Privateer - das Erwachen

part 20

*
Die CIS brauchte zehn Minuten, um den Tatort zu erreichen.
Deacan hatte inzwischen das Zimmer verlassen, stand draußen und wirkte völlig abwesend. Chyna hatte ihre Aussage gemacht, sie versuchte ihren Freund davor noch zu verschonen, da sie nicht sicher war, wie er reagieren würde.
Die Spurensicherung fand keinerlei wirklich brauchbare Hinweise. Fingerabdrücke gab es jede Menge, sie stammten aber hauptsächlich von Jake selbst. Die Aussage der Dame von der Rezeption brachte immerhin eine grobe Beschreibung des mutmaßlichen Täters.
Dummerweise besaß dieses Hotel keine Abhöranlage, zumal die Gesetze auf Crius solche Anlagen verboten. Und die Einhaltung dieser Gesetze wurde hier streng kontrolliert. Langsam aber sicher zogen die CIS-Mitarbeiter wieder ab.
Chyna hatte Manley und damit auch Hassan kontaktiert, Manley war bereits auf den Weg nach Crius, um die Ermittlungen persönlich zu leiten. Man hatte Jakes Leichnam auf eine Bahre gelegt und mit einem schwarzen Tuch verhüllt. Zwei Träger erschienen auf der Bildfläche, sie trugen den Toten aus dem Zimmer.
Chyna bemerkte Deacans Blicke, als die Bahre an ihm vorbei getragen wurde.
Sie ging auf den Privateer zu und zog ihn zur Seite.
„Weißt du, was das ist?“
Sie öffnete ihre Hand. Ein kleines Stück Metall kam zum Vorschein, es glänzte seltsam bläulich.
Deacan zeigte wenig Interesse daran.
„Netter Versuch, Chyna. Mal ehrlich, wo ist das her?“
„Dein Freund Jake hatte es in der Hand.“
Jetzt war Deacans Aufmerksamkeit wieder voll da.
„In seiner Hand?“
Er nahm das Stück in die Hand. Es wog fast nichts, die Oberfläche war spiegelglatt.
„Kurz bevor die CIS hier war, bemerkte ich, dass Jakes linke Hand zur Faust geballt war. Du warst dort drüben, am Fenster, um dich zu beruhigen. Also habe ich kurzerhand gehandelt.“
„Und ein Beweisstück vom Tatort entfernt.“
„Keine Angst, ich werde es Manley übergeben, vielleicht kann sie sich ja einen Reim darauf machen.“
„ Was soll das? Chyna, das ist doch nur ein Stück Metall.“
„Ach ja? Nun gut, und was sagst du dazu?“
Sie griff zu ihrem MACS.
„Mein Gerät hier besitzt einen Molekularscanner. Ich benutze ihn eigentlich nur, um meine Speisen zu checken, wenn ich mal außerhalb essen gehe.“
Sie aktivierte das Gerät, führte es über Deacans Hand, in der noch immer das Metallstück ruhte. Dann hielt sie ihm das Display unter die Nase.
„Was soll das? Scann negativ, Molekularstruktur unbekannt?“
„Ein Irrtum ist ausgeschlossen. Hab das Teil mehrfach durchgecheckt. Und Gegenproben gemacht. Fakt ist, der Scanner hier funktioniert einwandfrei.“
Deacan hielt das Metallstück gegen das Licht.
„Was genau spuckt den dein MACS über das kleine Teil hier aus?“
Chyna sah noch einmal auf ihr Gerät.
„Hör zu. Vier völlig unbekannte Komponenten. Nur die Elemente Blei und Kohlenstoff werden eindeutig identifiziert, sie sind aber nur in sehr geringen Mengen vorhanden.“
„Dann muss wohl unser Periodensystem der Elemente um ein paar Einträge erweitert werden.“
Innerlich war Chyna froh, das Deacan für kurze Zeit auf andere Gedanken kam.
Sie war sich aber sicher, das Jakes Tod noch sehr lange Nachwirkungen auf seine Handlungsweise haben würde, von seinem Verhalten gegenüber Anderen ganz zu schweigen.
Deacan verstaute den Metallsplitter in seinem MACS, genauer gesagt im Fach für die Ersatzspeicherzelle. Das war sowieso immer leer, Deacan lud das Gerät immer während seiner Flüge auf, jeder Jäger und Transporter besaß entsprechende Ladeterminals im Cockpit.
Danach drehte er sich noch einmal um und sah ein letztes Mal in Richtung von Jakes Zimmer. Das war seine Art von Abschied.
Wo auch immer du bist, ich werde dich nicht vergessen! Ich schulde dir was.
 
part 21

*
Obwohl die Direktion des Hesta-Hotels Deacan ein Zimmer anbot, noch dazu kostenlos, lehnte er ab. Er wollte nur so weit wie möglich weg von hier.
Stundenlang lief er mit Chyna durch die Innenstadt. Am Rande der Metropole entschied er sich für ein kleines Stundenmotel, in dem es auch eine kleines Restaurant gab. Lange hier bleiben wollte er sowieso nicht, er wartete nur auf Manley, hoffte auf einen ihrer Einfälle.
Um sich die Zeit zu vertreiben, sah er sich einen der vielen Nachrichtenkanäle des CCN an, außerdem ging er alle Angriffe von Piraten innerhalb der letzten sechs Monate durch. Die entsprechenden Daten hatte er sich zuvor aus dem Datennetz des Planeten auf sein MACS gezogen. Er hoffte, ein mögliches Schema zu finden, etwas das ihn weiter bringen würde. Eine Erklärung, warum sich die Dinge so entwickelt hatten.
Von den ehemals vier kleinen Piratenclans schienen zwei gewissermaßen die Führung übernommen zu haben.
Zum ersten war das der Papago-Clan, zum zweiten die Kiowan. Angriffe vom Jincilla-Clan oder vom Chirichan-Clan waren hingegen seltener geworden. Waren die letzteren zwei nicht mehr existent?
Ursprünglich besaßen alle vier Clans in etwa die gleiche Menge an Schiffen und Personal. Nur – niemand hatte übermäßig viele Piloten dieser beiden Clans ausgeschaltet. Und ein Berufswechsel war eher unwahrscheinlich. Einmal Pirat, immer Pirat. Sicher, es gab Ausnahmen. Aber doch nicht so viele.
Und was war mit dem großen Clan los? Hatte Ser Lev Arris noch immer die Kontrolle? Wenn ja, warum flogen dann seine Leute Seite an Seite mit den Kiowans? Vieles ergab einfach keinen Sinn.
Und je mehr Deacan darüber nachdachte, desto weniger glaubte er Zusammenhänge erkennen zu können. Entnervt schaltete er das Display aus.
Ruhe. Chyna saß nicht weit von ihm entfernt auf einer kleinen Couch, sie schrieb gerade auf ihrem MACS einen Brief nach Hause. Zwischen den Sätzen griff sie immer wieder nach einem Glas Wein, das sie sich vom Zimmerservice hatte bringen lassen.
Deacans Blick wanderte weiter, durch das offene Fenster nach draußen. Zwei der drei Sonnen von Crius waren am Himmel zu sehen, Reca, so der Name von Sonne Nummer drei, war vor zwei Stunden hinter dem Horizont verschwunden.
Die gegenwärtige Jahreszeit konnte man am ehesten Frühling nennen, selbst wenn die Temperaturen zum Teil über dreißig Grad lagen. Richtig warm würde es in etwa vier Monaten werden, dann stand das Quecksilber bei über sechzig Grad. Ein Zustand, der für fünf Wochen Bestand hatte. In dieser Zeit ging niemand hier auf die Strasse.
Das Türsignal liess Deacan aufhorchen. Es war knapp eine Stunde vergangen, seit Chyna mit Manley Kontakt aufgenommen hatte. Deacan stand auf und ging zur Tür.
„Ja?“
„Hier ist Manley, bitte machen Sie auf, Ser Tron.“
Er öffnete die Tür einen klein wenig. Durch den Türspalt erkannte er die Agentin sofort.
„Kommen Sie rein.“
Er stieß die Tür auf und machte eine einladende Geste. Manley nickte dankend, trat ein.
Deacan bot ihr einen Sitzplatz an und sie setzte sich schweigend. Ihren Aktenkoffer stellte sie neben sich ab.
„Ich möchte Ihnen sagen, wie leid mir das mit Ihrem Freund tut. Kannten Sie Ser Kenner gut?"
Der Söldner überlegte.
„Er war mein Flügelmann, etwa ein Jahr lang.“
„Ich verstehe.“
Manley suchte nach einer passenden Überleitung, fand jedoch keine.
„Ich habe während meines Fluges hierher einen ersten Bericht erhalten, auch schon erste Ergebnisse der Spurensicherung. Es dürfte Sie interessieren, dass wir fremde Fingerabdrücke gefunden haben. Wir gehen zur Zeit alle registrierten Personen durch, vielleicht finden wir ja eine Übereinstimmung.“
„Sonst nichts?“
„Die Tatwaffe gibt uns einige Rätsel auf. Zuerst dachten wir an eine scharfe Stichwaffe, wie einen Skalpell zum Beispiel. Die Untersuchung ergab jedoch etwas seltsames. Die Wundränder weisen starke Schäden durch Hitze auf.“
„Eine Laserwaffe?“
Manley schüttelte den Kopf.
„Ein Laser hätte auch das Gewebe in der Leiche angegriffen. Die Leiche hätte also großflächig Schäden in dieser Form aufweisen müssen. Was man auch immer hier verwendet hatte, es ist neu. Und wird garantiert nicht medizinisch angewandt.“
Deacan schloss kurz seine Augen. Jakes Gesicht tauchte wieder auf...
Er riss sich von diesem Bild wieder los, dann griff er zum MACS und holte den blauen Metallsplitter hervor.
„Neue Waffen, neue Materialien. Chyna hat das in Jakes Zimmer gefunden. Es enthält unbekannte Komponenten. Wir sind mit unseren Latein am Ende, aber ihr Team hat andere Möglichkeiten, um Sie mal kurz zu zitieren.“
Manley zog ihre Augenbrauen hoch, nahm das Metallstück in die Hand.
„Sie wissen, dass man Beweise nicht vom Tatort entfernt.“
„Sagen Sie das nicht mir, sonder ihr.“
Deacan zeigte auf Chyna, die ihre Zunge als Antwort kurz heraus streckte.
„Nein, wie liebreizend. Ist die immer so frech? Ich dachte immer, das wäre meine Art.“
„Wie sich die Dinge doch ähneln, nicht wahr.“
Manley zog eine Grimasse. Dann steckte sie den Metallsplitter ein, machte sich kurz ein paar Notizen. Deacan hatte aber noch ein paar Fragen.
„Wenn ich Sie um einen großen Gefallen bitten würde, könnten Sie mir dann helfen?“
Manley sah von ihrer Arbeit auf.
„Hängt davon ab.“
„Ich brauche einen Frachter.“
„Für fünfzig Credits können Sie einen mieten.“
Deacan lehnte ab.
„Ich will keinen Handel betreiben, Manley. Aber ein Transporter vom Typ Ilia könnte beispielsweise zum Hangar für die Duress umfunktioniert werden. Verstehen Sie jetzt?“
Manley überlegte kurz, dann willigte sie ein.
„Sie wollen also unauffällig reisen, ja? Nun, ich muss zugeben, dass wir in der Tat schon einige Frachtschiffe zu kleinen Trägern umgebaut haben. Gut, ich veranlasse das Nötige. Darf ich den genauen Grund für diesen Wunsch erfahren?“
„Jakes MACS wurde wahrscheinlich abgehört, sowohl die Sendeanlage im Gerät selber als auch das Terminal in seiner Maschine. Ich brauche also einen geschützten Sender. Und den gibt’s nur an Bord von Transportern oder Raumbasen.“
„Gut, das ist ein Grund.“
Manley verstaute ihre Notizen im Aktenkoffer. Dann stand sie auf, nahm den Koffer unter den Arm.
„Ser Hassan erwartet meinen Bericht, ich muss gehen. Wenn Sie mich brauchen, wissen Sie ja, wie Sie mich erreichen.“
Mit schnellen Schritten ging sie in Richtung Tür.
Dann schien ihr jedoch noch etwas einzufallen, sie drehte sich noch einmal kurz um.
„In zwanzig Minuten dürften Sera Tasker und Sera Banks hier landen. Hier.“
Sie warf Chyna einen Speicherchip zu.
„Die Aufgabe, die wir für die beiden ausgearbeitet haben. Sie arbeiten an einer Sache, die mit Ihren Problemen zu tun hat. Wir haben einen Maulwurf bei den Papagos, der Informationen für uns hat. Die beiden werden ihn treffen. Haben Teanna und Ivy Erfolg, dann sind auch Sie einen Schritt weiter.“
„Großartig. Manley, ich fange an, Sie zu mögen.“
„Ich weiß. Also dann, man sieht sich.“
Manley öffnete die Tür, dann verließ sie den Raum. Deacan sah auf Chyna, die den Speicherchip noch in der Hand hielt.
„Also, was haben unsere zwei Hübschen denn so vor am heutigen Tag?“
„Moment, ich habe es gleich.“ Chyna griff zum MACS.
 
part 22

*
„Wir fallen jetzt aus dem Hyperraum, Schilde auf Maximum.“
Die kleine Skecis jagte an der Jumpboje vorbei. Teanna und Ivy hatten sich eher widerwillig auf den Weg nach Crius gemacht. Widerwillig aus zwei Gründen. Zum einen, weil der CIS sie dazu verpflichtet hatte, zum anderen, weil sie Crius nicht mochten.
Dieser Planet war so sauber, hatte so viele Verbote, es konnte einem schlecht werden beim bloßen Gedanken daran. Das wirklich blöde aber wahr, dass keiner kommen und behaupten konnte, er habe keinerlei Kenntnis von den Gesetzgebungen auf Crius gehabt.
Die Regierung auf Crius hatte vor gut zwanzig Jahren per Gesetz bestimmt, dass jeder der auf Crius landen wollte, neben den Daten für die Landeerlaubnis auch eine Kopie der Gesetze und Regeln für das Verhalten auf diesem Planeten kostenlos zugesandt bekam.
Mit anderen Worten, Crius müllte die Speicher der Raumjäger damit zu, die anschließend wieder mühevoll von den Piloten gesäubert werden mussten. Nun, ehrlich gesagt dauerte diese Prozedur selten länger als eine halbe Stunde, trotzdem ging wertvolle Zeit verloren. Auf der Beliebtheitsskala lag Crius deshalb irgendwo ganz weit unten, zumindest bei den Privateers. Händler fanden den Planeten hingegen geradezu göttlich, die Geschäftsmöglichkeiten waren hier fast grenzenlos.
Der Raum um Crius schien noch immer leer zu sein, Teanna führte trotzdem einen Scann der Umgebung durch. Man wusste ja nie, ob sich nicht der eine oder andere Pirat in der Nähe herum trieb.
Und Bingo!
Eine ältere Tacon flog in eintausendvierhundert Kilometern Entfernung mit niedriger Geschwindigkeit herum, sie schien wohl auf andere Schiffe zu warten, möglicherweise auf ein Shuttle des dazugehörigen Clans.
Für Teanna war das Schiff gleichbedeutend mit einem Scheck über fünfzig Credits, vorausgesetzt, sie würden das Teil abschießen. Also änderte sie den Kurs und steuerte direkt auf die Tacon zu. Der gegnerische Pilot schien überhaupt keine Notiz von der anfliegenden Skecis zu nehmen, er zog weiterhin seelenruhig seine Bahnen. Ivy hatte die Absichten von Teanna bemerkt.
„Aha, da fliegt unser Frühstück für die nächsten paar Wochen.“
Die Pilotin ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Sie aktivierte die Zielaufschaltung.
„Noch vierhundert Clicks bis zum Ziel. Festhalten und Rübe einziehen, es kommt Wind auf!“
Teanna wartete, bis sie auf dreihundert Clicks an den Gegner heran war, dann feuerte sie mit allem, was sie hatte. Die ersten Schüsse streiften die Tacon nur, der Pilot schien seine Ruhephase zu verlassen, er versuchte sich mit Hilfe seines Nachbrenners aus der Schusslinie zu ziehen.
Teanna blieb aber dran. Im Prinzip war sie der Tacon überlegen, wenn nichts dazwischen kam. Die Schilde der Tacon wurden langsam schwächer, Teanna sah sich schon am Ziel.
Die ganze Sache hatte aber einen kleinen Schönheitsfehler. Denn die Tacon wartete wirklich auf jemanden.
Und dieser jemand sprang jetzt ins System. Die Besatzung der Skecis sah sich plötzlich nicht nur mit der Tacon konfrontiert, da waren noch zwei Shuttles. Jedes mit einem Abwehrturm bestückt. Wer schon einmal in die Schusslinie eines Shuttles gekommen war, der wusste ganz genau, wie man sich in einen solchen Moment verhalten musste.
Abstand! Und dann mehrfach frontal anfliegen, dabei feuern und sofort per Nachbrenner wieder Abstand gewinnen. Teanna kannte diese Taktik sehr genau. Nur wollte sie die angeschlagene Tacon nicht laufen lassen. Also blieb sie weiter am Ball.
Der Taconpilot machte das einzig richtige, er versuchte in die Nähe der Shuttles zu kommen, dort hatte er Schutz vor Teannas Jäger. Die Zeit wurde langsam knapp, die Shuttles kamen unaufhaltsam näher.
„Los, nun mach schon.“
Teanna schien ihre Bordkanonen anzufeuern. Die zwei Voltlaser und der einzelne Mark II Streamlaser deckten die Tacon mit einem regelrechten Feuerregen ein.
Teanna bemerkte, dass die Geschütztürme der Shuttles sich drehten, sie zielten jetzt in ihre Richtung! Sie schickte dem gegnerischen Jäger eine Snipe-Rakete hinterher. Der Abstand war zu gering, die Tacon konnte gar nicht ausweichen. Das Geschoss schlug knallhart in das Heck der Maschine ein, riss die Triebwerke auseinander. Steuerlos jagten die Überreste der Tacon auf die Shuttles zu.
Ausweichen?
Keine Chance! Mit Tempo dreihundert schlug das Wrack in den Bug eines der Shuttles ein. Die Schilde dort wurden empfindlich geschwächt, Teanna erkannte die Situation sofort und nutzte sie zu ihrem Vorteil aus.
Die Energiestrahlen aus ihren Bordwaffen schlugen in den Bug des Schiffes ein, nur wenige Salven genügten, um die Schilde dort auf Null zu reduzieren. Dann lösten sich die Panzerplatten in Wohlgefallen auf. Das zweite, unbeschädigte Schiff versuchte, um den angeschlagenen Kollegen herum zu steuern, um an ihm vorbei auf das Söldnerpärchen feuern zu können. Auf Grund seiner geringen Geschwindigkeit brauchte dieses Manöver jedoch seine Zeit.
Zeit, in der man dem Shuttle so viel Schaden wie möglich zufügte. Flammen schlugen aus dem Rumpf, im Inneren musste ein wahres Inferno toben.
Teanna feuerte eine weitere Snipe ab, die locker die Panzerung durchschlug und im Schiff selbst explodierte. Während sie abdrehte, konnte man einen langen Riss erkennen, der sich um das ganze Schiff herumzog und größer wurde.
Eine Schockwelle und gleißendes Licht verkündeten die Vernichtung des Shuttles.
Nur noch einer.
Teanna hielt sich an das Taktikhandbuch, sie flog drei- oder viermal hintereinander das Schiff an, feuerte dann jedes Mal mit allen Waffen. Obwohl ihre Maschine mehrfach getroffen wurde, regenerierten sich ihre Schilde sofort wieder. Das Shuttle hingegen benötigte zu lange dafür. Der Ausgang dieses Gefechtes stand damit fest, nur kurze Zeit später deutete nichts mehr darauf hin, dass hier einmal ein Gefecht stattgefunden hatte. Lediglich ein paar Trümmer schwebten still durch den Raum.
„Zweihundertfünfzig Credits in nur zehn Minuten. Sind wir gut oder sind wir gut?“
Teanna reichte die Hand über ihre Schulter nach hinten, Ivy schlug ein.
„Yeah! Das Dreamteam. Wir sollten jetzt aber besser kehrt machen. Du weißt doch noch von unserer blöden Verpflichtung.“
Die Pilotin verdrehte die Augen.
„Ivy, du musst noch an deinem Timing arbeiten. Gerade eben hatte ich richtig gute Laune.“
„Sorry! Aber wir sind nun mal nicht zum Vergnügen hier.“
Teanna sah nach hinten.
„Meine Liebste. Wer sagt denn, dass man das eine nicht mit dem anderen verbinden kann, mh? Wenn ich sage, dass wir Spaß haben werden, haben wir eben Spaß.“
Ivy lehnte sich weit in ihrem Sitz zurück.
„Und? Was werden wir heute haben?“
„Spaß! Und wenn ich dafür töten muss.“
„Wird sicher ein heiterer Tag.“
Ivy sah nach vorne, ihrer Freundin über die Schulter. Crius kam näher, im Headset konnte sie jetzt bereits die Stimme der Bodenkontrolle hören.
„Haben Sie auf unseren Schirm. Übermitteln Ihnen jetzt Koordinaten für Landeanflug. Einen schönen Tag noch.“
„Ja, mein Süßer, du mich auch.“
Die Skecis tauchte in die Atmosphäre ein. Während einige Turbulenzen die Skecis leicht durchschüttelten, legte Teanna ihre Füße auf die Steuerkonsole.
„Weißt du, was ich gerne mal wissen möchte, Ivy? Was meinst du, sehen die Typen von der Bodenkontrolle so beschissen aus, wie ich das denke?“
„Viel, viel schlimmer! Darum werden sie ja weggesperrt und müssen ihr Leben in einer muffigen Kontrollstation fristen.“
„Klingt ja fast so, als würdest du aus Erfahrung sprechen.“
„Tja, du weißt eben nicht alles über mich.“
Teanna nahm ihre Füße wieder runter, die Landebuchten kamen in Sichtweite.
„Ivy, wir sollten uns mal dringend über deine Vergangenheit unterhalten. Von wegen, Leute von Terrel sind normal und stinklangweilig.“
„Nein, sie sind extrem gewalttätig, mordlustig und schadenfroh.“
Die Söldnerin lächelte.
„Dann bin ich ja in perfekter Gesellschaft, meine liebste Ivy.“
Teanna fuhr das Fahrwerk der Skecis aus, langsam glitt die Maschine in den Hangar und setzte auf.
„Willkommen in der Hölle, Ivy.“
Das Cockpit schwang auf, Teanna und Ivy erhoben sich aus ihren Sitzen. Ein Techniker schob eine kleine Leiter an den Jäger. Als Teanna wieder festen Boden unter den Füssen spürte, rümpfte sie erst mal die Nase.
„Riechst du das auch?“
Ivy kletterte nach unten.
„Was hast du erwartet? Hier wird sogar der Hangarboden mit Desinfektionsmitteln geschrubbt!“
Ivy öffnete ihren Rucksack, holte eine kleine Sprayflasche heraus.
„Hier, damit dürften wir die einzigen Menschen auf Crius sein, die anderes riechen.“
Teanna zögerte nicht lange, und schließlich umhüllte eine starke Wolke aus Blumenduft ihren Körper.
„Ich hoffe, das Zeug hält eine Weile vor.“
Ivy nickte.
„Klar, ist doch auf Hermes produziert worden. Und da stinkt es auch gewaltig. Zwar nicht so wie hier, so eklig sauber.“
„Gut. Wo sollten wir noch mal hin?“
Ivy griff zum MACS.
„Warte, ich habe es gleich. Mattan-Hotel. Ist etwa zwanzig Minuten entfernt, zu Fuß versteht sich.“
„Dann mal los.“
Der Techniker, der mittlerweile die Leiter wieder wegbracht hatte, kam zurück und hielt den beiden ein kleines Gerät mit Display unter die Nase.
„Wenn Sie bitte Ihre Landung bestätigen würden.“
Teanna setzte ihren Daumenabdruck auf das Display, dann wandte sie sich wieder Ivy zu.
„So ein Schwachsinn. Ich meine, der Typ hat doch gesehen, dass wir gelandet sind, oder?“
„Ist doch egal. Denk nur mal, wie viele Bürokraten du jetzt glücklich gemacht hast, Teanna. Dein Fingerprint geht jetzt zur Zollbehörde, von dort zur CIS und schließlich noch zur CCN.“
Teanna reagierte nicht auf Ivys Bemerkung. Für sie war das hier Zeitverschwendung, auch wenn die CIS anderer Meinung war. So richtig eilig hatten es die beiden aber nicht. Ihr Treffen fand erst in ein paar Stunden statt, so das sie genug Zeit hatten, Crius unsicher zu machen.
 
