalls am Tisch saß Ser Daniel Remas, der Halbbruder von Ser Tron. Er schien sich leise mit Ser Gutenhal zu unterhalten, der diesem kleinen Treffen auch beiwohnte. Es ging dabei wohl ums Geschäft, eben typisch für Ser Trons Verwandten.
Zumindest hielt Ser Remas ein MACS in seinen Händen. Er schien diverse Handelsrouten auf dem Display abzurufen und sprach dabei wohl von den Gewinnmöglichkeiten. Offenbar wollte Trons Halbbruder den Riesen als Eskorte anheuern, aber der Gesichtsausdruck von Gutenhal zeugte nicht unbedingt von purer Begeisterung seinerseits.
Dafür aber saß jemand wirklich wichtiges der Agentin gegenüber – Ser Lev Arris. Der Clanchef wirkte insgesamt sehr schweigsam, hin und wieder hob er kurz seinen Blick, aber wirklich viel hatte Manley am heutigen Tag noch nicht von ihm gehört. Überhaupt wurde nicht viel gesprochen, die meisten sahen einfach in ihr Glas und schienen Erinnerungen den Vorrang zu geben.
»Manley?«
Die Agentin sah auf. Ihr Vorgesetzter, Ser Hassan, sah mit einem Lächeln in ihre Richtung. »Sind Sie sicher, dass Ihre Entscheidung entgültig ist? Ich verliere Sie wirklich nur sehr ungern...«
Manley erwiderte das Lächeln.
»Ser, jemand muss doch die kommenden Aktivitäten des Clans und der CIS koordinieren. Und das Angebot von Ser Arris ist zu... phänomenal. Eine wahre Herausforderung. Außerdem... im Prinzip gehe ich Ihnen ja nicht verloren, Sie werden sicher häufiger von mir hören, als Ihnen vielleicht lieb sein wird.«
Hassan zog die Stirn ein wenig in Falten, dann nickte er nur.
Manley griff nach ihrem Glas. Sie erhob sich von ihrem Stuhl. Sofort wurde es still im Raum. »Auf fehlende Freunde. Und auf die Zukunft.«
Still hoben die Gäste ihre Drinks nach oben, und nacheinander leerte man die Gläser. Ser Arris wartete, bis Manley sich wieder auf ihren Stuhl gesetzt hatte, dann griff in seine Manteltasche. Er holte ein MACS hervor und legte es direkt vor Manleys Nase. Etwas verdutzt sah die Agentin den Clanführer an, aber der nickte ihr nur zu.
»Für Sie. Und bitte zu keinem ein Wort.«
Manley nahm das Gerät in die Hand, automatisch schaltete sich das Display ein. Ein Bild erschien. Es zeigte zwei Personen, sie standen direkt vor einem Jäger. Zwei Personen... und Manley kannte beide nur zu gut, Deacan und Venice. Eine Träne suchte sich ihren Weg über ihr Gesicht. Sie versuchte nicht einmal, diesen kleinen Boten der Traurigkeit einfach weg zu wischen.
»Wo haben Sie das her?«
»Ist das wirklich so wichtig? Ich sollte Ihnen einfach nur das hier in die Hand geben... und Ihnen etwas sagen. Ich zitiere mal eben: man sieht sich dann...“
Manley sah vom Display auf. Sollte das etwa bedeuten...
Arris lenkte ihren Blick nach draußen, dort tauchten zwei Jäger auf, die soeben gestartet waren und rasch an Höhe gewannen.
Manleys Augen folgten den aufblitzenden Positionslichtern der Jäger, bis diese die Wolkendecke durchbrachen und aus ihrem Blickfeld verschwanden.

*

Die kleine Shaman holte schnell auf und begab sich an die Flanke der fabrikneuen Duress. Das Wort Storm zierte die linke und rechte Bordwand direkt unter der Cockpitkanzel.
»Venice an Deacan. Bereit zum Sprung.«
»Dann los.«


Sekunden später verschluckte die Dunkelheit die beiden Schiffe...

*** end of novel I ***
 
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