part 23

*
Sozusagen am anderen Ende des Tri-Systems beobachtete man Deacan und seine Bemühungen sehr, sehr genau.
Irgendwo da draußen, auf einem kahlen Stück Fels im All, wartete ein Mann auf seine Stunde. Er hatte viel riskiert und dabei viel verloren.
Das Versteck im Fels war schon seit Jahren nicht mehr benutzt worden, sein Vater hatte es angelegt, um ihn für eine gewisse Zeit darin zu verstecken. Er hätte nie geglaubt, es jemals wieder benutzen zu müssen.
Allein saß er in seinem Raum, bis jemand kurzerhand die Tür öffnete.
„Ser, dürfte ich Sie stören?“
Der angesprochene Mann hob kurz den Blick, dann winkte er seinen Gast zu sich an den Tisch.
„Ser, es geht um die Kiowans.“
„Was hast du für mich?“
Unsicher kam die Antwort.
„Ser, ich glaube, dass sie zufällig an die Technologie gekommen sind, die sie jetzt gegen uns einsetzen.“
„Gott, dann vernichtet sie!“
„Wir geben unser Bestes, Ser. Aber sie werden von Tag zu Tag stärker. Wir schaffen es nicht einmal mehr, gegen die Abtrünnigen vorzugehen. Wir brauchen Hilfe.“
„Hast du da jemand bestimmtes im Sinn?“
„Nun, Ser, dieser Mann ist vermutlich der selben Sache auf der Spur wie wir. Wir dachten erst, dass er bei einen Gefecht im Orbit von Hades ums Leben gekommen sei, nun hat aber einer unserer Informanten bestätigt, dass er für Hassan arbeitet. Er wäre sicher eine große Hilfe, zumal er ein hervorragender Pilot ist und gute Verbindungen hat.“
Der Mann legte ein Blatt Papier auf den Tisch, drehte es so, das sein Gegenüber es lesen konnte.
„Gut, machen sie meine Fähre klar. Wo ist er jetzt?“
Er wies mit der Hand auf das Gesicht, das auf dem Papier gedruckt worden war.
„Auf Crius, Ser. Er besucht dort einen Freund, der ebenfalls an der Sache arbeitet.“
„Danke. Du kannst gehen.“
Nach einer demütigen Verbeugung verließ der Mann den Raum wieder, leise schloss er die Tür. Drinnen hob der andere das Papier hoch und las den Text.
„Tron, Deacan Tron. Es wird mir eine Ehre sein, Sie kennen zu lernen.“
Dann lehnte er sich in seinen Stuhl zurück, faltete die Hände wie zum Gebet. Sein Gesichtsausdruck verriet, dass er angestrengt nachdachte.
 
Great... Amazing... WOW!!!


~German~

Also ich bin ehrlich, ich habe noch nie eine Fan-Fiktion aus dem WC/Priv Universum gelesen, dies ist also mein Erstlingswerk, liegt wohl auch daran, weil ich keine andere deutsche Story aus dem WC/Privateer Universum kenne ;)

Also mir gefällt die Story wirklich sehr gut, ich schreibe selbst Fan-Fiktion (leider noch nicht zu WC und Privateer), aber da muss ich neidlos anerkennen, gegen dich habe ich (noch :D) keine Chance.

Diese Story ist einfach irre und hätte es wirklich verdient im Buchladen zu stehen, aber zum Glück für uns Leser :)p) gibt es diese Story kostenlos.
 
part 24

*
Deacan war eingeschlafen. Und zwar im Sessel sitzend und komplett bekleidet.
Chyna wollte ihn nicht wecken, leise schlich sie sich an ihm vorbei. Sie wollte nur kurz eine Essenbestellung machen, ihr Magen begann sich nämlich zu melden. Schnell gab sie ihre Bestellung an die Küche durch, dann schaltete sie den Übertragungskanal vom CCN ein.
Langeweile tot schlagen. Sie drehte die Lautstärke herunter, wollte Deacan nicht stören. Wirtschaftsdaten, na toll. Kanalwechsel. Und es wurde interessant.
„Deacan, das musst du sehen!“
Unwillig hob der den Kopf.
„Was ist?“
„Dein Freund Ricards ist in den Nachrichten.“
Ricards? Sofort war Deacan munter, er eilte zu Chyna ins Nachbarzimmer.
„Mach lauter, Schatz.“
Der Privateer konnte einfach nicht glauben, was er damit anhören musste.
„Die Söldner unter Ser Ricards, besser bekannt unter den Namen White Wolfs, gaben heute die Erklärung ab, dass man ab sofort jeden Kiowan verschonen würde, der sich bereit erklärt, für die Gruppe zu arbeiten oder zumindest kein Mitglied der Gruppe angreifen würde.
Diese Erklärung wurde von Senator Angus Santana bewilligt und auch bestätigt. Die CCN legte heftigen Widerspruch ein, da es weder einen formellen Waffenstillstand noch eine Erklärung seitens der Kiowans gab, in der eindeutig gesagt wird, dass sie dieser Zusammenarbeit zustimmen und damit auch alle Angriffe auf Frachtschiffe oder Shuttles einstellen werden.
Zeitgleich gab der Vorstand der Söldnergilde bekannt, dass alle Kopfgelder, die noch auf Kiowan-Piloten ausgesetzt sind, keinerlei Gültigkeit mehr für die Gildepiloten haben.
Die CIS erklärte, dass es ihr unmöglich sei, sich in die Ereignisse einzumischen, da es hierbei um die Gesetze der Gilden gehen würde. Trotzdem erklärte der Chef der CIS Truppen, Ser David Hassan, dass seine Streitkräfte nach wie vor auf jeden Kiowan das Feuer eröffnen werden. Er drückte außerdem sein Unverständnis gegenüber Senator Santanas Einwilligung für Ser Ricards Vorschlag aus.
Wörtlich sagte er: Wer sich mit solchen Leuten einlässt, ist keinen Deut besser als sie. Zahlreiche freie Privateers wollen sich dem neuen Vorschlag von Ser Ricards nicht anschließen, sie halten ihn schlichtweg für einen Verräter. Es sieht so aus, als würden schon sehr bald Privateers gegen Privateers antreten.
Sollte dies eintreten, würde es einen Konflikt zur Folge haben, wie er sich noch nie zuvor im Tri-System ereignet hat.
Dies ist ein schwarzer Tag für uns alle.“
Langsam begriff Deacan.
Aber ja. Wenn Santana die Kiowans unter seine Kontrolle haben würde, und die wichtigste Söldnergilde noch dazu, dann hätte er zwei Machtinstrumente in der Hand.
Vermutlich wusste er von der neuen Technologie der Kiowans, vermutlich ahnte er, dass die Gilden nicht mehr lange leben würden, wenn die Kiowans diese Technologie massiv einsetzten.
Es ergab alles Sinn. Das heißt- nicht so ganz.
Wieso brachte Ricards die Zusammenarbeit mit den Kiowans an die Öffentlichkeit?
War er übergeschnappt? Größenwahnsinnig? Oder steckte noch etwas anderes dahinter?
Immerhin hatten die Kiowans der ganzen Sache noch nicht einmal zugestimmt. Sie wussten aber jetzt genau, sie brauchten nur ab und zu der Gilde einen kleinen Tipp zu geben, wo gerade ein schmutziger Deal stattfand, und sie würden völlig ungeschoren davon kommen.
Tolle Aussichten. Deacan vermutete, dass Ricards selbst nur an der Technologie interessiert war, genauso wie Santana. Das war wohl auch der Grund, weshalb der Senator Kiowans um sich scharrte.
Das Ganze kam einen Rennen gleich, derjenige, der zuerst die Technologie in die Finger bekam, stand auf der Seite der Gewinner.
„Schalt das bitte ab, ja?“
Chyna gehorchte.
„Was denkst du?“
Sie sah Deacan sehr intensiv an.
„Das Tri-System wird brennen. Das Chaos ist vorprogrammiert.“
„So schlimm?“
„Überlege doch mal. Keine Kopfgelder für Kiowans, das kommt einem Freibrief gleich. Wenn es hart auf hart kommt, könnte es sogar passieren, dass unsere eigenen Männer auf uns feuern, wenn wir gerade einen Kiowan im Visier haben.“
„Irgendeine Idee?“
„Noch nicht. Wir sollten aber besser nicht allzu lange hier bleiben.“
Chyna nickte kurz. Der Türsignal lenkte ihre Aufmerksamkeit jedoch in eine andere Richtung.
„Futter fassen.“
Mit diesen Worten öffnete sie die Tür und nahm dem Etagenkellner das Tablett ab.


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...thanks, deepstar. But wait until you see the second novel, a member from this forum - Jacob Hudson - enjoyed a few chapters and he was speechless...
 
part 25

*
Fast hätten sie die Zeit verpasst.
Aber eben nur fast. Teanna und Ivy stöberten stundenlang in diversen Geschäften herum.
Crius war eben auch das schlagende Herz der kompletten Bekleidungsbranche des Tri-Systems, was man hier kaufen konnte, das war einfach „In“. Zum Glück hatte Ivy ihr MACS so programmiert, dass es noch rechtzeitig Alarm auslöste und somit an das geheimnisvolle Treffen erinnerte.
Im Eiltempo erreichten sie ihr Ziel, das Mattan-Hotel. Nach außen ein Prachtbau, die Fassade war über und über mit Stuck überzogen, edle Hölzer umrahmten die Fenster, und die Türgriffe schienen mit Gold überzogen zu sein.
Unsicher traten sie ein, sahen sich erst einmal um. Und wurden sofort scharf beobachtet. Ein älterer Mann, vielleicht fünfundfünfzig Jahre alt, kam auf sie zu.
„Na, ihr Süßen. Wie viel?“
Was für ein Empfang! Sahen sie so billig aus?
„Opa, das schafft du eh nicht mehr.“
Ivy machte es noch deutlicher.
„Zieh Leine, oder wir helfen nach.“
So leicht wollte der Kerl aber nicht aufgeben.
„Zweihundert? Für jede von euch.“
Teanna sah sich um. Und schließlich eine Möglichkeit, das ganze auf die beste Art und Weise zu beenden.
Sie rückte ihr Oberteil zurecht, legte einen verführerischen Blick auf und dirigierte den Typen rückwärts in die gewünschte Richtung, bis sie schließlich vor einem der Aufzüge standen.
Ivy hatte verstanden, was ihre Freundin vor hatte. Sie öffnete die Lifttür, Teanna stieß den Mann sanft hinein, der sich wohl schon am Ziel sah. Dann griff sie sich seine Krawatte. Sie fand die Dinger scheußlich und nutzlos, zumindest war es bis jetzt so.
„Na, mein Süßer, wetten dass dir die Luft weg bleibt, wenn wir erst mal in Fahrt kommen?“
Ivy kam hinzu.
„Komm, schließ die Augen und genieß es.“
So blöd, wie er aussah, war er schließlich auch. Denn kaum waren seine Augen zu, schloss Teanna die Lifttür und schickte den Aufzug in die vierte Etage. Sie behielt dabei die Krawatte in der Hand.
Rums!
Die Behelfsschlinge um seinen Hals zog sich zu und riss den Besitzer zu Boden. Teanna zog noch einmal kräftig dran, dann ließ sie los und sah den Binder nach oben verschwinden.
„Gute Nacht, Trottel.“
Sie hauchte ihm einen Kuss hinterher. Dann drehte sie sich um und ging zur Rezeption.
Hier war keiner zu sehen, allerdings stand eine kleine Handklingel einsam und verlassen auf dem Tisch. Das wollte Ivy schon immer mal machen. Teanna aber auch. Nämlich mal auf den Putz, ähm nein - die Klingel hauen, wenn sich schon mal die Möglichkeit ergab.
Das Ergebnis war ein kleines Klingelkonzert in der Vorhalle, reichlich unmusikalisch zwar, aber trotzdem mit einem gewissen Unterhaltungswert. Die beiden schienen einen kleinen Wettkampf auszufechten, Ziel war es, es so oft wie möglich die Klingel erschallen zu lassen.
Der Empfangschef des Hotel erschien, Teanna und Ivy bemerkten ihn erst gar nicht, zu sehr waren sie in ihre kleine Kabbelei vertieft. Der Mann sah etwa eine halbe Minute zu, dann langte er über den Tisch und nahm den beiden ihr Spielzeug ab.
„Nun, da sie sich davon überzeugt haben, das unsere Klingel noch funktioniert, kann ich ihnen da irgendwie weiter helfen?“
Er legte die Klingel wieder auf ihren alten Platz zurück.
„Ich hoffe es mal. Wir suchen Ser Stan Furlong.“
Ohne großartig nachsehen zu müssen, gab der Mann Auskunft.
„Zimmer 402.“
„Danke vielmals.“
Teanna und Ivy gingen in Richtung Lift, der Mann verschwand wieder in einen kleinen Raum gleich hinter der Rezeption. Kaum war der Lift da und öffnete die Tür, sprintete Teanna noch einmal zum Tisch, schlug mit aller Kraft drei- oder viermal auf die Klingel, raste zurück zum Lift, der hinter ihr die Türen schloss.
Im Lift brachen sie dann in lautes Gelächter aus, schöner konnte der Tag nicht mehr werden.
Oben angekommen, stolperten sie fast über den Kerl, den sie erst vor kurzen etwas tiefer gelegt hatten und der noch immer ohne Bewusstsein vor dem Lift herum lag. Er war wohl beim Erreichen der Etage aus dem Lift gefallen... Ivy zeigte mit dem Finger auf ihn.
„Eigentlich bekommen wir ja noch Geld von ihm. Ich meine, sieh ihn dir an. Wir waren so gut, dass er sich erst einmal hinlegen musste. Du hattest ihm doch versprochen, das ihm die Luft weg bleiben würde oder?“
Teanna winkte ab. Der Kerl war im Moment uninteressant.
„Zimmer 402, dass ist da drüben, liebste Ivy.“
Vorsichtig klopfte Ivy an die Tür. Sofort wurde diese geöffnet, jemand blickte durch einen kleinen Spalt auf Söldnerduo.
„Ja?“
Teanna überlegte kurz. Was sagte man, wenn man im Auftrag der CIS unterwegs war?
„Onkel Hassan schickt uns. Wir sollen das Päckchen abholen.“
„Bitte wer?“
„Wir kommen im Auftrag der CIS, Sera Manley sagte uns, dass Sie etwas für uns hätten.“
„Sind Sie allein?“
„Nein, wissen Sie, im Lift warten noch mal einhundert von unserer Sorte - natürlich sind wir allein, können sie das nicht sehen?“
Teanna wurde langsam ungehalten.
„Also, was ist?“
Endlich wurde die Tür geöffnet, man bat sie herein und endlich konnten sie einen Blick auf den geheimnisvollen Überbringer der noch geheimnisvolleren Sache werfen.
Tja, sie hatten ehrlich gesagt mehr erwartet. Der Typ sah aus wie ein Bürohengst in den Ferien. Anzug aus teuerem Material, Vergoldete Brille und hässlich wie die Nacht. Nein, die Nacht war doch irgendwie schöner, das hier war eher eine Beleidigung für das menschliche Auge.
Der Typ war sichtlich nervös.
„Sera Tasker und Sera Banks?“
„Ganz recht.“
„Bitte den Chip.“
„Sie meinen das Teil mit unserem Auftrag drauf?“
Der Mann nickte. Tja, wo war das blöde Ding nur? Ivy begann die Suche zuerst in ihren Hosentaschen, dann in ihrem Rucksack. Nichts. Dann fiel ihr wieder ein, wo sich das Teil befand...
„Teanna, du trägst es bei dir.“
Sie deutete mit ihrer Hand auf ihre Brust. Teanna schlug sich leicht mit der Hand vor die Stirn.
„Aber ja, liebste Ivy. Wenn ich dich nicht hätte.“
Mit flinken Finger griff sie sich vorne in die Korsage und zauberte den Chip hervor. Der Mann nahm ihn an sich. Dann griff er in seine Innentasche, holte einen kleinen verschlossenen, grauen Behälter hervor, der locker in eine Hand hinein passte.
„Hier, passen Sie gut darauf auf. Denken Sie daran, der Inhalt ist nicht gerade ungefährlich.“
Das wollte Ivy jetzt aber genauer wissen.
„Wie meinen Sie das? Mutieren wir wie wild vor uns hin, wenn das Teil mal offen ist?“
„Aber nicht doch, so war das nicht gemeint. Nein, der Inhalt reicht aus, gewisse Veränderungen hier im Tri-System auszulösen. Verstanden?“
„Na gut. Wir nehmen es. Und es geht nicht hoch, versprochen, ja?“
„Ich versichere Ihnen, es kann eigentlich nichts passieren. Lassen Sie nur niemanden das Teil sehen, das ist alles.“
Er ging zur Tür, öffnete sie.
„Vielen Dank, für alles.“
Teanna und Ivy verließen wortlos den Raum. So richtig beruhigend waren die Worte des Mannes nicht gewesen, eher im Gegenteil. Hoffentlich meldete sich Sera Manley rasch bei ihnen und nahm das Teil an sich.
So schnell es ging verließen sie das Hotel. Manley hatte ihnen nicht gesagt, wohin sie zu gehen hatten, also beschlossen sie, noch ein wenig durch die Geschäfte zu ziehen und vielleicht noch die eine oder andere Kneipe zu besuchen.
Spätestens morgen früh wollten sie aber Crius verlassen. Soviel stand fest. Zunächst blieben sie aber vor dem Hotel stehen, Teanna verstaute den Behälter wieder am Körper.
„Und Ivy, wie fühlst du dich als Agent im Auftrag der CIS?“
„Beschissen. Komm schon, hauen wir endlich von hier ab.“
Sie drehten sich um und sahen etwas großes, dunkles, das an ihnen vorbei fiel. Es landete genau vor ihren Füssen. Nein, besser gesagt: es schlug vor ihnen auf.
„Teanna, siehst du, was ich da sehe?“
Mit ihren Fuß stieß Ivy gegen das leblose Bündel, dann bemerkte sie, dass es ein Mensch war. Der Anzug, diese Brille... Ser Stan Furlong! Was sollte das? Teannas Blick ging nach oben, in die vierte Etage des Hotels. Sie sah eine Gestalt am Fenster, schwarz gekleidet, die sofort verschwand, als sie bemerkte, dass Teanna sie sehen konnte.
Furlong war nicht selbst gesprungen, er war gestoßen worden. Blut strömte aus seinem Körper auf dem Asphalt. Ivy griff dem Mann ans Handgelenk. Kein Puls. Die unnatürliche Lage des Kopfes konnte nur eines bedeuten, das Genick war gebrochen. Und jetzt? Gute Frage.
„Teanna, wir sollten so schnell wie möglich von hier verschwinden. Sonst sind wir die nächsten.“
Die Söldnerin nickte nur.
„Ich verstehe, was du damit meinst.“
Die Sache war nicht mehr lustig. Beide standen auf und begannen zu laufen. Richtung Hangar. Nur weg von hier.
 
...today a bit earlier, but I have a lot of work to do...

part 26

*
Nicht nur Teanna und Ivy hatten die Nase gestrichen voll von Crius, auch Deacan und Chyna wollten sich nicht länger hier aufhalten.
Deacan hatte nur noch gewartet, dass Chyna ihr Essen in Ruhe verzehrt hatte. Danach brach man auf. Das Ziel war eher unwichtig. Auf dem Weg zum Hangar bat Chyna ihren Partner darum, sie kurz beim CCN-Terminal abzusetzen.
Sie hatte vor, ihren Jäger, der noch immer auf Hermes stand, zu verkaufen. Wozu brauchte sie das Teil denn überhaupt noch?
Deacan besaß doch eine Maschine. Und selbst wenn sie wieder getrennte Wege gehen würden, wäre es kein Problem, eine neue Maschine zu kaufen.
Im Handelszentrum von Crius war es brechend voll. Chyna wollte die Sache aber hinter sich bringen, Deacan gab ihr zu verstehen, dass er draußen warten würde. Widerstrebend stimmte sie zu.
Da Deacan sich aber bereit erklärte, noch Proviant zu holen, war sie schließlich einverstanden.
Während Chyna sich durch die Menschenmassen drängte, wurde Deacan bereits beobachtet. Er war gerade in einem der unzähligen Märkte verschwunden und durchschritt gemächlich die Hallen, griff sich hier und dort mal etwas aus den Regalen.
Das Bezahlen hier war simpel. Alle Waren, die er mit raus nahm, wurden automatisch registriert und von seinem Konto abgebucht. Diebstahl war schlichtweg unmöglich geworden. Das ausgeklügelte Sensorensystem ließ sich nicht überlisten.
Vollbepackt verließ der Privateer den Markt wieder. Am Ausgang versperrte ein wahrer Schrank von einen Mann ihm den Weg. Höflich bat Deacan ihn doch, zur Seite zu treten.
Statt dessen öffnete der Mann seinen Mantel. Im Hosenbund steckte ein Blaster.
„Kommen Sie bitte mit, unauffällig. Und machen Sie keinen Ärger.“
„Was wollen Sie?“
„Ich nichts. Jemand anderes will Sie aber sprechen. Los!“
Er wies mit der Hand in Richtung Hangar. Das war unmissverständlich. Im Eingangsbereich blieb man stehen.
„Und wohin jetzt?“
„Das Shuttle, da drüben.“
Wortlos ging Deacan darauf zu. Das Eingangsschott stand offen, er trat hinein. Niemand war zu sehen.
Als er das Schott hörte, wie es sich schloss, glaubte er sich in der Falle. Jedoch öffnete sich die Tür zum Cockpit, ein Mann kam heraus und setzte sich auf die Sitzbank im Frachtraum.
Wortlos, nur mit Gesten wies er Deacan an, sich doch ebenfalls zu setzen. Dieser folgte der Einladung, dann nahm er den Mann in Augenschein. Er schien noch recht jung zu sein, schätzungsweise fünfunddreißig.
Kurzes Haar, ein ziemlich markantes Gesicht dazu. Deacan glaubte nicht, dass er ihn schon mal irgendwo gesehen hatte. Seine Kleidung war die eines Privateers.
„Wissen Sie, wer ich bin?“
„Ich denke nicht, dass wir schon mal das Vergnügen hatten, Ser...“
„...Arris, Lev Arris.“
Nicht zu fassen.
Deacan saß dem vielleicht einflussreichsten Mann des gesamten Tri-Systems gegenüber. Er hatte ihn sich immer anders vorgestellt, vor allen Dingen nicht so jung.
Arris griff das Gespräch wieder auf.
„Ich weiß, wer Sie sind, Ser Tron. Um ehrlich zu sein, ich lasse Sie seit einiger Zeit beobachten.“
Interessante Neuigkeiten.
„Gibt es einen Grund dafür?“
Arris lächelte.
„Sie wissen genau, um was es geht, Ser Tron. Und ich denke, dass Sie auch das hier kennen.“
Er griff in die Manteltasche, holte eine kleine, graue Schachtel hervor. Dann öffnete er sie.
Zum Vorschein kamen mehrere kleine blaue Metallsplitter. Chyna hatte so einen in Jakes Hand gefunden.
„Nun, ich habe den weiten Weg nicht gemacht, nur um Ihnen meine kleinen Trophäen zu zeigen, die ich seit einigen Monaten sammle. Das Zeug stammt von den Kiowan, Ser Tron. Die Außenhüllen ihrer Jäger sind mit dem Zeug verkleidet.
Wie Sie sicher wissen, senkt es die Radaremissionen auf minimale Werte. Und wie ich hörte, haben auch die ersten Papago-Einheiten Zugang zu diesem Material bekommen. Sie erinnern sich an den Vorfall über Hades?“
Dumme Frage, natürlich konnte er sich daran erinnern.
Arris klappte die Schachtel wieder zu, er holte tief Luft, bevor er sein Gespräch fortsetzte.
„Haben Sie eine Vorstellung von dem, was da draußen zur Zeit passiert?“
Deacan überlegte kurz.
„Technologischer Fortschritt für die Kiowans, die Papagos kriegen das Zeug ebenfalls in die Hände. Und Sie scheinen ihre Leute auch nicht mehr so ganz unter Kontrolle zu haben, oder?“
Arris nickte zustimmend.
„Zum Glück habe ich noch einige treue Gefolgsleute. Es ist nicht leicht, den größten Piratenclan zu übernehmen, Ser Tron. Ich will aus ihm wieder das machen, was er zu Zeiten meines Vaters war, eine Art gigantisches Wirtschaftsimperium.
Wie Sie sich vorstellen können, waren nicht alle Clanmitglieder damit einverstanden. Jetzt töten sie sich gegenseitig da draußen. Und viele Unschuldige. Und als wäre das nicht genug, nein, jetzt fängt ein ehemals kleiner Piratenclan an, an Größe zu gewinnen.
Und Ihre ehemaligen Freunde von der Gilde helfen denen auch noch dabei.“
„Die Betonung liegt auf ehemalige, Ser Arris.“
„Ich weiß das.“
„Ach ja?“
„Ser Tron, wir beide, wie soll ich es sagen, haben ein gemeinsames Ziel. Sie wollen den Mörder Ihres Freundes, oder? Ich bin genauso daran interessiert.“
Deacan stutzte. Woher konnte Arris das wissen? Der bemerkte den Gesichtsausdruck seines Gesprächpartners.
„Ich habe meine Leute überall, Ser Tron. Mir entgeht so schnell nichts. Es tut mir ausgesprochen leid um Ihren Freund. Also, warum helfen wir uns nicht gegenseitig? Mit etwas Glück ist Ser Jake Kenner das letzte Opfer gewesen.“
„Wenn Sie alles wissen, Ser Arris, dann frage ich Sie folgendes: woher stammt dieses Zeug? Wo wird es abgebaut und gibt es Mittel dagegen?“
Deacan wies auf die graue Schachtel in Arris Händen.
„Nun, das sind Antworten, die ich Ihnen leider schuldig bleiben muss. Ich weiß es nicht. Noch nicht.
Aber meine Leute arbeiten fieberhaft daran. Aber genug davon. Kommen wir zu dem Punkt, an dem Sie ins Spiel kommen.
Ich brauche Ihre Hilfe.“
„Da sind Sie nicht der erste. Die CIS bat mich auch schon darum.“
„Ja, Sie und ich, wir beide brauchen jeden Verbündeten, den wir kriegen können.
Finden Sie andere Privateers, die gegen die Vorschläge von Ricards und Santana sind. Wissen Sie eigentlich, warum Ihr früherer Arbeitgeber dem Pack das Angebot gemacht hat? Er will das hier.“
Arris hob die Schachtel hoch.
„Den Kiowans eine Amnestie zu gewähren, noch dazu auf Kosten anderer, kommt nicht in Frage. Scharen Sie so viele Leute wie möglich um sich, Ser Tron.“
„Klingt so, als würden Sie in eine Schlacht ziehen wollen.“
„Sie haben es erfasst. Und ich habe für meinen Teil schon eine Menge Leute zusammen gezogen.“
„Und wen?“
„Die Jincilla und die Chirichan. Zum Grossteil jedenfalls.“
„Sie haben die zwei Clans unter Kontrolle?“
„Ja. Deshalb sieht man sie auch so gut wie nicht mehr. Ich will die Verluste in den eigenen Reihen so gering wie möglich halten, im Augenblick zumindest.
Es war alles andere als einfach, diese Gruppen zur Zusammenarbeit zu bewegen. Letztendlich sahen sie aber ein, dass sie untergehen würden, ihre Verluste gegen die Kiowans summierten sich langsam auf.
Nun, Piraten sind das eine, Söldner das andere. Ser Tron, ich habe keinerlei Möglichkeit, andere Privateers zur Kooperation zu bringen, sie schon.
Sie kümmern sich um Ricards und seine Schergen, ich mich um die Kiowans und Papagos. Einverstanden?“
Ser Arris hielt Deacan seine Hand entgegen. Er schien es ernst zu meinen.
Deacan zögerte.
Ein Deal mit dem legitimen Nachfolger von Kronos? Sollte er jemanden helfen, der indirekt die Verantwortung für Terror und Tod zu tragen hatte? Konnte er Arris überhaupt trauen?
Arris bemerkte das zögerliche Verhalten seines Gesprächspartners. Er holte ein MACS hervor und gab es ihm in die Hand.
„Ser Tron, um Ihnen zu zeigen, wie ernst mir die ganze Sache ist, gebe ich Ihnen die Koordinaten meiner wichtigsten Einheiten draußen. Ich traue normalerweise auch niemandem, aber diesmal ist die Sache eben anders.
Sehen Sie, mit diesen Daten könnten Sie problemlos jeden meiner Männer draußen töten. Nun?“
Deacan begriff jetzt, wie ernst es Ser Arris tatsächlich damit war.
Er gab Arris das MACS zurück, dann schlug er ein.
„Einverstanden, ich brauche aber zusätzliche Hilfe, zumindest im Augenblick.“
„Ich weiß, was Sie meinen.“
Er stand auf, klopfte gegen die Tür vom Cockpit. Diese wurde sofort geöffnet.
Eine junge Frau erschien, sie nickte Deacan zur Begrüßung zu.
„Das ist Sera Venice Drake. Lassen Sie sich durch ihre äußere Erscheinung nicht täuschen, Ser Tron.
Sie ist eine Expertin, wenn es darum geht, Leute unter die Erde zu bringen. Sera Drake wird tun, was immer Sie von ihr verlangen. Sie ist außerdem eine verflucht gute Pilotin, und sie hat einen eigenen Jäger.
Gut, sie spricht nicht viel, aber mal ehrlich, ich finde dass sich das sehr gut mit ihrer Schönheit ausgleicht. Oder nicht?“
So richtig war Deacan nicht überzeugt. Die Dame war höchstens achtzehn Jahre alt und recht gut gebaut. Ihr Haar war rabenschwarz und kurz, sie trug eine enge, schwarze Lederhose und ein sandtarnfarbenes Top. Ein knielanger Mantel komplettierte das ganze.
„Also gut. Ich erwarte Sie dann im Orbit, sagen wir in zwanzig Minuten, ja?“
Er sprach Sera Drake direkt an.
Keine richtige Antwort. Statt dessen nickte Sera Drake nur wieder mit dem Kopf.
Das Außenschott wurde wieder geöffnet, Arris ließ seinen Gast wieder an seine Arbeit.
„Viel Glück da draußen, Ser Tron. Ich hoffe, dass wir uns recht bald wieder begegnen.“
„Jederzeit. Sie sollten sich aber freundlichere Orte dafür aussuchen, Ser Arris. Und nächstes Mal schicken Sie Sera Drake, und nicht diesen Gorilla da.“
Er wies auf Arris’ Leibwächter, der bewegungslos vor dem Schott der Fähre stand.
Deacan nahm seine Einkaufstüten unter die Arme und verschwand kurzerhand um die nächste Ecke. Ser Arris stieg wieder in seine Fähre, die nur Sekunden später abhob.
 
part 27

*
Chyna stand vor dem Handelszentrum und wartete. Als sie Deacan erblickte, schien ihr ein Stein vom Herzen zu fallen.
„Wo zum Teufel warst du? Ich dachte, der Markt ist da drüben?“
„Der Markt ist auch da drüben. Ich hatte noch etwas wichtiges zu erledigen.“
„Ein alter Freund vielleicht? Ich meine, du warst doch gerade drüben im Hangar, oder?“
„Genau. Komm, hauen wir ab. Ich will diesen Planeten so schnell wie möglich hinter mir lassen.“
Zusammen mit Chyna begab er sich zurück zum Hangar, dort kletterten beide wieder in die Duress, die nur wenig später abhob.
Chyna fand es seltsam, dass Deacan noch im Orbit verblieb, anstatt das Crius-System zu verlassen.
Der Pilot musste aber warten, schließlich flog ja eine gewisse Sera Drake diesmal an seiner Seite. Endlich, nach fast einer viertel Stunde tauchte ein Shaman-Jäger neben der Duress auf.
Deacan setzte das Headset auf, eine ruhige Stimme begrüßte ihn freundlich.
„Hier ist ihr neuer Schatten, Ser Tron.“
„Schön zu wissen, dass Sie doch sprechen können, Sera Drake.“
Chynas Augen wurden groß, als sie bemerkte, dass der Pilot in der Shaman eine Frau war.
Deacan bemerkte ihren Blick natürlich, kümmerte sich aber nicht weiter darum. Sie würde von ganz alleine Fragen stellen, da war er sich sicher.
„Wohin geht die Reise, Ser Tron?“
„Wir brauchen doch freie Söldner, oder? Die meisten, die ich kenne, arbeiten von Janus IV aus. Dahin fliegen wir zuerst, in Ordnung?“
„Wie Sie wünschen, Ser Tron. Programmiere Kurs für Janus IV, Jäger meldet Sprungbereitschaft.“
„Dann los!“
Die Duress und die Shaman jagten auf die Jumpboje zu und sprangen in den Hyperraum.
Chyna sagte eine ganze Weile lang gar nichts. Dann lehnte sie sich nach vorn.
„Sag mal, mein lieber Deacan, woher kennst du dieses Frauenzimmer da drüben eigentlich?“
Sie wies mit ihrer Hand auf die Shaman.
Deacan sah kurz nach hinten.
„Die Dame wurde mir empfohlen.“
„Und von wem, wenn ich mal so fragen darf?“
„Tja, mit Namen heißt der Typ Arris, Ser Lev Arris.“
„Du willst mich wohl auf den Arm nehmen, was?“
„Nicht doch. Du hast doch vorhin gefragt, wo ich so lange war, während du vorm Handelszentrum gewartet hast. Hier nun die Antwort. Ser Arris lud mich kurzerhand zu einem kleinen Plauderstündchen unter vier Augen ein.
Der Mann hat mehr Probleme als man glaubt. Ich habe aber einige wichtige Antworten bekommen. Er bat mich um Zusammenarbeit.“
„Echt? Du hast mit dem größten Unterweltchef der jetzigen Zeit gesprochen?“
„Ja. Und so groß wie alle denken ist er gar nicht. Er hat nicht mal mehr halb so viel Macht wie sein Bruder und Vorgänger noch vor wenigen Jahren hatte.
Er versucht die Sache mit den Kiowans zu regeln, während wir alle Söldner zusammen trommeln sollen, die wir finden können. Das einzige Problem dabei ist, dass weder Ricards noch Santana oder die Kiowans davon etwas mitbekommen dürfen. Sonst sind wir geliefert.“
 
part 28

*
Teanna und Ivy liefen regelrecht um ihr Leben.
Völlig außer Atem erreichten sie den Hangar von Crius und stürzten sich auf ihre Skecis. Blitzschnell war ihr Cockpit verschlossen, sie warteten nicht einmal die Startgenehmigung ab und wären beim Rollout beinahe in ein Shuttle geknallt.
Bloß weg von hier!
Ihr Jäger schoss in den blauen Himmel empor. Langsam kehrte wieder Ruhe ein und die beiden fanden ihre Sprache wieder.
„Wohin jetzt, Teanna? Hat Sera Manley wirklich nicht gesagt, wo wir hin sollen?“
„Kein Wort! Wir brauchen erst mal ein ruhiges Plätzchen, wo uns keiner kennt und wir uns unauffällig bewegen können. Vorschläge?“
Ivy überlegte.
„Am besten wäre es, wenn dort möglichst viele Menschen leben würden. Ich meine richtiges Chaos. Dort eine einzelne Person ausfindig zu machen, dürfte jedem schwer fallen.“
„Dann gibt es nur einen Ort für uns, Ivy. Janus IV! Jubel, Trubel und jede Menge Lokale. Das Mekka der Vergnügungssüchtigen, wie es in deren Prospekten immer so schön heißt. Dort findet uns bestimmt keiner.“
„Und Manley? Wie soll die uns dann finden, mh?“
„Sie hat doch die ID unseres MACS, oder etwa nicht? Sie wird uns eine Nachricht schicken, wenn sie das Zeug haben will. Mach dir mal darum keine Gedanken.“
„Du hast gut reden, Teanna! Wo sind wir da nur rein geschlittert? Das Ding zu holen, das war die eine Sache.
Leute, die dir vor die Nase fallen und sich den Hals dabei brechen eine ganz andere. Ich finde das nicht mehr komisch.“
„Der Ärger fing an, als wir diesen Typen Ser Tron über den Weg liefen. Und ich schätze mal, das er ganz ähnliche Probleme derzeit im Nacken hat. Woraus man schlussfolgern könnte, dass es das beste wäre, einen großen Bogen um ihn zu machen.
Sprich er gondelt an einem Ende des Tri-Systems und wir am anderen herum.“
„Da stimme ich voll mit dir überein.“
Die Jumpboje kam in Sicht, Teanna aktivierte das Sprungtriebwerk. Blitzschnell wurde es dunkel rund um ihr Schiff.
Mehrere Sprünge waren nötig, um die doch recht große Distanz zwischen Crius und Janus IV zurück zu legen.
Teanna hatte keine Lust, auf irgendwelche Piraten zu schießen. Es ließen sich sowieso keine blicken. Ivy schwieg über den größten Teil der Strecke.
Viel zu erzählen gab es auch nicht. Aus Angst verfolgt zu werden, wechselte Teanna mehrmals den Kurs. Sie nahm einige extreme Umwege in Kauf, nur um nach Möglichkeit lebend ihr Ziel zu erreichen.
Die meiste Zeit über flog sie allein im Hyperraum, die wenigen Jäger und Frachter, die ihr begegneten, hatten jedes Mal eine andere ID. Teanna kontrollierte das sehr sorgfältig, es hätte ja sein können, dass eine Maschine mehrfach in ihrer Nähe auftauchte.
Es hätte dann ja der Mann sein können, der Ser Stan Furlong aus dem Fenster geworfen hatte, um sie dann möglicherweise kalt zu machen. Doch nichts dergleichen bestätigte sich. Teanna war sich aber sicher, irgendwer war ihr dicht auf den Fersen. Früher oder später würde der Moment kommen, an dem sie zeigen müsste, dass sie fähig war, ihre Grenzen zu überschreiten.
Deacan Tron hatte ihr das eingebrockt, da gab es keinen Zweifel. Wenn sie ihn in die Finger kriegen würde, dann...

*
Deacan war inzwischen auf Janus IV angekommen.
Ein exotischer Planet, der sogar über einige hundert Kilometer Sandstrände verfügte. Nicht unbedingt schön, aber doch reizvoll. Der Raumhafen und die Landebuchten lagen hier weit außerhalb der Metropole.
Der Lärm der Triebwerke wäre schlecht für das Geschäft, vor allem für das Geschäft mit der Lust der Gäste. Und die kamen von weit her.
Ganze Familien schickten ihre Kinder zu den Großeltern, um dann hier sprichwörtlich die Sau raushängen zu lassen. Netter kleiner Planet.
Venice Drake wartete bereits vor ihrer Maschine, während Deacan noch im Landeanflug war. Sie sah der Duress beim Landen zu, ging dann mit einer Leiter zum Jäger hin und half der Besatzung beim Aussteigen.
All dies tat sie schweigend, Deacan wusste nicht, wie er das werten sollte. Drake schob die Leiter wieder an ihren alten Platz, Deacan sah ihr nach, dann versuchte er mit ihr ins Gespräch zu kommen.
„Ich hoffe inständig, Sera Drake, dass Sie ein anderes Gesicht aufsetzen, wenn wir unterwegs sind.“
Die Söldnerin von Ser Arris sah ihn nur seltsam an. Und dann kam tatsächlich eine Antwort!
„Ich soll bekanntlich Ihren Wünschen entsprechen. Möchten Sie ein Thema wählen, über das ich mit Ihnen sprechen soll?“
Phantastisch! Da war sogar Danni, der Computer aus Deacans Jäger ein besserer Gesprächspartner.
Deacan stemmte seine Fäuste in die Hüfte.
„Sera Drake! Egal, ob Sie es mögen oder nicht, ich verlange dass Sie sich normal verhalten, ja? Sehen Sie einfach den Leuten hier zu und lernen Sie. Sie können mir nicht erzählen, dass Sie die Tochter eines Eisblocks sind.“
Statt einer Antwort nahm Drake den Platz an Deacans linker Seite ein und legte ihren Arm um seine Hüfte.
Nun, sie sollte ja die Leute beobachten, hatte er ihr gesagt. Die einzigen Leute waren Deacan und Chyna zur Zeit, und Chyna stand genauso wie sie neben Deacan, eben nur auf der anderen Seite. Und auch sie hatte ihren Arm um seine Hüfte gelegt.
Chyna wirkte ein wenig ärgerlich, verkniff sich aber jegliche Bemerkungen und ließ Venice Drake auf ihrem Platz.
„Na bitte, es geht doch. Mal abgesehen von der Tatsache, dass jeder hier denken wird, dass wir ein flotter Dreier sind, ist das der beste Weg, nicht großartig aufzufallen. Hier laufen die meisten nämlich so herum.“
„Wo?“
Chyna sah sich um. Niemand, aber auch wirklich niemand war zu sehen. Nicht einmal ein Techniker. Deacan wies mit der rechten Hand in Richtung Ausgang.
„Dort ist das Büro des Hangarpersonals. Von selbst kommen die hier nicht zu einem, das muss man schon selber tun.“
„Toller Service. Ich hoffe, dass es nur im Hangar so mies ist.“
Deacan lächelte Chyna an.
„Keine Panik. Warte erst mal ab.“
Er steuerte das Büro an, ein recht gewichtiger CCN-Mitarbeiter saß dort hinter seinen Schreibtisch. Er behielt seine Füße sogar auf dem Tisch, als Deacan und sein Anhang das Büro betraten.
Er sah seine „Kundschaft“ nur abschätzend an.
„Wenn Sie ihre Landung bestätigen wollen, da drüben liegt das Gerät dazu.“
Er deutete die Richtung mit dem Kopf an. Prima! Selbst die abgelegensten Raumstationen hatten freundlichere Mitarbeiter.
Wortlos griff Deacan nach dem Gerät, legte seine Hand darauf und scannte sie ein. Dann warf er Sera Drake das Ding zu.
Plötzlich kam Bewegung in den Körper des Technikers. Er setzte sich aufrecht hin, versuchte seinen Gesicht ein wenig mehr Autorität zu verleihen.
„Heh, wenn ihr das kaputt macht, gibt’s Ärger, klar?“
Chyna sah auf Deacan.
„Sieh an, es lebt!“
Drake hatte ihre Hand inzwischen auch eingescannt. Sie warf den Scanner zurück zum Techniker, der fing es ungeschickt auf.
„Moment mal, das könnt ihr mit mir nicht machen, klar? Das ist wertvolle Technik, hab ihr Typen das nicht kapiert?“
„Was war das gerade?“
Deacan wurde langsam aber sicher sauer. Der Techniker stand auf, und beugte seinen Oberkörper leicht nach vorn über den Tisch.
„Ich sagte, dass du und deine billigen Mitbringsel da keinen Aufstand hier machen sollen, klar? Hier herrschen etwas andere Regeln. Meine Regeln!“
Aber sicher doch. Deacan sah kurz nach unten, er betrachtete den Schreibtisch. Solides Material. Wunderbar geeignet, um damit...
Deacan griff zu. Er erwischte den Mann am Nacken, dann zeigte er ihm, wie hart die Tischplatte doch sein konnte.
Nicht nur einmal, denn der Techniker machte ehrlich gesagt nicht unbedingt den Eindruck, als ob er die Sache gleich beim ersten Mal verstehen würde.
Nach dem dritten harten Aufschlag hörte er auf, sah dem Techniker ins Gesicht.
„Erstens, mein lieber Freund, bitte ich mir ein wenig mehr Respekt aus, insbesondere was deinen Umgang mit Frauen angeht.
Und zweitens kann ich mich nicht erinnern, dass ich von dir geduzt werden will. Und das sind meine Regeln. Klar?“
Der Typ nickte nur kurz, Deacan ließ ihn los, er fiel diesmal von selbst auf die Tischplatte.
„Gehen wir.“
Deacan öffnete die Tür, winkte Chyna und Drake an sich vorbei.
„Toller Empfang, Deacan. Hier werde ich mit Sicherheit nicht lange bleiben.“
Chyna schien es wirklich nicht zu gefallen. Der Söldner sparte sich jegliche Bemerkung, er zeigte mit der Hand in Richtung Hangarausgang.
Dort stieg man in eine kleine fensterlose Transitfähre um, die den Raumhafen mit der Metropole verband.
Ganze zwanzig Minuten waren sie unterwegs. Während dieser Zeit redeten nur zwei miteinander – Deacan und Chyna. Sera Drake saß nur still da und ließ ihre Blicke umher schweifen. Wie ein Wachdroid. Für Deacans Geschmack nahm sie ihre Aufgabe etwas zu ernst.
Als die Fähre endlich stoppte und wieder auf den Boden aufsetzte, stieg Chyna als erste aus. Nun, hier sah es genauso langweilig aus wie im Raumhafen. Von wegen Vergnügungsplanet!
Sie baute sich vor ihrem Partner auf, um ihm dann gehörig die Meinung zu geigen.
„Ist das alles? Hier liegen noch nicht mal ein paar Betrunkene herum. So ein ödes Stück Land.“
Statt einer Antwort legte Deacan seine Hände auf Chynas Schultern, drehte sie um und dirigierte sie zu einem Fenster.
„Jetzt besser?“
Wow! Ihr verschlug es glatt die Sprache. Sie befanden sich auf einem Landeturm und überblickten die Stadt.
Eine Bar neben der anderen. Leuchtreklame, soweit das Auge nur blicken konnte.
Und Menschen. Nein – es waren Massen von Menschen, die sich durch die breiten Alleen bewegten. All dies war in nur zwei Jahren entstanden. Unfassbar. Unglaublich. Unbeschreiblich.
„Wollen Sie nur gucken oder aktiv mitmischen?“
Drake ergriff als erstes wieder das Wort.
„Also los, mischen wir.“
Deacan schob Chyna wieder weg vom Fenster, hin zum Fahrstuhl.
 
part 29

*
„Endtransitphase erreicht, sie verlassen jetzt den Hyperraum.“
Der Bordcomputer der Skecis flackerte auf, neues Kartenmaterial wurde sichtbar. Janus IV und seine Monde. Zwei Stück, um genau zu sein.
Teanna atmete hörbar auf. Sie sah nach hinten.
„Bis hier haben wir es geschafft, Ivy. Bloß noch landen und dann ein paar kühle Drinks auf dem Zimmer. Ist die Zimmerreservierung klar?“
„Ja, die Bestätigung kam gerade durch.“
„Sehr gut. Ich habe im Augenblick nur noch einen Wunsch, etwas Ruhe, vielleicht ein wenig Musik. Und viel Alkohol. Zur Beruhigung meiner Nerven natürlich nur.
Wie steht es mit dir, liebste Ivy?“
Einen Moment lang war Ruhe, dann kam die Antwort.
„Sind das nicht drei Wünsche, und das gleich auf einmal, Teanna?“
„So genau hab ich das jetzt nicht gemeint.“
„Ich weiß. Deine Idee klingt nicht schlecht, ich bin dabei.“
Um möglichen Ärger aus dem Weg zu gehen, flog Teanna den Planeten mit Höchstgeschwindigkeit an, unter ständiger Benutzung der Nachbrenner. Erst als sie in die Atmosphäre eintauchte, verlangsamte sie das Tempo wieder.
Die Bodenkontrolle übermittelte ihr die Landekoordinaten, ihr Bordrechner übernahm den Landeanflug. Nur das Aufsetzen der Maschine erledigte Teanna selbst. Das Cockpit öffnete sich, beide standen auf und sahen sich nach dem Bodenpersonal um.
Niemand war zu sehen.
„Und nun?“
Nicht ganz zwei Meter trennten sie noch vom Boden, eine Leiter war zwar sicherlich vorhanden, aber ohne Personal...
„Ivy, das ist doch keine große Sache, oder etwa doch?“
Da Ivy zögerte, hinunter zu springen, half Teanna kurzerhand mal eben nach. Ein leichter Schubs genügte. Dann ließ sie sich selber fallen.
Wieder festen Boden unter den Füssen. So schön das ganze herumgondeln im Jäger auch war, es war doch immer wieder ein beruhigendes Gefühl, mal neben der Skecis zu stehen und normale Luft zu atmen.
„Komm mit, da drüben ist das CCN-Büro. Da checken wir ein.“
Ivy klopfte an die Tür. Keine Reaktion. Teanna überlegte kurz, dann griff sie einfach zur Türklinke.
„Hallo? Jemand zu Hause?“
Leise traten sie ein.
„Was ist denn mit dem da passiert?“
Ivy erkannte die Situation zuerst. Der Techniker lag mit dem Gesicht auf der Tischplatte. Das Söldnerduo konnte ja nicht ahnen, dass ein lieber und alter Freund ihn in diesem Zustand zurück gelassen hatte. Teanna hob seinen Kopf ein wenig nach oben. Der Mann war ohne Bewusstsein, sein Atem war aber kräftig und regelmäßig.
„Ist vermutlich gegen eine Wand gelaufen. Ich denke, wir sollten ihn liegen lassen, wer weiß, vielleicht reagiert er sauer, wenn wir ihn wecken. Was denkst du?“
Ivy griff sich den Handscanner, der auf dem Boden lag.
„Einverstanden. Hier, leg deine Hand drauf und dann lass uns endlich was trinken gehen.“
„Gib her.“
Teanna legte ihre Hand auf das Scannerfeld, dann stellte sie das Gerät wieder auf den Tisch ab. Wortlos verließen beide den Raum und begaben sich zur Transitfähre.

*
Deacan hatte inzwischen eine Bar entdeckt, die sein Interesse weckte.
Das Hope war ein bekannter Treffpunkt für alle möglichen Söldner. Vor ein paar Jahren hatte er selbst hier gesessen, immer auf der Suche nach Arbeit und dem nächsten Barscheck.
Damals war noch nichts vom Glanz und Reichtum der Bevölkerung zu sehen gewesen, wie bereits erwähnt kam die Idee mit dem Vergnügungsplaneten erst vor zwei Jahren so richtig ins Rollen. Deacan hoffte, dass sich seit damals nicht viel am Hope verändert hatte, und hier noch immer unzählige Privateers ohne Mitgliedschaft in diversen Gilden auf Beschäftigung warteten.
Chyna lief an der Bar einfach vorbei, aber Deacan lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die gewählte Lokalität.
„Da geht’s rein.“
Er zeigte mit der linken Hand auf das Hope. Seine Partnerin und Sera Drake kamen seiner Aufforderung sofort nach. Deacan ging voran, er stieß die beiden kleinen Schwenktüren nach innen auf. Die Luft hier drinnen war stickig, es roch stark nach Alkohol und fettigen Essen.
Deacan ließ seine Blicke durch die Bar schweifen. Viel hatte sich nicht verändert, zumindest optisch nicht.
Sechseckige, schwarze Tische, ungepolsterte Stühle, dunkelbraune Barhocker. Grünzeug suchte das Auge hier vergeblich, dafür gab es massenhaft Bilder an den Wänden, darauf abgebildet: Söldner, die hier im Hope ihre Karriere begonnen hatten.
Etwas fiel positiv auf, es war hier im Gegensatz zu draußen nicht sonderlich voll.
„Ich glaub, ich sehe nicht recht! Heh, Tron!“
Deacan sah in die Richtung, aus der die Stimme kam. Es war der Barkeeper. Der Barkeeper?
Der Söldner versuchte sich an seinen Namen zu erinnern. Er war sich sicher, nie viel mit ihn gesprochen zu haben. Der Mann hinter den Tresen half nach einigen Sekunden schließlich nach.
„Deacan, erkennst du mich nicht? Ich bin es – Rendler! Chris Rendler.“
Dieser Name klang irgendwie vertraut. Nur konnte Deacan keine Verbindung zu dieser Bar damit herstellen.
Es sei denn...
„Chris! Du hast also tatsächlich dein Cockpit mit den Tresen getauscht?“
„Wie du siehst.“
Deacan ging auf den Mann zu, man begrüßte einander wie alte Freunde. Allerdings passten Rendlers Augen nicht zu seiner Freundlichkeit, Deacan glaubte tiefe Verbitterung darin zu erkennen.
Oder irrte er sich? Zeit, darüber nachzudenken blieb ihm nicht, Rendler begann sofort damit, ihn mit Fragen zu löchern.
„Und du? Noch immer auf der Jagd?“
Deacan nickte.
„Du weißt doch, ich kann meiner Maschine nicht untreu werden.“
„Ja, diese Liebe währt meist ewig.“
Nur abseits zu stehen und zuzuhören, das fand Chyna blöd. Also ging sie zusammen mit Sera Drake auf Deacan zu, der sich auf einen Barhocker nieder gelassen hatte. Und sie brachte sich einfach ins Gespräch ein.
„Deacan, willst du uns nicht bekannt machen?“
„Ja, wer sind die zwei beiden da?“
Chris stellte vier Gläser vor sich hin.
„Nun, das ist Sera Chyna McCumber, so was wie mein zweites ich. Und das da ist Sera Venice Drake. Eine weitere unterstützende Hand.“
Chris ließ seine Blicke an Chyna und Venice auf und ab wandern, dann schüttelte er nur seinen Kopf.
„Du hast dich zumindest in diesem Punkt verändert, Deacan. Wie nannten sie dich doch gleich? Mister Einzelgänger, habe ich recht?“
Er holte eine Flasche unter den Tresen hervor, begann einzuschenken.
„Die habe ich für besondere Gelegenheiten aufbewahrt. Hat mich ein kleines Vermögen gekostet. Aber mit dir und deinen Freunden teile ich sie gern.“
Er griff sich eins der Gläser, hob es hoch.
„Auf vergangene Zeiten!“
Dann leerte er das Glas in einen Zug. Deacan tat es ihm gleich.
„Was ist mit den beiden? Trinken die nichts?“
Chyna griff sofort nach einem der verbleibenden Gläser, Drake aber winkte ab.
„Sag mal, was treibt dich hier her?“
Chris füllte Deacans Glas nach.
„Ärger. Endloser Ärger.“
„Ach ja? Ich dachte, ihr von Ricards Gilde habt keinen Grund mehr dafür.“
Deacan merkte, worauf Chris’ Bemerkung anspielte.
„Ich bin kein Mitglied der Gilde mehr, ich arbeite wieder allein.“
„Gute Entscheidung, mein Freund. Hätte mich auch gewundert, wenn du bei der Scheiße da mit machst.“
Chris ließ ein weiteres Glas voll Alkohol in seinen Mund verschwinden.
„Wenn ich es könnte, würde ich diesen Bastard Ricards persönlich zur Hölle schicken.“
„Was hindert dich?“
„Das da!“
Chris zog ein kleines Messer unter seiner Schürze hervor. Dann holte er damit aus – und stach sich damit tief ins Bein! Deacan zuckte zusammen. Chris zog die Klinge wieder heraus.
„Ist eine Prothese. Hab das Teil vor einen Jahr gekriegt, als ein Pirat mir ein paar Raketen hinterher schickte. Hat mein Cockpit zerfetzt.
Das andere Bein ist auch hin, bis zum Knie. Ich lag fast vier Monate im Koma, aber der Teufel wollte mich wohl noch nicht haben. Jedenfalls gab er mir einen gewaltigen Tritt in meinen Arsch, der mich wieder ins Reich der Lebenden schickte.
Ich hab dann die Bar hier gekauft und lebe mehr schlecht als recht davon.“
Nachdenklich sah er in sein leeres Glas.
„Meine Zeit ist so gesehen schon vorbei, ich habe keinen rechten Wert als Mensch mehr.“
Er sah auf, seitlich vorbei an Deacan glitt sein Blick ins Leere. Dann kam er wieder zu sich und sah seinen Gast an.
„Also, mein Freund, viel kann ich nicht für dich oder den verdammten Rest dieses verfluchten Systems hier tun.“
„Was ist los mit dir? Das ist nicht der Chris, den ich von früher her kannte. Der mit mir zusammen Piraten in den Hintern getreten hat. Was stimmt nicht mit dir?“
Chris füllte sein Glas nach, setzte es an seine Lippen, doch Deacan hielt seine Hand fest, noch bevor er den Drink runter spülen konnte. Chris sah ihn an.
„Während meiner Abwesenheit im Koma wurde meine gesamte Familie ausgelöscht.
Alle. Ohne Ausnahme. Ich wusste immer, dass verschiedene Leute auf diese Gelegenheit gewartet hatten. Vor allem die Clans. Diese Feiglinge schlugen zu, als ich wehrlos war.
Sie hätten mich töten können, aber sie taten es nicht! Meine Frau und mein Sohn, dass war ihre Rache. Und ich konnte ihnen nicht helfen, sondern lag nur da, künstlich beatmet und durch Schläuche ernährt.
Oh Gott, wie sehr wünschte ich mir, das jemand den Stecker der ganzen verfluchten Apparatur gezogen hätte. Aber ich musste überleben, weil die es so wollten. Sie wussten, wie sie mir weh tun konnten.“
Deacan ließ die Hand von Chris mitsamt des Glases los. Seltsamerweise stellte der das Glas wieder ab.
„Du lebst, Chris.“
„Ich verdiene es nicht.“
Deacan bemerkte die festgefahrene Situation.
„Erinnerst du dich an Jake?“
„Du meinst diesen Spinner aus der Kenner Familie?“
Der Söldner nickte.
„Er ist tot, Chris. Ich kam zu spät, um ihm zu helfen. Aber ich will Rache nehmen und nichts, aber auch gar nichts wird mich davon abbringen.“
Chris schien zu verstehen.
„Und du lebst.“
„Ja, Chris. Ich lebe. Aber ich habe mein Schicksal akzeptiert. Ich kann es lenken, beeinflussen. Du auch.“
„Was kann ich schon tun, mh?“
Jetzt griff Deacan zum Glas.
„Hilf mir.“
Chris zeigte auf sein Bein.
„Wie ich schon sagte, meine Zeit als Held ist vorbei. Endgültig.“
Chyna hatte die ganze Zeit still zugehört. Jetzt griff sie in das Gespräch ein.
„Gut, sagen wir, dass Sie nie wieder in ein Cockpit steigen können.
Aber sehen Sie sich um. Es gibt hier zahllose Söldner, die nur darauf warten, den Clans in den Arsch zu treten. Wer war es, auf wen sind sie so wütend? Papagos, Kiowans?“
Chris nickte.
„Letztere.“
Dann wies er auf Deacan.
„Als er durch diese Tür schritt, hätte ich ihn am liebsten gleich kalt gemacht, denn seine Freunde da draußen, die unter Ricards Flagge dienen, helfen diesen Bastarden auch noch beim sinnlosen morden.
Aber ich konnte es einfach nicht tun, da waren zu viele Erinnerungen an so verdammt gute Zeiten. Ich konnte einfach nicht glauben, dass er zu diesem Pack gehören sollte.“
„Das tut er auch nicht. Also, was denken Sie, könnten Sie es schaffen ein paar Privateers davon zu überzeugen, sich uns anzuschließen? Oder dass sie uns wenigstens anhören würden?“
„Möglicherweise. Aber viele werden es nicht sein, wer ist schon so dumm und legt sich mit Ricards Gilde an? Seine Elitepiloten fliegen erstklassiges Material, da habt ihr keine große Chance.“
Deacan nippte am Glas.
„Keine große, da hast du sicher recht. Aber das schließt eine kleine Chance nicht aus, oder? Und glaube mir, auch ich habe einige gute Freunde.“
Chris dachte einen Augenblick lang nach, dann willigte er ein.
„Gut, ich werde mich mal umhören. Keine Gildenpiloten, verstehe ich das richtig?“
„Ja. Ricards darf von der ganze Aktion nichts wissen, das gilt auch für Senator Santana. Glaubst du, das du das hin kriegst?“
„Sicher.“
„Gut. Sagen wir, ich komme morgen wieder her, okay?“
Deacan wollte aufstehen, aber Chris hielt ihn fest.
„Bleibe hier, mein Freund. Wenigstens für ein paar Stunden. Lass uns einige Erinnerungen raus kramen, ja?“
Dann sah er auf Deacans Begleitung.
„Das gilt auch für Sie. Sie können im Gästezimmer übernachten, eine Etage über uns. Wenn Sie das wollen. Ich möchte euch nichts aufzwingen.“
Deacan nahm das Angebot dankend an. Chris tauchte kurz hinter den Tresen ab und erschien mit einigen Flaschen unterm Arm wieder.
„Hier! Machen wir die nieder, Deacan. Wie in den guten, alten Zeiten.“
 
part 30

*
„Na, ist das geil hier?“
Teanna fühlte sich pudelwohl. Menschen, soweit das Auge blicken konnte. Hier würde sie niemand je finden. Perfekt.
Auf der Suche nach einer passenden Bar blieb Teanna schließlich vor dem Hope stehen.
„Wie wäre es damit?“
Ivy winkte ab.
„Das kenne ich. Sitzen nur Langweiler drin, kannst du voll vergessen! Ich schlage das da vor.“
Sie zeigte auf das Gebäude auf der anderen Straßenseite.
„Black Crow? Klingt doof. Aber ich will dir mal glauben, dass es besser ist. Nach dir.“
Teanna griff ihrer Freundin an die Schultern und schob sie in Richtung Lokaleingang. Es war voll, die Luft stand.
Aber man konnte teuren Alkohol riechen... und der war garantiert hochprozentig. Ivy sah sich zuerst nach einer Sitzgelegenheit um. Alle Tische schienen besetzt zu sein.
„Und? Wie nun weiter?“
Teanna wies auf einen Tisch, um den drei Leute saßen. Besser gesagt lagen sie auf dem Tisch, ihr Alkoholpegel hatte das oberste Limit schon weit überschritten.
Am Tisch angekommen, sah Teanna Ivy nur kurz an.
„Mein Vater sagte immer, dass man den Tisch abräumen soll, wenn neue Gäste kommen.“
„Ah ja. Willst du etwa auf einen Kellner warten?“
„Nein.“
Mit einer kräftigen Bewegung ihrer Hand stieß sie nacheinander die drei volltrunkenen Herren vom Tisch. Sie blieben am Boden liegen, schliefen dort weiter ihren Rausch aus.
Ein wenig ungelenk nahmen Teanna und Ivy dann Platz, sie mussten teilweise noch über die friedlich schlummernde Stammtischbesetzung klettern.
Ivy rief nach dem Kellner. Der kam auch sofort, beide bestellten ziemlich hochprozentiges, gemischt mit Fruchtsaft – wegen der Vitamine, versteht sich..
„Ach ja, würden Sie bitte die Freundlichkeit besitzen und den Dreck hier unterm Tisch weg machen?“
Ivy zeigte auf die betrunkenen Gäste.
„Wie Sie wünschen.“
Der Kellner drehte sich zur Tür um, winkte zwei Männer heran, offenbar Ordnungskräfte. Wortlos hoben die zwei den menschlichen Müll vom Boden auf, zogen ihn zur Tür und warfen ihn raus.
„Klasse. Gibt’s hier auch was zu Essen?“
„Sicher. Ich bringe ihnen die Karte, einen Moment.“
Der Kellner verschwand in Richtung Küchenausgang.
 
part 31

*
Aus ein paar Stunden wurde fast die ganze Nacht.
Erst sehr spät ging Deacan zu Bett. Chyna und Drake hatten sich schon vor Stunden zur Ruhe begeben. Und wieder einmal fand er keinen Schlaf.
Ein wenig Ablenkung könnte er jetzt gut gebrauchen, er beschloss, Kontakt zu Manley aufzunehmen. Deacan war verblüfft, als der Kontakt sofort zustande kam. Sie schien sich ganz in der Nähe aufzuhalten.
„Was gibt es, Ser Tron?“
„Beschäftigt?“
Manley nickte.
„Mit meiner Landung. Sie wissen doch, ich bin ihr Schatten.“
Der Privateer zog seine Augenbrauen hoch.
„Mein Schatten? Wusste gar nicht, wie gut ich aussehe.“
„Sehr witzig, Ser Tron, wirklich komisch.“
„Mal im ernst, was macht der Transporter, um den ich Sie gebeten habe?“
„Eine unserer umgebauten Maschinen ist bereits auf den Weg nach Janus IV. Typ Monolith. Ich hoffe, das sagt Ihnen zu.“
„Wie viel Platz bietet das Teil?“
„Tja, vier Jäger passen da schon rein. Wenn es sich um kleine Typen handelt, versteht sich.
Die Mannschaft ist von uns, alles Spitzenleute, unter anderem Mechaniker, zwei Taktikspezialisten und ein Analyseteam. Okay?“
„Großartig.“
„Wenn das dann alles war?“
Deacan nickte.
„Danke, Manley. Tron Übertragung Ende.“
Das Display des MACS erlosch, Deacan legte es neben sich aufs Kissen.
Dann schloss er die Augen, versuchte einzuschlafen.
Um acht Uhr am nächsten Morgen stand er wieder auf. Chyna schlief noch fest, auch Sera Drake, die sich auf einer Couch hingelegt hatte, hatte mit dem Wort "Aufstehen“ noch nichts am Hut.
Jemand klopfte an die Tür.
„Deacan, bist du wach? Ich bin es, Chris.“
„Moment.“
Deacan zog sich schnell seine Hose an, dann öffnete er leise die Tür und begab sich nach draußen. Ser Rendler sah müde aus, er hatte wohl den Rest der Nacht nicht geschlafen.
„Was ist?“
„Ich habe mich für dich ein wenig kundig gemacht. Viele von deiner Sorte habe ich nicht auftreiben können, aber es waren immerhin gut und gerne zehn Privateers bereit, sich die ganze Sache mal anzuhören.
Treffpunkt ist in zwei Stunden, unten im Lokal. Ich lasse den Laden solange geschlossen.“
„Gute Arbeit, Chris.“
„Ich helfe gern. Also, wenn du und deine Begleitung noch was essen wollt, sollte ihr euch besser beeilen. Das Frühstück wartet unten.“
Chris machte auf dem Absatz kehrt und ging wieder nach unten. Deacan begab sich wieder ins Zimmer.
Sein Blick fiel auf Chyna. Sollte er sie wecken? Nun, auf der einen Seite brauchte sie den Schlaf, auf der anderen würde sie es ihm sicher übel nehmen, wenn er sie hier liegen lassen und sie den ganzen Spaß verpassen würde. Leise ging er auf das Bett zu.
„Chyna, aufstehen.“
Keine Antwort, statt dessen drehte sie sich auf den Bauch, zog sich das Kopfkissen über den Kopf.
„Soll ich das für Sie erledigen?“
Deacan drehte sich leicht erschrocken um, Drake stand hinter ihm.
„Würde es Ihnen was aus machen, beim nächsten Mal etwas geräuschvoller aufzustehen? Oder sagen Sie mir wenigstens, dass Sie hinter mir stehen, ja? Sonst könnte es passieren, dass ich etwas überstürzt reagiere.“
„Sicher doch, Ser Tron.“
Sie drehte sich wieder um, ging auf die Couch zu und nahm dort Platz.
„Ich habe eben gehört, dass Ihr Freund Ser Rendler Erfolg gehabt hat.“
„Gutes Gehör, meine Anerkennung.“
„War nicht sonderlich schwer, die Türen hier sind nicht sehr massiv, selbst wen Sie geflüstert hätten wäre es mir möglich gewesen mitzuhören.“
„Ist das eine der besagten Qualitäten, von denen Ser Arris sprach?“
Drake nickte, sie lächelte dabei.
„Eine von vielen Qualitäten, aber das werden Sie noch früh genug raus finden, das garantiere ich Ihnen.“
Sie griff sich ihre Bekleidung, verschwand damit im Bad.
Chyna erhob sich vom Bett, Deacans Gespräch mit Drake schien sie geweckt zu haben, sie warf einen Blick auf die Uhr.
„Wieso suchst du dir eigentlich immer eine so unmenschliche Zeit zum aufstehen aus?“
Er widersprach ihr.
„Wieso ich? Bedanke dich bei Chris, er hat die Sache eingefädelt. Ich bin da völlig unschuldig.“
„Ach ja? Nun gut, kriegt dein Kumpel Chris halt eins drauf.“
„Du schlägst meine Freunde?“
Chyna suchte ihre Klamotten zusammen, die in einem Umkreis von etwa zwei Metern rund um das Bett verstreut lagen.
„Warum denn nicht? Oder willst du für deine sogenannten Freunde einspringen, mh?“
Deacan trat an Chyna heran und umarmte sie.
„Ich werde darauf zurück kommen, Kleines.“
Sie riss sich langsam aus seiner Umarmung los.
„Ja, später. Irgendwer im Bad?“
„Nur unsere Freundin vom Clan.“
„Also keiner. He, Sera Drake oder wie immer du da drin heißt, beeile dich gefälligst ein wenig, ja? Hier hat jemand ein dringendes Bedürfnis, und dieser jemand bin ich.“
Nach einem hastigen Frühstück in der Küche des Hope begab sich Deacan nach nebenan ins Lokal. Chris hatte dort einige Tische zu einer langen Konferenztafel zusammen gestellt.
Viel Zeit blieb dem Privateer nicht mehr, er legte sich einige Worte zurecht, verwarf sie jedoch schnell wieder. Nein, mit Worten allein würde er es schwer haben, diese Leute von seiner Sache zu überzeugen.
Beweise, das brauchte er, nicht nur Vermutungen und Spekulationen.
Dummerweise basierte alles, was er vorweisen konnte, nicht unbedingt auf Fakten. Er hatte so gut wie nichts in der Hand. Deacan setzte sich ans Kopfende der Tafel. Dann lehnte er sich weit zurück, schloss kurz die Augen und atmete tief durch.
Eine vertraute Stimme sprach ihn an, er sah sofort in die Richtung, aus der sie kam.
„Dumme Situation, nicht wahr?“
„Manley!“
Die CIS-Beamtin stand in der Tür, Deacan kam es vor, als wäre ihr Grinsen noch breiter als sonst.
„Ja, ich bin es. In Fleisch und Blut. Sie wollen die Angelegenheit ein wenig ausweiten, habe ich recht? Chyna hat mir davon berichtet.“
Er senkte den Blick.
„Je mehr auf unserer Seite stehen, desto besser. Sicher, das Risiko ist groß, nur schätze ich mal, das wir keine andere Wahl haben.“
„Dann ist es ja prima, dass ich hier bin.“
Sie stellte ihren Aktenkoffer auf den Tisch, öffnete ihn. Sie entnahm ihm einige Blätter, die sie dem Söldner übergab.
„Letzte Neuigkeiten. Die CIS hatte in den letzten zwei Tagen einige schwere Auseinandersetzungen mit Einheiten der Papagos. Kein Einsatz der fremden Tarntechnologie ihrerseits. Seltsam, nicht wahr?“
„Das lässt zwei Schlüsse zu. Entweder sie wollen diese Technologie nicht einsetzen, oder sie können es nicht.“
„Ich tippe auf letzteres. Sehen Sie, die Papagos haben insgesamt vierundzwanzig Schiffe verloren, wir hingegen nur sechs.“
Deacan dachte kurz nach. Derartige Verluste waren selbst für einen derartig großen Clan nur schwer zu akzeptieren. Manley fuhr fort.
„Ich bin hier, um Ihnen ein wenig Rückendeckung zu geben. Wenn ihre Gäste mitbekommen, dass die CIS mitmischt und nicht nur still zusieht, dann ändern sie vielleicht ihre Meinung. Wäre doch ein guter Anfang.“
„Einverstanden. Suchen sie sich einen Stuhl und nehmen sie Platz.“
Manley ließ sich nicht zweimal bitten. Kaum das sie den Stuhl unter ihrem Hintern hatte setzte sie ihren Redeschwall fort.
"Sagen Sie, ihre neue Begleitung, was halten Sie von ihr?“
„Sie meinen Sera Drake? Sie ist ein wenig zu ruhig, aber ansonsten ganz in Ordnung. Wieso?“
„Ist nur so eine Frage. Hier, ihre Akte, die sie bei uns hat. Ich denke, das sollten sie über Drake wissen.“
Sie warf Deacan ein paar zusammengeheftete Blätter vor die Nase. Er schlug sie auf und begann zu lesen. Manley nahm es ihm aber wieder einmal vorneweg.
„Die Dame ist nach unseren Beobachtungen ein absoluter Profi. Achtzehn Auftragsmorde. Und das sind nur die von denen wir offiziell wissen. Sie sollten die Zahl verdoppeln.“
„Es waren insgesamt weit mehr als sechzig.“
Sera Drake stand in der Tür. Mit eiskaltem Blick ging sie auf Deacan zu, nahm dann auf dem Stuhl neben ihm Platz.
„Ist das ein Problem für Sie?“
Ihr Blick wanderte von Deacan zu Manley.
„Nein, eigentlich nicht. Die Gesetze hier im Tri-System erlauben so etwas nun einmal. Es ist straffrei, solange man einen sauberen Auftrag nachweisen kann.“
Drake sah wieder auf den Privateer.
„Nur keine Sorge. Ich wurde Ihnen anvertraut, und ich töte niemals einen potentiellen Auftraggeber.“
„Wenn Sie das so sehen wollen, habe ich nichts dagegen. Sie doch auch nicht, oder Manley?“
Die Agentin schüttelte den Kopf.
„Wo steckt eigentlich Sera McCumber? Ich fange an, sie zu vermissen.“
„Wer vermisst mich?“
Chyna betrat den Raum, setzte sich hin. Mit einer kurzen Handbewegung begrüßte sie Manley, Drake hingegen wurde von ihr nur böse angesehen.
„Sie sitzen da übrigens auf meinen Platz.“
„Wirklich? Tut mir ausgesprochen leid, ich habe wohl ihr Namensschild nicht gesehen.“
Nun, wie auch. Es gab hier keinerlei Namensschilder, ein Platz glich dem anderen. Drake stand umgehend auf, sie bot Chyna an, mit ihr den Platz zu tauschen. Chyna nahm das Angebot sofort an. Mit selbstzufriedenen Gesicht nahm sie neben Deacan wieder Platz.
Chris betrat die Szenerie.
„Die ersten Söldner sind da. Wollen wir beginnen?“
„Ja, schick sie herein.“
Dann sah Deacan noch einmal in die versammelte Runde.
„Das Spiel beginnt. Hoffen wir auf ein paar gute Karten.“
Etwa zehn Minuten später saßen neben Deacan und seiner Begleitung noch insgesamt elf andere Söldner mit am Tisch. Allesamt keine Gildenmitglieder und zum Teil noch recht jung und unerfahren im Geschäft.
Chris hatte ihnen nur in groben Zügen erzählt, um was es ging. Deacan musste also ins Detail gehen, ihnen verständlich machen, dass es hier nicht nur um ein paar ausgeflippte Piraten ging, sondern das gesamte Tri-System auf dem Spiel stand.
Er hasste es, vor so vielen Menschen zu sprechen. Wirklich wichtig war hierbei Sachlichkeit. Er blieb dabei sitzen, zumindest anfangs. Einem kurzen Blick in die Runde ließ er erste Sätze folgen.
„Welche Bedeutung hat das Wort „Privateer“ für euch?“
Er versuchte, Autorität in seine Stimme zu legen.
„Ist das nur ein Wort, ohne Bedeutung?
Für mich ist es mehr. Es gibt mir Rechte und Privilegien, ohne die ich wohl kaum im Tri-System überleben könnte. Hier, im Chaos, sind wir, die Privateers, die letzte Grenze, die letzte Linie zur Verteidigung dessen, was unser Volk in den letzten zweihundert Jahren aufgebaut hat.
Diese Linie, meine Freunde, wurde durchbrochen.“
„Nette Rede, Ser Tron.“
Ein junger Söldner schnitt Deacan einfach das Wort ab.
„Sagen Sie uns einfach, was Sie von uns wollen. Wenn es uns gefällt, kommt eine Antwort. Zeit ist immerhin Geld.“
„Ich glaube nicht, dass es Ihnen gefallen wird. Sie wissen alle von Ricards Angebot den Kiowans gegenüber?“
Stummes Schweigen, Deacan schloss daraus, das jeder Kenntnis davon hatte.
„Ricards geht es dabei nicht um Frieden. Er will nur etwas von den Kiowans, etwas, dass seine Macht hier noch vergrößern könnte. Manley, Sie sind am Zug.“
Sera Manley kam sofort zur Sache.
„Manley, CIS. Meine ID-Card, falls das hier jemand nicht glaubt.“
Sie zeigte ihre Karte in die Runde, dann fuhr sie fort.
„Ser Ricards versucht, den Kiowans eine Substanz abzuschwatzen, die gefährlicher ist als Sprengstoff oder Waffen jeglicher Art.
Im Grunde genommen handelt es sich dabei um ein Metall, das Radar und Wärmeabstrahlungen, wie sie bekannterweise von jedem Jäger oder anderen Schiff ausgehen, auf ein absolutes Minimum reduziert. Es ist unbekannter Herkunft, wir wissen nicht, wer es produziert oder abbaut.
Fakt ist, das es bis jetzt von Kiowans mehrfach eingesetzt worden ist. Sie verkleiden ihre Jäger damit, mit fatalen Folgen. Scanner und Radar sind völlig nutzlos.
Ricards bekam offensichtlich Wind davon, deshalb bot er diesen einseitigen Waffenstillstand an. Wenn er bekommt, was er verlangt, dann seit ihr einfach gesagt raus aus dem Geschäft. Seine Leute wären in der Lage, mühelos und praktisch ohne Gefährdung des eigenen Lebens oder Materials Jagd auf Piraten oder andere Personen zu machen.
Seine Preise würden zuerst in den Keller fallen, die Erfolgsquote seines Teams geht zeitgleich nach oben. Lange werdet ihr dem nicht standhalten können, früher oder später verliert ihr alle eure Auftraggeber an Ricards. Ist die lästige Konkurrenz erst einmal beseitigt, bestimmt er allein die Preise.“
Manley sah eindringlich in die nachdenklichen Gesichter an anwesenden Söldner. Dann sah sie auf Deacan, der setzte das Gespräch fort.
„Wollt ihr das wirklich? Bis zum heutigen Tag hat die ganze Sache schon etlichen Menschen das Leben gekostet. Viele davon waren unschuldig. Die Lage beginnt zu eskalieren.
Sicher, ihr könnt jetzt einfach gehen und sagen, was geht mich das an. Aber so einfach ist es nicht. Denn Senator Santana mischt kräftig mit. Er hat Ricards Vorschlag gebilligt und das heißt nichts anderes, als das Ricards Schergen still zusehen werden, wenn die Kiowans mal wieder mordend und plündernd durchs All ziehen.
Und niemand kann sie dafür zur Rechenschaft ziehen. Seine Gilde wird auch euch nicht mehr helfen. Also, was wollt ihr? Ein System, in dem ihr kaum noch leben könnt?
Als Söldner habt ihr innerhalb kürzester Zeit ausgedient. Wollt ihr als Farmer oder Penner auf irgendeinem Planeten enden, von dem ihr aber niemals weg kommt, da sich niemand mehr traut, dorthin zu fliegen? Raumstationen, die kaputtgehen, weil niemand sie mehr versorgt? Ihr habt alle Familie, oder? Vielleicht haben sie Glück, vielleicht auch nicht.“
Manley stand auf, sie ging auf Deacan zu.
„Die CIS ist gegen Ricards leider machtlos. Die Gesetzgebung der Gilden kann von uns nicht angefochten werden, sobald mindestens ein Senator des Systems dem neuen Gesetzesvorschlag zugestimmt hat.
Das ist bereits geschehen. Rückgängig machen können wir es nicht. Die einzige Möglichkeit gegen Ricards vorzugehen besteht darin zu beweisen, dass seine Leute die Kiowans verteidigen, also Seite an Seite mit ihnen kämpfen.
Damit würden sie gegen die Grundgesetze des Tri-Systems verstoßen und wir hätten den Grund zum Handeln, den wir suchen. Das wäre dann eure Aufgabe. Wir versuchen natürlich, euch in jeglicher Hinsicht zu unterstützen.
Waffen und Treibstoff, das können wir euch bieten.“
„Schön und gut. Aber Ricards anzugreifen kommt Selbstmord gleich. Seine Elitepiloten fliegen Maschinen, die schneller, besser bewaffnet und stärker gepanzert sind als unsere.
Ich habe nicht vor, mein Leben so ohne weiteres wegzuwerfen.“
Ein älterer Pilot hatte das Wort ergriffen. Seine Kameraden nickten teilweise zustimmend.
„So viel kann mir keiner zahlen, selbst die CIS nicht. Tut mir leid.“
Er stand auf, drei andere Piloten folgten seinem Beispiel. Sie verließen wortlos das Lokal.
Deacan dachte nach. Vier weniger, blieben noch sieben. Deacan hielt nichts mehr auf seinem Platz, er stand auf.
„Ja, es ist gefährlich. Wenn ihr gehen wollt, bitte, es steht euch frei, diesen Raum zu verlassen. Euch bleiben nur noch wenige Monate oder Jahre, bis Ricards alles im Tri-System übernommen hat. Ich erwarte eure Entscheidung.“
„Jetzt sofort?“
Der junge Pilot, der zu Beginn des Gesprächs dazwischen geredet hatte, sah ihn jetzt fragend an. Deacan nickte.
„Je schneller ihr euch entscheidet, desto schneller können wir handeln. Also?“
Einer der Piloten stand auf, er sprach wohl aus, was alle hier dachten.
„Was soll’s? Treten wir Ricards Schergen kräftig in den Arsch!“
„Erfolgsmeldung, Ser Tron.“
Manley trat näher an Deacan heran.
„Sicher. Aber der Weg wird schwerer als wir denken.“
„Ja, aber der Anfang ist gemacht. Gute Arbeit, Privateer.“
Deacan rief seine Leute wieder zur Ruhe, dann begann er zusammen mit Manley, Einzelheiten ihres Plans an die anwesenden Privateers weiter zu geben.
 
part 32

*
Keine fünfzig Meter von Deacans Meeting entfernt waren zwei Damen gerade dabei, wieder wach zu werden.
Wach und nüchtern. Eine schwierige Aufgabe, insbesondere was den letzteren Teil betraf.
Vor Teanna stand ein Katerfrühstück auf dem Bett, Ivy versuchte durch etwas frische Luft ihren Kopf wieder klar zu bekommen, sie saß am offenen Fenster.
„Willst du das wirklich trinken?“
Ivy wies auf das Glas in Teannas Hand. Der Glasinhalt schien undefinierbar zu sein, Ivy wusste aber, das ihre Freundin neben Kaffee noch Zitrone und jede Menge an Kopfschmerztabletten darin aufgelöst hatte.
„Was sein muss. Augen zu und weg damit.“
Sie leerte das Glas in einem Zug, stellte es wieder auf den Tisch und verzog ihr Gesicht zu einer wahren „Ich hasse es“ Grimasse.
„Pfui Teufel.“
Ihr Blick ging zu Ivy, die gerade ihr MACS beim Wickel hatte.
"Neue Meldungen? Von Manley meine ich?“
Ivy schüttelte den Kopf.
„Nichts. Ich will das Teil von Ser Furlong so schnell wie möglich los werden.“
„Das geht mir nicht anders. Sag mal, haben wir heute schon irgendwas hübsches vor? Nein? Nun gut, dann machen wir die City unsicher.“
Ivy lehnte sich wieder aus dem Fenster.
„Geht klar. Aber erst, wenn das Orchester in meinem Kopf wieder normale Musik spielt.“
„Ich weiß, was du meinst, liebste Ivy. Ich fühle mich, als wenn ich auf spitzen Steinen geschlafen hätte.“
„Ja, genau. Schmerz lass nach.“
Teanna und Ivy brauchten rund zwei volle Stunden, ehe sie wieder halbwegs oben auf waren. Müde, mit tiefen Augenringen und stark verklärten Blick verließen sie ihr Hotel. Die vergangene Nacht konnte man ihnen deutlich ansehen.
Eher lustlos schlenderten sie über die Strassen, hier und da blieben sie kurz stehen, lenkten ihre Aufmerksamkeit auf ein paar Schaufenster. Und in regelmäßigen Abständen sah Ivy auf ihr MACS.
Manley musste sich doch bald bei ihnen melden! Nur – die Agentin schien sich Zeit zu lassen. Langsam wurde Ivy ungehalten.
„Was denkst du, vielleicht wäre es besser, wenn ich versuche, Manley zu erreichen. Ich meine, das kann doch eigentlich nicht so schwer sein, oder? Okay, uns fehlt die ID, aber auf den offiziellen Kanälen muss doch was machbar sein.“
Teanna blieb stehen, überlegte kurz.
„Einverstanden. Aber nicht hier. Wir brauchen dafür einen ruhigen und abgeschirmten Ort.“
Kein schlechter Gedanke, nur wo war man hier ungestört? Teanna und Ivy sahen sich an.
„Der Raumhafen!“
Ivy nickte.
„Besser wäre unser Jäger.“
Beide machten kehrt und begaben sich in Richtung ihres neuen Ziels. Als sie wieder am Hope vorbei kamen, verließen einige Männer gerade das Lokal.
Seltsam. Draußen hatte Teanna doch deutlich vorhin das Schild „Geschlossen“ gesehen.
Oder etwa nicht? Nun, Teannas zweiter Vorname war bekanntlich Neugier, sie beschloss einen kurzen Blick zu riskieren. Vermutlich hielt man im Hope so etwas wie einen Stammtisch ab.
Mit schnellen Schritten ging sie in Richtung Eingang, als plötzlich die Tür von innen geöffnet wurde. Teanna stutzte, dann drückte sich sofort an die Wand, sie ging langsam und leise an ihr entlang zu einer kleinen Gasse, die neben dem Hope verlief. Sie schob Ivy dabei wie einen Sichtschutz vor sich her. Ihr Verhalten hatte einen guten Grund.
Tron mit Namen. Deacan Tron.
Der war gerade in der Tür vom Hope erschienen, just in dem Moment, als sie ihre Neugier befriedigen wollte. Teanna hoffte, dass er sie nicht registriert hatte. Es hatte jedenfalls nicht den Anschein, denn Ser Tron verschwand wieder, er begab sich ins Innere vom Lokal.
Na Prima! Da hatten sie versucht, Ser Tron aus dem Weg zu gehen. Und er tauchte ausgerechnet hier auf. Im Land der Hochstimmung. Teannas Laune sank erst einmal ins Bodenlose. Sie wandte sich Ivy zu.
„Hast du gesehen?“
„Sicher. Was macht der hier?“
Teanna zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung. Aber wo der ist, da ist der Ärger nicht weit. Wollen wir abhauen?“
„Wieso? Er hat uns nicht gesehen, Teanna! Ich glaube nicht, dass er überhaupt ahnt, dass wir hier sind. Er kann es einfach nicht wissen!“
„Gut, gehen wir davon aus, dass er nur zufällig hier ist. Fakt ist, dass er gerade mit ein paar Privateers gesprochen hat. Er plant etwas, ich kann das spüren.“
„Ach ja?“
„Vorschlag. Warum fragen wir nicht einfach einen seiner Gäste?“
„Teanna, ich halte das für keine gute Idee.“
Teanna baute sich vor Ivy auf.
„Liebste Ivy, ich habe jetzt einfach einmal das letzte Wort. Und ich sage, gehen wir doch fragen.“
Ivy seufzte. Scheiß Idee. Ärger war vorprogrammiert. Teanna blickte um die Ecke, hinter der sie sich mit Ivy versteckt hatte. Zwei Söldner standen noch vor dem Lokal, sie schienen sich angeregt zu unterhalten.
Teanna erhaschte nur einige Wortfetzen, so wenig, das keinerlei Sinn darin zu finden war. Nach gut fünf Minuten trennten sich die beiden, einer ging Richtung Innenstadt, der andere steuerte die Transitfähre zum Raumhafen an. Na bitte, da wollten sie doch auch hin.
Teanna wies mit der linken Hand auf ihr neues „Opfer“.
„Der da. Los, hinterher. Aber unauffällig!“
Da die Strassen sich langsam wieder mit Menschen füllten, fiel es Teanna und Ivy nicht sonderlich schwer, unbemerkt dem Privateer zu folgen. Den Typen im Auge zu behalten, das war jedoch nicht so leicht. Ivy verlor mehrfach Sichtkontakt, da seine Richtung aber fest zu stehen schien, fanden sie ihn immer schnell wieder. Schließlich hatte er den Shuttleturm erreicht, er blieb vorm Eingang stehen und betätigte die Taste zur Lifttür.
Diese öffnete sich, er betrat die Fahrstuhlkabine.
Teanna und Ivy rannten zur Tür, die sich gerade schließen wollte. Teanna verhinderte das, indem sie ihre Hand in den Türspalt steckte. Die dort angebrachten Sensoren reagierte sofort, die Türen öffneten sich für die verspäteten Fahrgäste. Atemlos stiegen sie ein.
Der Privateer blieb stumm in seiner Ecke stehen, als der Lift die Türen schloss und seine Fahrt aufnahm. Teanna hatte jetzt den ersten ausgedehnten Sichtkontakt zu ihrer Zielperson.
Ein sehr junger Mann. Gepflegte Erscheinung, saubere und recht teure Klamotten, kurze Haare. Ein Chronometer zierte sein linkes Handgelenk. Teanna sah etwas genauer hin. Ein wertvolles Einzelstück, vermutlich auf Anhur hergestellt.
Alles in allem entsprach er aber nicht ihrem Geschmack. Er sah zu sehr nach einem Geschäftsmann aus, wie ein Vertreter. Der Lift war oben angekommen, zu dritt stiegen sie in die Transitfähre um, die kurz darauf ihre Fahrt aufnahm. Jetzt hatte sie Zeit.
Genau zwanzig Minuten. Zeit, die sie nutzte.
„Ist ein starker Planet, was?“
Na ja, zugegeben kein grandioser Start. Aber es war eben auch nur ein Anfang. Der Mann setzte sich ein wenig aufrechter hin.
„Ja, ist nicht schlecht. Stammgast?“
Nö. Das brauchte er aber nicht zu wissen. Teanna lächelte süß.
„Ja, wir kommen ziemlich oft hierher. Es gibt keinen besseren Ort, um neue Leute kennen zu lernen.“
Wieder dieses Unschuldslächeln. Na? Biss er an? Einige Sekunden verstrichen.
„Ser Ian Suman.“
Na also, der Fisch hing am Haken. Jetzt hieß es nur noch, ihn vorsichtig aus dem Wasser zu ziehen. Teanna gab ihn ihre Hand zur Begrüßung. Der Mann setzte das Gespräch fort.
„Im Gildenauftrag hier? Oder macht ihr es wie ich, auf eigene Rechnung?“
„Auf eigene Rechnung. Ist besser, keiner kontrolliert einen, man kann tun und lassen, was man will.“
Der Mann nickte zustimmend.
„So ist es. Außerdem, seit dem sich eine der Gilden diesen Pakt mit den Kiowans unterworfen hat, ist es meiner Meinung nach auch besser, nicht im Gildenauftrag unterwegs zu sein. Man lebt dann länger.“
Sowohl Teanna als auch Ivy hatten die Nachrichten verfolgt, sie wussten von Ricards und dessen ominösen Angebot. Sie maßen der Sache aber keine wirklich große Bedeutung bei. Sicher, es würde ein paar hässliche Auseinandersetzungen geben.
Aber die gab es auch vorher schon. Wie dem auch sei, Ser Suman schien an der ganzen Angelegenheit sehr interessiert zu sein, sonst hätte er das Gespräch anders begonnen. Teanna kam es in den Sinn, dass Ser Tron sich vielleicht auch damit beschäftigte. Möglicherweise hatte ja das Treffen vorhin im Hope etwas damit zu tun.
„Schade nur, dass keiner dagegen etwas unternimmt.“
Ser Suman horchte auf. War diese junge Dame etwa ein potentieller weiterer Pilot für das Team? Nun, Ser Tron hatte sie alle gewarnt. Ricards würde versuchen, einen Keil in das Lager der unabhängigen Piloten zu treiben, um dann leichtes Spiel zu haben.
Er betrachtete Teanna und Ivy scharf aus den Augenwinkeln. Wie die Schergen von Ricards sahen die beiden nicht aus. Trotzdem, Vorsicht war angebracht.
„Und wenn es jemanden gäbe, der Ricards dazwischen funkt?“
Für Teanna war diese Frage wie eine Art Bestätigung. Es ging anscheinend wirklich um Ricards.
„Ich würde ihn entweder für sehr mutig oder sehr dumm halten. Jeder Mann kennt doch das hohe Niveau von Ricards Elitetruppen. Man müsste schon ein verflucht guter Pilot sein, um solch ein Gefecht zu überleben. Es zu gewinnen wäre mit Sicherheit fast unmöglich.“
„Ein einzelner hätte keine Chance. Aber wenn sich mehrere Piloten zu einem Team zusammen schließen würden, sähe die Sache anders aus.“
Der Kerl sprach fast so, als wäre er einer dieser Piloten. Teanna überlegte, ob es sinnvoll wäre, das Gespräch weiter voran zu treiben. Sie beschloss, es vorerst dabei zu belassen.
Denn ihr kam jemand in den Sinn, der ebenfalls davon wissen musste. Sera Manley.
Deacan arbeitete doch mit ihr zusammen, jedenfalls hatte es den Anschein. Und sie hatte etwas bei sich, das Manley haben wollte. Früher oder später würde sie auftauchen, um es abzuholen. Dann könnte sie weitere Fragen stellen. Und ein paar Antworten bekommen.
Hoffte sie.
 
part 33

*
„Ser Tron, wir haben Probleme.“
Manley stürzte ins Zimmer, sie hielt ihr MACS in den Händen.
„Was ist los?“
„Eine Meldung von Crius. Sie kam vorhin rein, als wir das Meeting hatten. Ich wollte sie erst lesen, wenn wir fertig sind. Sie wissen doch, dass ich sagte, das Sera Tasker und Sera Banks auf Crius einen kleinen Job erledigen sollten.“
„Ja, ich kann mich sehr gut daran erinnern.“
„Tja, ihr Auftrag ist Geschichte. Man hat unseren Informanten vor Kurzem vom Asphalt gespachtelt.“
„Spitze. Zur Zeit geht alles schief. Haben unsere Grazien wenigstens Erfolg gehabt?“
„Ich weiß es nicht. Wir sind gerade dabei, sie zu kontaktieren. Sie sind jedenfalls nicht mehr auf Crius.“
Deacan wurde auf einmal sehr ernst.
„Finden Sie die zwei. Und zwar schnellstens.“
Manley schien überrascht zu sein.
„Darf ich fragen, wieso Sie plötzlich ein derartiges Interesse an dem Wohlergehen der beiden haben?“
„Sagen wir, ich bin der Ansicht, dass Sera Tasker und Sera Banks noch sehr nützlich sein könnten.“
Manley zog die Stirn in Falten.
„Könnten Sie da etwas genauer sein?“
„Im Moment nicht. Mir schwebt da aber schon etwas vor, haben Sie ein wenig Geduld, Manley. Sie wissen doch, gut Ding will Weile haben.“
Deacan drehte sich um, ging wieder an seinen Tisch, nahm dort Platz. Dann griff er zum MACS und ging Strategiepläne durch.
Pläne, wie sie vom Militär genutzt worden. Er wusste, ein offener Kampf gegen Ricards war nicht zu gewinnen. Es musste einen anderen Weg geben.
Manley ließ ihn in Ruhe, sie verließ den Raum und begab sich ins Nebenzimmer, wo Chyna und Drake friedlich die Nachrichtenkanäle durchstöberten. Ein Bild für die Götter. Ja, Manley war immer wieder zutiefst erstaunt, wie aus Rivalen Freunde werden konnten.
„Und Sie? Suchen sie etwas bestimmtes?“
Chyna sah Manley kurz an, dann ging ihr Blick wieder zum Display.
„Nicht direkt. Wir versuchen hier gerade, eine Karte zu erstellen.“
„Interessant. Was für eine Karte denn?“
Oh, man! War es so schwer, sofort zu sagen, was man dort vorm Display trieb? Immer diese lästige Nachfragerei.
„Nun, wir suchen die Orte zusammen, an denen die Kiowans in den letzten sechs Monaten zugeschlagen haben. Deacan hatte damit vor ein paar Tagen begonnen, wir beenden das jetzt.“
„Und schon erste Ergebnisse?“
„Ja, allerdings. Sie wurden sehr häufig in der Nähe von Petra gesehen.“
Petra? Manley dachte nach. Teannas Vater diente doch dort. Wieso meldete er das nicht? Er hätte die Häufung der Piratenaktivitäten doch in seinen offiziellen Berichten mit erwähnen müssen.
Manley war sich sicher, dass er das nicht getan hatte. Jeder Report landete zuerst auf ihrem Schreibtisch. Sie las ihn als erste, erst dann bekam Hassan ihn zu Gesicht. Seit über sechs Jahren war das so. Und Manley war sich sicher, dass es dabei bleiben würde. Dieser Sache sollte sie auf jeden Fall nachgehen. Sie machte sich eine kurze Notiz auf ihrem MACS, dann setzte sie sich zu Chyna und Venice Drake. In Gedanken war sie aber schon wieder bei ihrer Arbeit.
Hier stimmte viel mehr nicht, als es den Anschein hatte.

*
Unter dem Vorwand, sie hätten etwas wichtiges vergessen, kehrten Teanna und Ivy mit der Fähre zur Metropole zurück. Teanna hatte Ivy darum gebeten, das sie das Hotelzimmer für einige weitere Tage verlängern sollte. Denn Ser Tron wohnte direkt gegenüber. Und sie wollte ihn keine Sekunde mehr aus den Augen lassen.
Und Ivy? Sie war alles andere als begeistert. Nein, dieses Spiel gefiel ihr überhaupt nicht.

*
„Eine Nachricht für Sie, Ser!“
Die Stimme aus der Gegensprechanlage klang etwas verzerrt.
„Stellen Sie die Mitteilung zu mir durch.“
„Wie Sie es wünschen.“
Ricards drehte seinen Sessel um, er blickte jetzt auf ein riesiges Display an der Wand seines Büros. Per Fernbedienung aktivierte er den Bildschirm. Ein junger Söldner kam ins Bild, er grüßte Ricards nur zögernd.
„Nun, mein junger Freund, wie sieht es aus?“
„Ser, unsere Nachforschungen haben erste Erfolge erbracht. Wir konnten feststellen, dass die Kiowans in der Nähe vom Planeten Petra sehr oft mit Transportschiffen arbeiten.
Es scheint so, als würden sie irgendwo in der Nähe das Metall abbauen. Wünschen Sie, dass wir einen der Frachter genauer untersuchen?“
„Auf keinen Fall! Halten Sie Ihre Position, Sie werden nichts tun ohne meine Einwilligung. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn unsere neuen Verbündeten bemerken würden, dass wir sie ausspionieren.
Unsere Sicherheit wäre dann nicht mehr gewährleistet. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“
„Ja, Ser. Übertragung Ende.“
Der Bildschirm erlosch. Ricards drehte sich wieder um und schob seinen Stuhl dichter an den Schreibtisch heran. Die Fernbedienung legte er vor sich auf dem Tisch ab.
Dann holte er tief Luft, aktivierte die Gegensprechanlage.
„Sera Ronca, würden Sie bitte zu mir herein kommen?“
„Sofort Ser.“
Nur Augenblicke später betrat die Sekretärin Ricards Büro. Sie blieb vor seinem Schreibtisch stehen.
„Sie wünschten mich zu sehen?“
Ricards nickte. Dann lehnte er sich in seinem Stuhl zurück.
„Ich wünsche, dass sie folgende Nachricht an die CCN-News weitergeben.“
Er hob ein Blatt Papier vom Schreibtisch hoch, Sera Ronca nahm es entgegen.
„Soll ich einen Kommentar dazu verfassen?“
„Das ist nicht nötig. Es spricht für sich selbst. Das war dann alles.“
Die Sekretärin drehte sich um, begab sich in Richtung Tür, als Ricards noch etwas einfiel.
„Ach, sagen Sie mal, gibt es etwas neues von Ser Tron?“
„Nein Ser. Er weilt wohl noch auf Hades, im Hospital.“
„Ich brauche in diesem Punkt Gewissheit. Schicken Sie jemanden hin, der das überprüft.“
Sera Ronca nickte als Bestätigung, dann verließ sie den Raum. Ricards blieb allein zurück. Er lächelte diabolisch. Die Papagos schienen ihm die Sache mit Tron abgenommen zu haben.
Ein Problem weniger. Dass er damit völlig falsch lag, konnte er nicht wissen.
 
part 34

*
Das leise Piepsen ihres MACS ließ Ivy aufhorchen. Sie aktivierte ihr Gerät, und Manleys Gesicht erschien auf dem Display.
„Na endlich! Wurde auch höchste Zeit, dass Sie uns kontaktieren.“
Manley versuchte, ihre Sorge um Teanna und Ivy zu verbergen.
„Tut mir leid, aber es gab wichtige Dinge zu erledigen.“
Teanna nahm kurzerhand das MACS Ivy aus der Hand, da gab es einigen Ärger, den sie jetzt an die Luft lassen wollte. Dann legte sie das finsterste Gesicht auf, das ihr möglich war.
„Ach ja? Wichtiger als wir? Hören Sie, wir fanden es nicht gerade komisch, das unsere Zielperson uns vor die Füße geknallt ist. Aus der vierten Etage. Ich weiß zwar nicht, ob Ivy so etwas mag, ich für meinen Teil habe keine große Lust, das noch mal zu erleben. Wenn sie wieder mal einen Dienstboten brauchen, suchen sie sich gefälligst einen anderen, klar?“
„Ich verstehe Sie sehr gut, Sera Tasker. Auch die Wut, die Sie im Bauch haben. Aber Risiko gehört nun mal zum Geschäft.“
Kurzes Schweigen. Dann fuhr Manley fort.
„Wo sind Sie jetzt?“
„Auf Janus IV. Wir könnten uns in der Nähe vom Raumhafen treffen, wenn Ihnen das recht ist.“
„Sie haben das Teil von Furlong erhalten?“
„Ja. Aber ich hoffe inständig, dass ich es nicht mehr sehr lange mit mir herum schleppen muss.“
„Gut. Passen sie darauf auf, es ist sehr wichtig. Ich treffe sie in einer Stunde. Manley Ende.“
In einer Stunde? Das würde bedeuten, das Manley schon auf Janus IV war. Sicher half sie diesem Söldner namens Tron, bei was auch immer. Mist! Ihr fiel ein, dass sie Manley fragen wollte, was in der Kapsel eigentlich drin war.
Sie langte mit ihren Fingern vorn in die Korsage, holte die Kapsel hervor. Das Teil war klein, grau und sehr leicht. War da überhaupt etwas drin? Nun ja, in einer Stunde wäre sie das Teil los. Und möglicherweise würde sie dann nie erfahren, was den Inhalt betraf.
Aufmachen oder nicht? Ivy bemerkte das Verhalten ihrer Freundin. Kurzerhand schritt sie ein, nahm Teanna sowohl die Kapsel als auch die Entscheidung ab.
„Lass es bitte sein. Wir haben schon genug Ärger, da musst du nicht noch auch anfangen, Mist zu bauen.“
Teanna schmollte ein wenig. Aber Ivy hatte vermutlich recht. Aber wie dem auch sei, sie würde auf jedem Fall an Manley oder Deacan Tron dran bleiben. So der so würde sie alles über den Inhalt der Kapsel erfahren. Und wenn nicht, dann...
Teanna dachte kurz nach. Dann sah sie ihre Freundin an.
„Du kannst es ruhig wieder mir geben. Ich mache es nicht auf, versprochen.“
„Nun gut. Du musst wissen, was du tust. Aber warne mich bitte vor, ja? Ich werde dann dich in die Schusslinie stellen, mein kleiner, süßer Kugelfang.“
„Liebste Ivy, manchmal glaube ich, dass du noch bösartiger sein kannst als ich.“
„Ich glaube mich daran zu erinnern, dass ich dir mal sagte, das Leute vom Planeten Terrel gewalttätig, mordlustig und auch schadenfroh sind, oder? Also, denke immer daran.“
Ivy gab die Kapsel wieder an Teanna zurück, die das Kleinod wieder am Körper verstaute. Dann nahm sie wieder Platz und schlug die Beine übereinander. Es schien ein sehr interessanter Tag zu werden.

*
Deacan beobachte Manley bei ihren Vorbereitungen für ihr Treffen mit Teanna und Ivy.
Interessant. Wozu Manley wohl ihren Blaster mitnahm? Und eine zusätzliche Energiezelle? Janus IV war ein richtig friedlicher Ort, hier spielten sogar die Wölfe mit den Schafen, anstatt sie zu verputzen. Ja, Janus IV war und blieb ein Planet mit „Friede, Freude, Eierkuchen“ Gütesiegel.
Und jetzt schleppte Manley Waffen an. Sie bemerkte wohl Deacans Schmunzeln.
„Ich bin vorsichtig geworden. Man wird nicht überall mit Rosen empfangen, insbesondere dann nicht, wenn man einen CIS-Ausweis mit sich führt."
„Ach so ist das.“
Der Privateer ging auf Manley zu. Er warf dabei einen flüchtigen Blick auf ihren Aktenkoffer, der offen auf einen Stuhl lag. Hochgradig interessant. Bisher hatte er angenommen, das Manley lediglich Papierkram mit sich herum schleppte.
Der Inhalt des Koffer sprach jedoch eine ganz andere Sprache.
„Ist das der Standart für alle CIS-Beamten?“
Deacan langte in den Koffer und förderte zwei Granaten ans Tageslicht.
„Das dazu passende Abschussgerät liegt in meiner Maschine.“
Auf Deacans Stirn erschienen ein paar Sorgenfalten.
„Aha, jetzt weiß ich, wo unsere Steuergelder bleiben, Manley.“
Die Agentin sah erst Deacan und dann die Granaten in seiner Hand an, nahm sie ihm dann ab und legte sie zurück an ihren Ursprungsort. Dann schien zu kurz nachzudenken.
„Ser Tron, wir geben so gesehen nur sehr wenig für Waffen aus. Für Beerdigungen hingegen ein wahres Vermögen.“
„Ein Scherz, oder?“
„Es wäre schön, wenn es so wäre. Wir verlieren im Monat im Schnitt Zweihundertfünfzig Mann. Nicht mitgezählt einfache Informanten oder Privateers, die in unserem Auftrag unterwegs sind.“
„Kein Wunder, dass die CIS Hilfe benötigt.“
Manley legte ihren Mantel an und griff sich ihren Koffer.
„Wie sehe ich aus?“
Sie versuchte sich in eine verführerische Pose zu werfen.
„Geht so.“
„Geht so?“
Manley wirkte leicht verärgert, sie unterstrich das durch die Art ihrer Blicke. Ja, Deacan wusste mit Worten umzugehen, es war manchmal richtig herzerfrischend.
Umgehend kam jedoch seine Erklärung für die Worte, mit der er Manleys äußere Erscheinung umschrieben hatte.
„Manley, ich würde liebend gern sagen, dass sie umwerfend aussehen, unendlich viel Charme versprühen und jeder Kerl, sagen wir meine Wenigkeit mit eingeschlossen, den Drang verspüren müsste, Sie zu vernaschen.
Geht aber nicht. Weil sich da ein gewaltiges Problem auftut. Und das Problem steht dort in der Tür.“
Er zeigte in die entsprechende Richtung, Manleys Blick folgte der gedachten Linie bis zu ihrem Endpunkt. Der hieß mit Namen Chyna und stand mit verschränkten Armen dort.
„Genascht wird nur bei mir, Deacan. Sonst kriegst du bei all dem Naschwerk noch einen Zuckerschock. Wäre doch schade, oder?“
Chyna drehte sich um, warf einen kecken Blick zu Deacan und verließ mit leichten Hüftschwung ihren Standort. Manley sah ihr fragend nach.
„Sagen sie mal, wie lange kennen sie Sera McCumber schon?“
„Manley, diese Frau hat innerhalb weniger Tage sämtliche Rechte und Besitzansprüche meine Person betreffend übernommen.“
„Ja, Schatz, Widerstand ist zwecklos.“
Chynas Stimme kam aus dem Nebenzimmer. „Tja.“ Deacan zuckte nur mit den Schultern.
„Ich verstehe, Ser Tron, ja ich verstehe.“
Manley schlängelte sich an Deacan vorbei.
„Ich denke mal, dass ich nicht länger als zwei Stunden brauchen werde, okay? Also, man sieht sich. Bye.“
Das Geräusch der ins Schloss fallenden Tür war das letzte, was Deacan von Manley vernahm. Ein wenig Ruhe kehrte ein. Der Söldner setzte sich aufs Bett, griff wieder zum MACS und setzte seine Studien über Taktik fort.
 
part 35

*
Manley traf etwas verfrüht am vereinbarten Treffpunkt ein, ein Blick auf die Uhr zeigte, das sie noch rund eine viertel Stunde warten musste. Gut, ein wenig Zeit um zu verschnaufen und um ein paar Kontakte herzustellen.
Sie holte ihr MACS unter ihren Mantel hervor.
„Computer, Kontakt zum CIS Schlachtschiff Thunder herstellen, ID CIS 4430-A7.“
Einen Augenblick lang war Ruhe, dann leuchte das Display auf, ein CIS-Offizier erschien auf der Bildfläche.
„Hier Schlachtschiff Thunder. Was können wir für Sie tun, Sera Manley?“
„Nehmen Sie Kurs auf Petra und warten Sie einige Sprungpunkte vor dem Planeten auf weitere Befehle.“
Kurs auf Petra? Der Offizier schien ein wenig verwirrt zu sein. Er hakte nach.
„Irgendein spezieller Grund dafür? Die Truppen von Petra könnten das doch auch erledigen. Die Strecke ist nicht gerade kurz, wissen Sie? Wir werden gut und gerne fünfzehn Stunden dorthin brauchen.“
„Sie haben Ihre Befehle. Wir vermuten, dass unsere Truppen auf Petra nicht mehr so ganz loyal sind, wie es den Anschein hat.
Also, keine Kommunikation zum Planeten, verstanden? Manley Übertragung Ende.“
Gespräch Nummer eins war damit erledigt. Manley nahm Kontakt zu Hassan auf, der befand sich bereits in der Nähe auf einen Träger der CIS und koordinierte den Ablauf der zu erwartenden Gefechte mit den Kiowans persönlich.
Das hier war zu wichtig, als dass er diese Aufgabe in fremde Hände gegeben hätte.
„Sera Manley! Ich hoffe inständig, dass Sie Erfolg hatten.“
„Nun ja, Ser, wie man es nimmt. Ser Tron hat es geschafft, einige Söldner auf seine Seite zu ziehen. Ich weiß inzwischen, dass die Kiowans rund um Petra in letzter Zeit sehr aktiv waren.
Ich finde es in hohem Masse interessant, dass der zuständige Kommandant von Petra uns das nicht gemeldet hat. Ich denke, sie sollten sich mal mit Ser Tasker unterhalten, wie Sie ja wissen ist er verantwortlich für diesen Bereich.“
Hassan wirkte verärgert.
„Und woher wissen Sie davon?“
„Dank der umfangreichen Aufzeichnungen seitens der Privateers in diesem Sektor, Ser.“
„Manley, was ich Ihnen jetzt sage, darf auf keinen Fall in die Öffentlichkeit gelangen. Ser Tasker scheint diverse Piraten in seinen Sektor zu decken. Uns fiel das bereits vor einigen Monaten auf, nur richtige Beweise fehlten uns noch. Bis jetzt.
Wir hatten gehofft, Ser Tasker in aller Stille aus dem Verkehr ziehen zu können. Ich hoffe, dass Sie noch keinerlei Aktionen gegen ihn zu laufen haben.“
„ Nun Ser, nicht direkt.“
Seltsam. Wieso hatte Hassan ihr kein Wort von dieser Aktion mitgeteilt? Traute er ihr nicht? Oder hatte er Angst, dass einer von seinen Leuten nicht dicht halten konnten?
„Ser Hassan, ich dachte immer, dass Sie mir alles berichten würden, was CIS-Operationen betreffen würde? Warum auf einmal diese Geheimniskrämerei?“
Hassan schien nach den richtigen Worten zu suchen.
„Manley, ich vertraue Ihnen blind, aber Ihren Mitarbeitern nicht. Ser Tasker scheint von unserer Überwachungsaktion Wind bekommen zu haben, sonst hätten wir ihn schon längst auf die Reservebank verdammt. Es tut mir leid, wenn Sie das Gefühl haben, dass ich nicht ehrlich zu Ihnen war.“
„Gut, ich verstehe Ihre Beweggründe. Trotzdem bin ich ein wenig enttäuscht von Ihnen, Ser Hassan.“
Manley fiel es sichtlich schwer Ihren Ärger zu verbergen.
„Themenwechsel. Ich treffe in wenigen Minuten auf Sera Tasker und Sera Banks, um die Nachricht von Ser Furlong abzuholen. Ich kontaktiere Sie wieder, wenn ich die Mitteilung in meinen Besitz habe. Manley Übertragung Ende.“
Manley hatte das Gefühl, als wenn Hassan ihr noch etwas sagen wollte, sie brach die Verbindung aber einfach ab. Es war alles gesagt worden, es gab keine Unklarheiten mehr.
Und Manley dachte nach. Hassan war also der festen Überzeugung, dass einer von ihren Leuten die Klappe nicht halten konnte. Seine Vermutung basierte sicherlich auf einigen Tatsachen. Ein paar Nachforschungen würden sich in diesem Punkt bestimmt lohnen.
Eine Stimme aus dem Hintergrund ließ sie aufhorchen.
„Sera Manley?“
Teanna und Ivy standen nur wenige Meter von ihr entfernt im Licht einer Halogenlampe.
„Schön Sie zu sehen. Wenn Sie mir jetzt bitte das geben würden, was Sie von Ser Furlong erhalten haben?“
Teanna atmete tief durch, dann langte sie sich erneut vorn tief in die Wäsche. Sie reichte die Kapsel an Manley weiter.
„Was ist da drin?“
Manley ließ ihre Augen nicht von der Kapsel, während sie Antwort gab.
„Ich denke, dass Sie das beim besten Willen nichts angeht.“
„Ach ja? Ihr Informant bezahlte einen hohen Preis dafür, ich möchte nicht wissen, wer jetzt hinter uns her ist.“
Manleys Blick ging jetzt zu Teanna.
„Haben sie den Täter etwa gesehen?“
„Gesehen ja, erkannt nicht. Aber wenn er oder sie wusste, dass Furlong das Ding besaß, dann wird die selbe Person jetzt auch wissen, dass wir es haben. Oder besser hatten. Ich frage also noch einmal, was ist da drin?“
Manley dachte kurz nach, dann fällte sie eine Entscheidung.
„Nicht hier. In einigen Stunden wird ein Träger der CIS hier im System auftauchen. Fliegen Sie ihn an und bitten Sie um Landeerlaubnis. Ich werde auch an Bord sein, dann erfahren Sie mehr. Eventuell.“
Eine äußerst unbefriedigende Antwort. Teanna fühlte sich gar nicht wohl bei den Gedanken, ihren Jäger auf einen CIS-Träger zu parken.
„Ihr letztes Wort?“
Manley nickte.
„Entweder so oder gar nicht. Sie haben die Wahl, Sera Tasker.“
„Ich denke darüber nach. Wann sagten sie trifft das Schiff hier ein?“
„In etwa drei Stunden. Wir werden sie kontaktieren, wenn Ihnen das lieber ist.“
„Gut. Man sieht sich dann an Bord.“
„Oder auch nicht.“
Ivy versuchte, ihr Unbehagen zum Ausdruck zu bringen. Dann verschwand sie mit Teanna wieder in die Richtung, aus der die beiden gekommen waren. Manley sah ihnen nach.
„Ser Tron, ich glaube, da ist Verstärkung auf dem Weg.“
Sie warf die Kapsel in die Luft, fing sie dann wieder auf.
„Manchmal ist es wirklich gut, beim CIS zu sein.“
Ihre Worte verhallten ungehört in der menschenleeren Halle. Sie steckte die Kapsel ein und ging dann in Richtung Ausgang.
 
part 36

*
Inzwischen war es Mittag geworden.
Die angenehmen Temperaturen draußen luden regelrecht zu einem kleinen Bummel durch die Innenstadt ein, Chyna und Sera Drake waren jedenfalls unterwegs, nur Deacan war allein zurück geblieben. Er war sowieso nicht von seiner Arbeit abzubringen.
In den letzten Stunden nahm sein Plan A, wie er ihn nannte, Gestalt an. Plan B gab es auch schon, der war aber eher radikaler ausgelegt und wäre nur mit größten Schwierigkeiten umsetzbar gewesen. Von den Verlusten mal ganz zu schweigen.
Deacan behielt ihn aber trotzdem im Hinterkopf, falls alles schief gehen sollte, wollte er wenigstens noch die Möglichkeit haben, Ricards zu erledigen. Dass er selbst dabei drauf gehen würde, war ihm klar. Und seltsamerweise irgendwie egal. Früher oder später musste jeder einmal sterben, und wenn er schon an der Reihe war, wollte er das Tri-System zumindest noch von einer Plage befreien.
Er beschloss, Chyna besser nichts von Plan B zu erzählen. Das war seine Sache, nicht ihre. Er legte sein MACS beiseite, schloss für ein paar Sekunden die Augen.
Ruhe.
Früher hätte er das genossen. Im Moment aber nicht. Er wusste, dies war die Ruhe vor dem Sturm. Und ein gewaltiger Sturm zog auf. Jemand klopfte an die Tür. Chyna und Drake waren erst vor einer halben Stunde gegangen und konnten noch nicht zurück sein, es sein denn Schusselchen Chyna hatte etwas vergessen. Deacan stand auf, ging zur Tür und positionierte sich links von ihr.
„Ja, bitte?“
Eine Frauenstimme klang durch die Tür.
„Ser Tron? Könnte ich Sie kurz sprechen?“
Kein Name. Diese Begrüßungsfloskel klang eher irgendwie nach Ärger.
„Wer sind Sie?“
Kurzes Zögern auf der anderen Seite der Tür.
„Ich bin eine Freundin von Sera McCumber. Ist sie da?“
Jetzt wurde es richtig interessant. Deacans Besucher kannte nicht nur seinen Namen, nein, sie hatte auch den von seiner Begleitung parat. Entweder war dies ein Trick oder tatsächlich jemand, der Chyna kannte. Soweit sich Deacan erinnern konnte, hatte Chyna zu niemanden Kontakt aufgenommen.
Bis auf ihre Eltern, und das war vor zwei Tagen gewesen. Schickten die ihnen vielleicht auf diese Weise eine Botschaft? Nein, die Dame hatte eindeutig zuerst nach ihm verlangt, nicht nach Chyna. Da stand also tatsächlich so etwas wie Ärger vor der Tür.
„Einen Moment bitte.“
Deacan entfernte sich wieder von der Tür, er wollte wenigstens sein Messer dabei haben, falls es zum Kampf kommen sollte. Wenn sein Besucher eine Schusswaffe dabei hatte, war er in beachtlichen Schwierigkeiten. Er verstaute die Waffe hinten im Hosenbund und verdeckte sie mit seinem Shirt.
Dann öffnete er die Tür einen kleinen Spalt breit, um seinen Gast in Augenschein zu nehmen. Vor der Tür stand eine junge Dame, kaum älter als zwanzig. Deacan betrachtete sie von oben nach unten. Sie hatte ihre Hände in Sichtweite, Waffen konnte er keine erkennen, aber das musste nichts heißen.
„Sera McCumber ist im Augenblick nicht da, kommen Sie bitte später wieder, ja?“
Der Gast wollte sich damit aber nicht abspeisen lassen.
„Hören sie, ich bin lediglich auf der Durchreise, ich habe daher nur sehr wenig Zeit. Wissen sie, wann Chyna wieder da ist?“
Deacan zögerte mit der Antwort. Er kannte die Frau nicht, nicht mal vom Sehen her. Sie hatte weder eine Tasche noch sonst etwas dabei, ihre ziemlich knappe und sehr eng sitzende Bekleidung ließ es wohl kaum zu, dass man darunter Waffen welcher Art auch immer tragen konnte.
Kein allzu großes Risiko.
„Wollen Sie vielleicht auf Chynas Rückkehr hier warten?“
„Wenn Sie das nicht stört?“
Deacan öffnete die Tür, er bat seinen Gast herein, trat dabei aus der Tür in den Flur. Während sie eintrat, ließ er seinen Blick über den Flur wandern. Hier war niemand zu sehen, nichts zu hören. Er trat ins Zimmer zurück, schloss die Tür hinter sich.
„Auf der Durchreise also. Ihr Gepäck ist wohl schon auf ihrer Reisefähre?“
Die Dame nickte und nahm auf dem Sofa Platz.
„Und?“
„Und was?“
Der Gast sah Deacan fragend an.
„Ihr Name? Ihre Eltern werden Ihnen doch wohl einen gegeben haben, oder?“
„Oh, ich bitte vielmals um Entschuldigung! Ich bin manchmal richtig durcheinander, da vergesse ich schon mal meine gute Manieren.“
Sie stand auf, streckte Deacan die Hand zum Gruß hin.
„Sera Lyana Dawson. Chyna war, nein sie ist eine gute Freundin von mir.“
„Das sagten sie bereits. Darf ich fragen, woher genau sie Chyna kennen?“
„Wir sind ein paar Monate zusammen geflogen, haben gemeinsam Aufträge erledigt. Wir trafen uns zum ersten Mal auf Bex, wo wir Frachtschiffe eskortiert haben. Das war vor einen Jahr.“
Deacans linke Augenbraue schoss in die Höhe.
„Wie kommt es, dass Sie das Cockpit mit einem Platz in einer Transitfähre getauscht haben?“
„Nun ja, sagen wir mal, das mir zur jetzigen Zeit die Lust auf eigene Flüge vergangen ist. Diese ständigen Angriffe von Kiowans, Papagos und wie sie alle heißen gehen auch an mir nicht spurlos vorbei.
Ständig Angst im Cockpit zu haben ist alles andere als hilfreich bei einer Privateerkarriere.“
Eine interessante Argumentation, er würde keine Probleme haben, diese Geschichte zu überprüfen. Später vielleicht.
„Und woher wussten Sie, wo Chyna zu finden war?“
„Ser Kane vom Sinner’s Inn auf Hermes sagte mir, dass sie mit Ihnen unterwegs sei. Als ich versuchte, Chynas Jäger ausfindig zu machen, wurde mir gesagt, dass Sie ihre Maschine von Crius aus verkauft hatte.
Blieben also nur noch Sie, Ser Tron. Kane gab mir Ihre Karte, sehen Sie?“
Sera Dawson langte in ihre Gesäßtasche und holte eine von Trons Visitenkarten hervor, die sie an Deacan weiter reichte.
„Ich brauchte nur zu warten, bis Sie sich irgendwo einloggen würden. Und wie der Zufall es wollte, war ich gerade unterwegs nach Janus IV. Ich konnte nur hoffen, dass sie noch immer mit Chyna unterwegs waren. Was ja anscheinend der Fall ist.“
Sera Dawson ließ ihre Blicke quer durch Deacans Zimmer streifen. Der Privateer erinnerte sich an die Grundregeln der Gastfreundschaft.
„Kann ich Ihnen etwas anbieten?“
„Sicher, gern.“
Er legte die Visitenkarte aus der Hand und begab sich in Richtung Küche. Allerdings nicht ohne Grund. Im Kücheneingang befand sich ein Spiegel, von dem aus Deacan das gesamte Zimmer überblicken konnte. Er selbst blieb dabei nahezu unsichtbar, denn die Küche war recht dunkel gehalten, außerdem war der Blickwinkel, den Dawson auf die Küchentür und den dahinter befindlichen Spiegel hatte, recht ungünstig.
Sera Dawson selbst blieb jedenfalls artig sitzen, machte keinerlei Anstalten aufzustehen. Ihre Geschichte klang eigentlich recht glaubwürdig, trotzdem blieb Deacan vorsichtig. Mit zwei Gläsern und einer Flasche Wein kehrte er ins Zimmer zurück. Er stellte alles auf einen kleinen Tisch ab, schob diesen dann vor das Sofa. Dann nahm er neben Sera Dawson Platz, während er die Flasche öffnete.
„Wissen sie, was mich brennend interessiert?“
Sera Dawson nahm ihr Glas in die Hand, ließ Deacan einschenken.
„Was hat Chyna dazu veranlasst, sich mit Ihnen zusammen zu tun?“
„Ist das ungewöhnlich?“
„Für Chyna schon. Wissen sie, Chyna ging Männern normalerweise immer aus dem Weg. Eine Ausnahme war nur dann drin, wenn der Mann ihr irgendwie von Nutzen sein konnte.“
„Vielleicht habe ich ja einen großen Nutzfaktor für Chyna. Wer weiß?“
„Ja, Sie müssen wirklich etwas besonders sein, wenn die Kleine sogar ihren Jäger aufgibt. Sie glauben gar nicht, wie sehr sie an dem Teil hing.“
Sie nippte am Glas.
„Sagen Sie, Sie haben nicht zufällig was zu Essen im Kühlschrank? Das Essen in der Fähre ist ja an sich nicht schlecht, aber man merkt deutlich, dass es manchmal monatelang gelagert wird, bevor man es serviert bekommt.“
Deacan stand auf, lenkte seine Schritte wieder in Richtung Küche.
„Mal sehen, was sich machen lässt.“
Kaum dass er in der Küche verschwunden war, kam plötzlich Bewegung in Sera Dawsons Körper. Deacan konnte das im Spiegel bewundern.
Sera Dawson beugte sich über den Tisch, sie schien etwas aus ihrer Hand in sein Glas fallen zu lassen. Also doch Ärger. Nun ja, war auch nicht anders zu erwarten.
Deacan pfiff leise vor sich hin, während er den Kühlschrank ausräumte. Er zauberte ein paar belegte Brötchen hervor, dazu etwas frischen Salat, einige Sachen zum knabbern. All dies stellte er auf ein Tablett und begab sich damit wieder zu Sera Dawson aufs Sofa.
Dann warf er einen Blick auf sein Glas. Der Wein darin war nach wie vor von rötlicher Farbe, was auch immer sie hinein getan hatte, es hatte sich komplett aufgelöst. Sera Dawson griff sich eins der Brötchen und begann zu essen.
„Kompliment. Sie scheinen eine Ausnahme von der Regel zu sein.“
„Regel?“
„Das Männer nicht kochen können.“
„Ich habe auch nichts gekocht. Sie sehen also, dass diese Regel sich hier nicht überprüfen lässt.“
Sera Dawson legte ein Lächeln auf, das einen Eisberg zum Schmelzen gebracht hätte. Deacan fuhr sein Schutzschild dagegen aus, bildlich gesprochen. Er rückte ein wenig weiter von Dawson weg, sie bemerkte das natürlich sofort.
„Nervös?“
Sie schlug provozierend die Beine übereinander.
„Keineswegs.“
Er sah sie etwas genauer an. Groß und schlank, die richtigen Proportionen am richtigen Ort, langes, glattes Haar von dunkler Grundfarbe, ein wenig mit blond vermengt. Deacan glaubte sogar einen leichten rötlichen Schimmer zu erkennen. Zusammengefasst ein netter Anblick, irgendwie sogar zum Anbeißen.
Tja, er stand aber eher auf Chyna, und diese Frau war außerdem damit beschäftigt, ihn im wahrsten Sinne des Wortes zum Schweigen zu bringen. Es war egal, ob sie ihn nun ein Narkotika oder ein Gift in den Wein getan hatte, sie war jedenfalls bei Deacan so ziemlich unten durch. Nein, ein anständiger Privateer griff zum Steuerknüppel. Oder eben zum Blaster. Aber nicht zur Giftküche.
Deacan interessierte jetzt nur noch eins, wer sie geschickt hatte. Er beschloss, dem Spiel ein wenig Würze zu verpassen. Er griff zum Glas, besser gesagt zu beiden Gläsern und vertauschte sie vor ihren Augen. Dazu legte er ein breites Grinsen auf.
Dann leerte er ihr Glas in einem Zug. Die Dame wurde blass. Es war ihr anzusehen, dass sie nach Worten suchte. Deacan kam ihr aber zuvor. Er hielt ihr sein Glas hin. Ihre Verwirrung sprach Bände.
„Nein danke, wirklich nicht.“
Sanft versuchte sie, seine Hand mit dem Glas weg von ihren Gesicht zu drücken. Für Deacan war das die Bestätigung schlechthin.
„Ihnen schmeckt wohl der Wein nicht, mh?“
„Doch schon. Ich vertrage nur nicht soviel, wissen Sie.“
„Ach so. Ansonsten hätte ich auch noch andere Getränke im Kühlregal. Ohne Alkohol vielleicht?“
Deacan stellte das Glas wieder auf den Tisch, sein Gast atmete hörbar auf. Er stand auf, ging wieder in Richtung Küche. Von dort aus beobachtete er Sera Dawson, die eilig das leere Glas auffüllte und dann beide Gläser wieder vertauschte.
Sie schien wohl immer noch zu hoffen, das Deacan nur Spaß gemacht und sozusagen aus Jux das Gläserrücken veranstaltet hatte.
Der Privateer hatte genug von dem Spiel. Er erinnerte sich, das Manley eine Zweitwaffe zurück gelassen hatte. Diese lag nebenan im Schlafzimmer. Manley hatte sie Deacan da gelassen, er hatte zwar dankend abgelehnt, aber die Agentin hatte darauf bestanden.
Jetzt wollte er den Blaster aber für sein Spiel benutzen. Er ging schnurstracks an Sera Dawson vorbei ins Schlafzimmer, sie sah ihm nur mit leichter Verwunderung hinterher. Manleys Blaster lag noch immer auf seinem Kopfkissen, an jener Stelle, wo er sie hin verfrachtet hatte, nachdem Manley sie ihm aufgezwungen hatte. Deacan hob sie hoch. Sie war geladen, die Ladeanzeige für die Energiezelle stand fast auf Maximum. Er steckte sie hinten in den Hosenbund, direkt neben das Messer.
Dann kehrte er zu seinem Gast zurück, blieb jedoch erst einmal in der Tür stehen.
„Irgendwas nicht in Ordnung?“
Dawson mimte die Coole.
„Nein, alles bestens. Ich habe nur eine kleine Bitte.“
„So? Und was wäre das?“
Dawson machte sich ein wenig auf dem Sofa lang, versuchte noch mehr die Verführung in Person zu sein.
„Trinken Sie.“
Deacan wies auf die Gläser.
„Gut, wenn es Ihnen so viel Freude bereitet, mir dabei zuzusehen...“
Wie Deacan es ahnte: sein Gast griff zum frisch aufgefüllten Glas und leerte es mit wenigen Schlucken. Dann stellte sie es wieder hin.
„Wollen Sie nicht auch etwas trinken?“
Dawson füllte das Glas wieder nach.
„Vielleicht mit mir zusammen?“
Wie niedlich.
„Nein, ohne Sie. Trinken Sie.“
In Deacans Stimme war eindeutig seine Stimmung zu hören, die sich langsam aber sicher verschlechterte. Dawson griff wieder zu Ihrem alten Glas, Deacan hingegen zum Blaster. Er zog die Waffe hinter seinem Rücken hervor.
„Nicht dieses Glas, sondern das andere.“
Er ging einige Schritte auf Dawson zu, sie sollte sehen, was genau er da in seinen Händen hatte. Diesmal wurde die Dame richtig blass. Da sie keinerlei Anstalten machte, das betreffende Glas auch nur in die Hand zu nehmen, richtete er die Mündung des Blasters in Richtung ihres Kopfes.
„Spreche ich etwa undeutlich, Sera Dawson?“
Keine Reaktion. Um seiner Aufforderung etwas mehr Nachdruck zu verleihen, drückte Deacan einfach den Abzug durch. Der Schuss traf ein Kissen, das neben Dawson lag. Unzählige Federn wirbelten umher, etliche landeten auf Dawsons Haupt und ihrer Kleidung.
Na toll. Jetzt sah sie wirklich zum Anbeißen aus, wie ein kleiner Engel, der eine wüste Kissenschlacht angezettelt hatte. Leider ein kleiner Engel mit bösen Absichten. Dawson merkte, dass Deacan nicht spaßte. Widerwillig stellte sie ihr Glas ab und nahm das andere in die Hand.
„Na los, ich warte.“
Sie schien zu überlegen. Weitere Sekunden verstrichen.
„Meine Geduld ist nicht unerschöpflich, Sera Dawson. Falls das Ihr Name ist. Entweder Sie kippen sich das Zeug runter, oder Ihr hübscher Schädel verziert meine Wand. In lauter kleinen Stücken. Eins, zwei...“
„Drei.“
Dawson kippte den Inhalt des Glases auf den Tisch aus.
„Okay, Sie haben mich. Zufrieden?“
Sie fühlte sich sichtlich unwohl und ließ ihren Blick nicht von der Mündung des Blasters.
„Wer hat Sie geschickt?“
Deacan blieb auf seiner Position, von hier aus konnte er Dawson bestens unter Kontrolle halten.
„Jemand gab mir Sechzehntausend Credits und ein Narkotika. Ich hatte nicht die Absicht, Ihnen zu schaden.“
„Woher wollen Sie wissen, dass es sich dabei tatsächlich um ein Betäubungsmittel handelt?“
Dawson überlegte.
„Punkt für Sie.“
„Den Namen Ihres Auftraggebers.“
Deacan wurde etwas lauter. Dawson senkte ihren Blick.
„Ich kenne ihn nicht.“
Prima. Ein wirklich unproduktives Gespräch.
„Sie wissen, dass ich Sie an die CIS übergeben könnte? Die Gesetze des Tri-Systems sind recht eindeutig. Mord ja, aber nur, wenn der Auftraggeber bekannt ist.
Namentlich. Und mit seiner ID-Card. Und es muss einen nachvollziehbaren Grund dafür geben. Ich glaube kaum, dass Sie mit so etwas aufwarten können. Oder?“
Dawson gab keine Antwort, sie versuchte, seinen Blicken auszuweichen.
„Ihr gottlosen verfluchten Söldner. Obwohl ich stark bezweifle, dass Sie tatsächlich ein Privateer sind. Mal ehrlich, kennen Sie Sera McCumber wirklich? Oder hat Ihr Auftraggeber Sie mit Informationen versorgt?“
„Letzteres.“
Deacan begann ernsthaft nachzudenken. Steckte Ricards dahinter? Oder jemand anderes, noch schlimmeres? Der Privateer bezweifelte sehr stark, dass Ricards überhaupt wusste, dass er wieder unterwegs war.
Es gab also vermutlich einen weiteren Spieler auf dem Feld, der den Vorteil hatte, noch unbekannt zu sein.
„Können Sie mir Ihren Geldgeber wenigstens beschreiben? Wie sah er aus?“
„Er war eine sie.“
Wieder eine Pause. Wenn das Gespräch in diesen Tempo weiter ging, würde er noch heute Nacht hier sitzen.
„Weiter im Klartext.“
„Ich habe sie nur einmal kurz gesehen, das war vor zwei Tagen, nachts. Auf Crius. Wir trafen uns auf der Rückseite meines Motels, es war recht dunkel, ich kann Ihnen nur sagen, das sie etwa einen Meter sechzig groß war, vermutlich hatte sie rotes Haar. So um die vierzig Jahre alt.
Ich erhielt von ihr ihre Visitenkarte, außerdem eine Menge an Informationen Sie und Sera McCumber betreffend. Den ersten Kontakt hatte sie über mein MACS getätigt, ich war in Geldschwierigkeiten, mein Jäger war schwer beschädigt worden. Sie wusste, dass ich dringend Geld benötigte. Fragen Sie mich nicht, woher.“
„Haben Sie sich nicht gefragt, woher sie Ihre Situation überhaupt kennen konnte? Ist das nicht ungewöhnlich?“
Dawson nickte.
„Sie zahlte sofort, nur das war wichtig für mich. Keine Fragen, hieß es. Ich ließ meine Maschine instand setzen, dann kam ich hierher.“
„Um sich eine Menge Unannehmlichkeiten und Scherereien aufzuladen. Gratulation, das ist Ihnen perfekt gelungen.“
Deacan griff nach seinen MACS, das noch immer auf einen Stuhl im Raum lag und stellte das Gerät auf Scanmodus. Vielleicht gelang es ja die Mixtur, die ihn diese Frau ins Glas getan hatte, zu identifizieren.
Viel war vom Glasinhalt nicht mehr vorhanden, der Grossteil war vom Tisch herunter auf den Teppich gelaufen. Doch das Glück blieb Deacan treu. Nach wenigen Sekunden lieferte der Scann erste Ergebnisse.
Ein Betäubungsmittel. Interessant. Wenn es nur darum ging, ihn ruhig zu stellen, würde mit Sicherheit in Kürze jemand hier auftauchen. Vielleicht um ihn mitzunehmen, vielleicht aber auch um ihn kalt zu machen. Schöne Aussichten.
Und seine Unterstützung war unterwegs, einkaufen. Deacan hoffte, dass zumindest Manley vielleicht etwas früher von ihrem Treffen mit Teanna und Ivy wieder kommen würde.
Dawson war für ihn ehrlich gesagt wertlos. Sie diente hierbei nur als Werkzeug und war austauschbar. Vermutlich wusste sie nicht einmal, dass sie sich selbst in Gefahr gebracht hatte, denn nicht selten wurden Leute, die ihren Auftrag vermasselten, still und leise entfernt.
Daneben passierte es aber auch, dass selbst auf eine Erfolgsmeldung statt des Lohns der Tod lauerte. Sera Dawson steckte jedenfalls bis zum Hals in Schwierigkeiten. Und Deacan war dabei noch der angenehmste Teil. Er setzte sich auf einen Stuhl, hielt jedoch etwas Abstand zu Sera Dawson ein. Die wurde immer unruhiger.
„Was werden Sie mit mir machen?“
Deacan lächelte teuflisch böse.
„Ich überlege noch. Vielleicht erschieße ich Sie, vielleicht wandern Sie in die Gefängnishöhlen von Hades. Wer weiß?“
 
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